29. November 2013

"Viele halten mich für ein arrogantes Arschloch"

Interview geführt von

Englands Singer/Songwriter-Shootingstar Jake Bugg lässt nichts anbrennen; denn noch ehe sein selbstbetiteltes Debütalbum den ersten Geburtstag feiert, legt der 19-jährige Brite bereits seinen zweiten Longplayer nach ("Shangri La").

Als wir Jake Bugg vor gut acht Monaten zum ersten Mal in Berlin trafen, präsentierte sich uns ein etwas wortkarger junger Mann, der seinerzeit nicht so richtig wusste, wie ihm geschah. Sein Debütalbum landete in England auf Platz eins, im Hintergrund klopfte ihm sein Mentor Noel Gallagher fast täglich begeistert auf die Schultern. Doch statt sich danach erst einmal auf eine mentale Verarbeitungsreise zu begeben, buchte der Jüngling ein Ticket nach Malibu. Dort arbeitet schließlich Produzenten-Guru Rick Rubin.

Und so geisterten vor einigen Wochen Fotos durchs Internet, die das ungleiche Paar zeigen, wie sie sich lächelnd und entspannt chillend auf der Sonnenterasse von Rubins Studio-Komplex die Zeit vertreiben. Natürlich wurde nicht nur abgehangen, sondern auch fleißig gearbeitet. Wie letztlich alles zustande kam, was die Zusammenarbeit mit Rick Rubin für Jake Bugg bedeutete und wann und wo der Sänger in den vergangenen Monaten überhaupt Zeit fand, um neuen Songs zu schreiben, erzählte uns Jake Bugg zwei Wochen vor der Veröffentlichung von "Shangri La".

Hi Jake, als ich hörte, dass ich einer der ersten wäre, der mit dir sprechen darf, fiel mir ein ganz schöner Stein vom Herzen.

Jake: Oh, das freut mich. Demnach magst du meine Musik?

Ja, aber ...

(Unterbricht mich)

Das ist toll. Mit solchen Leuten rede ich auch am liebsten (lacht). Sorry, ich hatte dich unterbrochen.

Macht nichts. Und: Ja, ich steh auf deine Sachen. Ich finde auch das neue Album toll. Der Grund, warum ich mich so sehr über den frühen Slot freute, war aber eigentlich ein anderer.

So?

Naja, als wir uns das letzte Mal trafen, hattest du schon einiges an Promo hinter dir. Dementsprechend müde und ausgelaugt hast du dich präsentiert. Von jemandem, der generell eher dazu neigt, in Gesprächen nicht sonderlich aus sich heraus zu gehen, war dann natürlich nicht mehr allzu viel zu erwarten. Als ich dann dieser Tage den Slot erhielt, war ich natürlich happy, weil ich dachte: Cool, diesmal wird's bestimmt ein bisschen ausführlicher.

(Lacht) Oh, Mann. Das tut mir echt leid. Aber, kann sein, dass ich dich diesmal wieder enttäuschen muss. Ich bin einfach nicht der Typ, der viel und gerne redet. Deswegen halten mich viele auch für ein arrogantes unnahbares Arschloch.

Was du natürlich nicht bist.

Nein, natürlich nicht. Ich bin Musiker, kein Redner oder Entertainer. Diesen ganzen Zirkus drumherum brauche ich nicht. Am liebsten würde ich den ganzen Tag nur irgendwo in der Ecke hocken und Gitarre spielen. Und abends würde ich dann auf die Bühne gehen. Aber so funktioniert das leider nicht.

"Wenn ich es mir aussuchen könnte, dann würde ich mich lieber verkriechen."

Inwieweit war diese Erkenntnis ein Schock für dich, als sich Anfang des Jahres plötzlich alle auf dich stürzten?

Naja, ganz so blauäugig war ich ja nicht. Mir war schon klar, dass der Erfolg meines Debütalbums einen Rattenschwanz an Öffentlichkeitsarbeit nach sich ziehen wird. Aber, wie gesagt: Wenn ich es mir aussuchen könnte, dann würde ich mich lieber verkriechen.

Also: Morgens mit der Gitarre im Bett aufwachen und Songs schreiben, die Sachen mittags dann von Rick Rubin aufnehmen lassen und abends dann mit Noel Gallagher übers Ergebnis sprechen? So in etwa?

Oh, yeah! Das klingt nach einem perfekten Tag (lacht).

Die vergangenen acht Monate verliefen aber nicht annähernd so. Du wurdest um die halbe Welt geschickt, warst nahezu durchgehend auf Tour und landetest irgendwann auf der Terrasse von Rick Rubin. Erzähl doch mal?

