laut.de-Kritik

Mit Pauken und Trompeten, Orgel und E-Gitarre.

Review von

In der Brust von Deep Purple-Organist Jon Lord schlugen zwei Herzen. Oder, besser, ein bluesiges (mit Bach-Einflüssen), das er sein Leben lang auf zweierlei Weise einsetzte: einmal hardrockend, einmal symphonisch.

Bei Deep Purple gehörte ihm der rechte Seite der Bühne. Mit Matte und Räuber-Hotzenplotz-Schnauzer bildete er an seinen Orgeln den lässigen Gegenpol zu Gitarrist Ritchie Blackmore. Während dieser Gitarren zerschlug und Verstärker ins Publikum warf, bewahrte Lord, passend zu seinem Nachnamen, stets die Ruhe.

In seiner Kindheit hatte er Klavier spielen gelernt. Lord konnte nicht nur Noten lesen, sondern auch schreiben, was für einen Rockmusiker nicht unbedingt die Regel ist. Arrangieren konnte er auch, das führte zu seinem ersten Werk, dem "Concerto For Group And Orchestra" (1969). In einer gewissen Hinsicht bahnbrechend, ließ es doch erstmals Rock und Klassik aufeinandertreffen.

Ein Jahr später hatte Lord schon sein zweites Werk fertig gestellt, das er nach dem Sternbild der Zwillinge benannte. Das "Concerto" war bei einer Live-Aufführung aufgenommen worden, diesmal wollte Lord die Möglichkeiten eines Studios nutzen. Da sich Blackmore und Sänger Ian Gillan nicht überzeugen ließen, verpflichtete Lord an ihrer Stelle den Gitarristen Albert Lee sowie Yvonne Elliman und Tony Ashton für die Gesangseinlagen.

Die Sessions mit dem London Symphony Orchestra und dem Dirigenten Malcolm Arnold fanden im März 1971 in London statt, hauptsächlich in den Abbey Road Studios. War das "Concerto" noch in drei Sätze aufgeteilt, besteht die "Gemini Suite" aus sechs, die jeweils einem Instrument gewidmet sind. Den Anfang macht Lee, der es als Sessionmusiker gewohnt war, sich jedem beliebigen Rahmen anzupassen.

Schon hier zeigt sich, dass die Soloinstrumente und das Orchester nicht harmonieren. Das liegt einerseits daran, dass sie nicht gleichzeitig aufgenommen wurden, andererseits an den zu starken Kontrasten in Lords Komposition.

Pauken, Bläser- und Streicherwirbel, Solopassage, Pauken, Bläser- und Streicherwirbel, Solopassage, so das Grundschema der Suite. Der erste Satz wirkt wie eine ungelenke Ennio Morricone-Komposition für "Krieg der Sterne", die plötzlich in Deep Puples "Black Night" übergeht und wieder zurück. Die mittlere Gitarren-Einlage klingt, als spiele sich Lee erst warm.

Die Beiträge von DP-Schlagzeuger Ian Paice und DP-Bassist Roger Glover scheitern daran, dass beide zwar im Bandgefüge gut funktionieren, aber einfach keine Solisten sind. Die Gesangseinlagen von "Jesus Christ Superstar"-Darstellerin Ellimann und Rockröhre Ashton tönen dagegen zu stark nach Musical.

Bleibt Meister Lord selbst übrig, der sich im zweiten, eher jazzigen Stück am Klavier und im letzten an der Orgel bemüht. Hier kommt der Kontrast am deutlichsten zum Vorschein: volle Röhre Orchester, dann Orgelgeklimper mit Bassbegleitung, zurück zum Orchester. Immer und immer wieder. Als nach reichlich schrägen zwölf Minuten der Satz zu Ende ist, kommt schon fast Erleichterung auf.

Obwohl die "Gemini Suite" bei ihrer Veröffentlichung im November 1972 keine großen Spuren hinterließ, gab Lord nicht auf. 2002 verließ er Deep Purple endgültig, um mehr Zeit für seine symphonische Seele zu haben. Bis zu seinem Krebstod führte er in den folgenden zehn Jahren drei neue klassische Stücke auf und begleitete die Neuaufnahme seines Erstlings "Concerto For Group And Orchestra" im Studio.

Im Dezember 2016 erscheint die Suite nun wieder, neu abgemischt in den Abbey Road Studios und mit einem Einführungstext von Bassist Roger Glover. "Windows" (1974) und "Sarabande" (1976), in Zusammenarbeit mit dem Stuttgarter Komponisten und Dirigenten Eberhard Schoener entstanden, sollen 2017 folgen.

Trackliste

  1. 1. Guitar
  2. 2. Piano
  3. 3. Drums
  4. 4. Vocals
  5. 5. Bass Guitar
  6. 6. Organ

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1 Kommentar mit 3 Antworten

  • Vor 7 Jahren

    Der Mann heißt Jon Lord

    • Vor 7 Jahren

      Das ist das postfaktische Zeitalter! Fakten interessieren nicht, Hauptsache, man hat gefühlt den korrekten Namen verwendet! :-D

    • Vor 7 Jahren

      Ach ja, was wäre wohl, wenn der gute Herr Benassi Metallika schreiben würde. Das die CfGaO nicht jedermanns Sache sind kann ich unterschreiben. Trotzdem hatte ich den ersten take 1969 mangels vergleichbarer Projekte gerne gehört. Nebenbei eigentlich auch ein Meilenstein ... denke an Nothing Else Matters mit Orchester von den erstgenannten. Ich glaube nicht, dass mir die Fakten unbekannt sind. Dachte nur Jon hat es verdient.

    • Vor 7 Jahren

      don't you fukk with purple-checker don benassi.

      so ein kleiner druckfehler macht es - gerade beim für alle heftigen textaufkommen vor den feiertagen - doch höchstens menschlich und sicher nicht postfaktisch.

      das ebenfalls vorhandene "concierto for group and orchestra" halte ich auch für die bessere alternative. man merkt beim späten lord einfach, dass er 2010 ein ganz anderes knowhow in seiner klassischen tiefe hatte als 40 jahre zuvor.