16. Juni 2000

"Ich fühlte mich wie ein Kugelfisch"

Interview geführt von

Joe Bonamassa soll schon im Alter von zwölf Jahren zusammen mit der Blues-Legende B.B. King auf einer Bühne gestanden haben. Mittlerweile gehört der 37-jährige Ausnahmegitarrist zur Creme de la Creme der amerikanischen Bluesrock-Szene.

Wo trifft man sich in Berlin am besten mit einem Kerl wie Joe Bonamassa? Na klar, im Gibson-Showroom, wo sonst? Inmitten von Dutzenden handsignierten Markengitarren muss sich jemand wie Bonamassa einfach wohl fühlen. Und so sind wir auch nicht überrascht, als der lockere Amerikaner kurz vor der Interview-Begrüßung erst einmal eine alte Les Paul von der Wand nimmt und sich zwei Minuten lang in eine andere Welt katapultiert. Diese besteht aus flinken Licks und bluesigen Vier-Finger-Chords. Nach dem letzten flirrenden Ton hängt der Gitarrist das gute Stück wieder an die Wand und begleitet uns mit einem Lächeln im Gesicht ins vorbereitete Gesprächszimmer.

Hi Joe, du kannst es einfach nicht lassen, oder?

Joe Bonamassa:(lacht) Nun, wenn ich eine schöne Gitarre sehe, dann muss ich mich mit ihr anfreunden. Hier gibt es jede Menge schöner Gitarren - ein wahres Schlaraffenland für jemanden wie mich.

Einen halben Meter neben der Gitarre hing sogar ein Poster von dir an der Wand.

Echt?

Überrascht?

Naja, ich bin eher ein bescheidener Zeitgenosse.

Das ehrt dich, zumal du allen Grund hättest, die Nase hoch zu tragen. Du wirst schon seit vielen Jahren in einem Atemzug mit Legenden wie Jeff Beck oder Eric Clapton genannt.

Ja, davon habe ich auch gehört (lacht). Das freut mich natürlich. Ich meine, diese Leute sind wahre Ikonen – Künstler, die mich auch heute noch mit ihrem Schaffen verzaubern und beeinflussen. Wenn ich so etwas mitbekomme, dann muss ich immer an meinen Dad denken. Ohne ihn würde ich wahrscheinlich heute nicht hier sitzen.

Dein Vater schenkte dir deine erste Gitarre, richtig?

Ja, genau.

Kam es seinerzeit zu hitzigen Oberhaupt-Diskussionen im Hause Bonamassa? Mir kam zu Ohren, dass dein Großvater dir lieber das Trompete spielen beigebracht hätte.

(lacht) Ja, das stimmt. Meine ganze Familie ist sehr musikalisch. Mein Großvater liebte die Trompete. Er nahm mich als erster zur Seite und versuchte mich für das Instrument zu begeistern. Aber irgendwie kam ich mit dem Ding nicht klar.

Woran lags?

Ich hatte große Atemprobleme. Ich kann mich erinnern, dass ich mich manchmal wie ein Kugelfisch fühlte. Ich pustete wie ein Verrückter, aber irgendwie bekam ich keinen Ton zustande. Das war schon ziemlich frustrierend. Mit der Gitarre lief es dann wesentlich besser.

"Ich könnte mich auch rülpsend auf einen Barhocker setzen und in Badelatschen und T-Shirt auftreten"

Da brauchtest du auch nicht lange. Bereits mit zwölf Jahren sollst du zusammen mit B.B. King auf einer Bühne gestanden haben. Stimmt das wirklich?

Ja, das stimmt. Es war aber nicht mein erster Live-Auftritt. Ich stand bereits davor zusammen mit der Band meines Vaters auf der Bühne. Lass mich überlegen ... Das war am 11. November 1989.

Du hast ein gutes Gedächtnis.

Es gibt Momente im Leben, die man einfach nicht mehr vergisst. Dieser Abend war pure Magie. Der Auftritt mit B.B. King fand dann ein halbes Jahr später im Mai statt. Das war natürlich auch großartig, keine Frage. Ich meine, es gibt Tausende talentierte Blues-Gitarristen, die von einem solchen Moment träumen. Meine Mum hatte das alles irgendwie in die Wege geleitet. Sie kümmerte sich damals um meine "Promo- und Booking-Angelegenheiten".

Hattest du vorher die Hosen voll?

Hallo? Ich war ein Kind! 5.000 Leute im Publikum? Zusammen mit B.B.King? Kein Problem. Wo ist die Bühne. Ich kannte damals Begriffe wie Druck oder Erwartungshaltung noch nicht. Es gab nur mich und meine Gitarre. Der Spaß stand an erster Stelle.

Wie sieht's heute aus?

Der Spaß steht definitiv immer noch an erster Stelle. Dennoch hat sich natürlich viel verändert. Mittlerweile verdiene ich meinen Lebensunterhalt mit der Musik. Das ist nicht viel, aber es reicht. Ich brauche keine zwanzig Autos und vergoldete Manschettenknöpfe, um mich wohl zu fühlen. Ich muss auch nicht jeden Abend vor zwanzigtausend Menschen spielen, von denen ein Großteil zwei Wochen später nicht mal mehr weiß, wie mein Name richtig ausgesprochen wird. Ich bin ein Familienmensch. Meine Fans sind meine Familie, verstehst du? Und man will doch, dass es der eigenen Familie gut geht, oder nicht? Daher muss ich mich anstrengen. Ich will, dass die Leute nach einem Konzert mit zufriedenen Gesichtern nach Hause gehen. Das bedeutet Verantwortung. Als Kind wollte ich nur raus und spielen.

Trägst du deshalb immer einen schicken Anzug, wenn du eine Bühne betrittst? Willst du auch optisch vor deiner Familie gut dastehen?

Ja, absolut. Die Leute zahlen schließlich viel Geld für ein Ticket. Da will ich ihnen nicht nur musikalisch sondern auch optisch etwas bieten (lacht). Ich könnte mich natürlich auch rülpsend auf einen Barhocker setzen und in Badelatschen und T-Shirt auftreten. Aber so bin ich nicht. Ich verstehe auch nicht, wie das bei anderen Künstlern funktioniert. Die kommen auf die Bühne und sehen aus, als kämen sie gerade aus dem Bett. Dennoch sind die Hallen voll. Das begreife ich nicht.

"Du willst Popa Cubby nicht als Daddy haben"

Wie sieht es deiner Meinung nach mit der musikalischen Entwicklung aus? Hast du da ebenfalls Probleme mit?

Ja, sogar sehr große. Ich höre nur sehr wenig neue Musik. Ich glaube, selbst wenn ich heute erst mit dem Gitarre spielen anfangen würde, hießen meine Helden immer noch Jeff Beck, Eric Clapton und Tommy Bolin. Ich registriere zwar unheimlich viel Talent da draußen, aber irgendwie verlieren sich viele Musiker in einem neumodischen Soundbrei, der mit echten Gefühlen und handgemachten Klängen nicht mehr viel gemeinsam hat. Das ist wirklich sehr traurig. Auch live findet man nur noch wenige Künstler, die wirklich begeistern. Wenn ich in Berlin bin, gehe ich beispielsweise immer sehr gerne ins Quasimodo. Das ist ein kleiner Jazz-Laden, in dem noch wirklich solide abgeliefert wird. Warst du da schon mal?

Im Quasimodo?

Ja.

Oh, ja. Das letzte Mal, als ich dort war, spielte Popa Chubby. Großartiger Kerl.

Ja, ein begnadeter Gitarrist. Leider ist er kein sonderlich netter Mensch.

Nicht? Ich finde, er hat so was Väterliches an sich.

Nun, so gut kenne ich ihn nun auch wieder nicht. Aber wenn ich mich an das erinnere, was ich bisher so erlebt und mitbekommen habe, dann würde ich sagen: Sei lieber froh, dass Popa nicht dein Daddy ist (lacht).

Du hängst lieber mit Beth Hart rum?

Absolut. Sie ist wundervoll.

Neben Beth Hart bist du aber auch noch mit der Black Country Communion und der Rock Candy Funk Party unterwegs. Wie kriegst du das alles unter einen Hut?

Das ist nicht schwer. Wenn man liebt, was man tut, dann ärgert man sich am Ende des Tages eher über den Zwang des Schlafens, als über müde Knochen. Ich bin Musiker. Ich mache mein ganzes Leben lang nichts anderes. Je mehr Musik, desto besser. Außerdem brauche ich die Abwechslung. Jedes dieser Projekte funktioniert in einer komplett eigenen Welt. Das ist nicht nur aufregend und mit viel Spaß verbunden sondern auch unheimlich heraufordernd. Ich fühle mich noch lange nicht so, als wäre ich musikalisch angekommen. Ich bin einer von diesen Der-Weg-ist-das-Ziel-Typen. Ich muss immer in Bewegung sein. Das steckt in mir drin.

Du wirkst rundum zufrieden und glücklich. Gibt es dennoch etwas, was du in Bezug auf deinen bisherigen musikalischen Lebensweg, bereust?

Nein, eigentlich nicht. Das einzige, was mich rückblickend ein bisschen ärgert, ist die Tatsache, dass ich nicht schon viel früher mit dem Singen angefangen habe.

Meine Großmutter pflegte immer zu sagen: Eins nach dem anderen.

Weise Worte (lacht). Und trotzdem: Ich werde wohl nie den Moment vergessen, als ich mit 18 das erste Mal ein Mikro in die Hand nahm und gemerkt habe, dass sich meine Fähigkeiten an der Gitarre durch das gleichzeitige Singen nicht zwingend verschlechtern. Das war ein sehr komisches Gefühl. Einerseits wusste ich, dass ich dadurch in Zukunft als Musiker noch mehr präsentieren kann – andererseits ärgerte ich mich über die verlorenen zehn Jahre, in denen ich mich nur auf die Gitarre konzentrierte.

Jammern auf hohem Niveau?

Ja, Jammern auf hohem Niveau (lacht).

Weiterlesen

LAUT.DE-PORTRÄT Joe Bonamassa

Es muss um das Jahr 1981 herum gewesen sein, als dem kleinen Däumling Joe Bonamassa Musik zu Ohren kommt, die ihn nicht mehr loslassen soll. Im zarten …

1 Kommentar

  • Vor 4 Jahren

    Joe to jeden z wielu, którego uwielbiam słuchać i który swoją grą miał wielki wpływ na to,że pokochałam bluesa,z którym nie zawsze było mi po drodze....Co mnie urzekło w muzyce Joe? Nie kwestionowany talent,pasja,determinacja i miłość do muzyki,do bluesa...