Das ist genau der Punkt. Ich meine, du und auch all die anderen Leute: Ihr wisst doch eigentlich schon alles. Genau so war es. Ich wurde ordentlich rumgereicht, habe massig Konzerte gespielt und dann schließlich in Malibu zusammen mit Rick Rubin mein neues Album aufgenommen. That's it. Versteh mich nicht falsch, aber das sind die Eckpfeiler, um die es geht. Was anderes ist nicht passiert.

Ok, andersrum: Stell dir vor, du triffst Paul McCartney oder den wiederbelebten Johnny Cash. Würde es dich nicht interessieren, wie es denn früher so in den Abbey Road-Studios abgegangen ist? Oder wie man sich fühlt, wenn man vor 200 Strafgefangenen auftritt?

Ja, schon. Natürlich würde mich das interessieren. Es geht ja auch nicht darum, dass ich kein Verständnis für das gezeigte Interesse an Hintergründen habe. Ich persönlich fühle mich einfach nur unwohl in der Star-Rolle. Das ist einfach nicht meins, verstehst du? Alleine schon die Tatsache, dass du mich in einem Atemzug mit Paul McCartney und Johnny Cash nennst, ist für mich völlig bizarr. Ich meine, ich bin 19 und habe gerade mal zwei Alben auf dem Buckel.

Wir reden aber hier ja nicht über irgendwelche Massenware, bei der der Künstler froh sein kann, wenn sich überhaupt jemand dafür interessiert. Dein Debütalbum grüßte gleich in der ersten Woche von der Spitze der UK-Charts. Dein zweites Album dürfte ähnlich steil gehen, wenn man sich die bisherigen Reaktionen so anschaut. Außerdem hast du mal eben so ein paar Wochen im Studio eines der wohl renommiertesten Produzenten dieser Welt verbracht. So ein Werdegang zieht nun mal ein gewisses öffentliches Interesse nach sich.

Ja, ich weiß. Und dennoch: Wenn ich es mir aussuchen könnte, dann ... Ich habe in der Vergangenheit auch viel mit Noel darüber gesprochen. Das ist wohl so eine Art Lernprozess, in dem ich mich gerade befinde.

Es soll ja auch Künstler geben, die sich regelrecht nach Öffentlichkeitsarbeit verzehren.

Ja, das habe ich auch schon mitbekommen (lacht). Aber das wird bei mir wohl nicht passieren.

"Manchmal würde ich die Uhr gern zurückdrehen."

Wir werden sehen ... Wie war's denn jetzt mit Rick Rubin?

Es war toll, sehr inspirierend.

Es stand zu lesen, dass du ihn vorher gar nicht kanntest. Stimmt das?

Jein. Ich wusste, dass er mal mit Johnny Cash zusammen gearbeitet hat. Aber mehr auch nicht. So etwas interessiert mich aber auch nicht. Als der Kontakt über mein Management zustande kam, war mir nur wichtig, dass ich mit ihm klarkomme. Das war auch zum Glück der Fall. Er ist ein toller Mensch mit unheimlich viel Fachwissen und dem Gespür für außerordentliche Momente. Ich habe mich bei ihm sehr wohlgefühlt.

Irgendwann saß wohl auch noch Chad Smith von den Red Hot Chili Peppers hinter den Drums. Den kanntest du vorher auch nicht?

Nein (lacht). Rick brachte ihn irgendwann ins Studio.

Hat er alle Drums auf dem Album eingespielt?

Nein, leider nicht. Die letzte Session hat er verpasst.

Hast du im Studio noch Songs fürs Album geschrieben? Oder war das Paket schon geschnürt?

Die Songs waren eigentlich alle schon fertig.

Dein erstes Album wurde erst vor zehn Monaten veröffentlicht und danach warst du eigentlich fast durchgehend auf Tour. Wo und wann hast du Zeit für neue Songs gefunden?

Nun, ich bin nicht gerade der geselligste Typ. Immer dann wenn ich eine freie Minute hatte, habe ich mich mit meiner Gitarre irgendwo verkrochen und an neuen Ideen getüftelt. Wie gesagt, ich bin Musiker. Ich will eigentlich nichts anderes, als singen und Gitarre spielen.

Demnach sind die neuen Songs komplett auf Tour entstanden?

Ja, genau. Ich meine, ich war monatelang unterwegs. Ich habe jede Menge neue Leute kennengelernt und Orte gesehen, die ich vorher höchstens von der Landkarte kannte. Da hat sich jede Menge Input angestaut. Zum Glück habe ich die Musik und die Möglichkeit, all diese Erfahrungen und Begegnungen in meinen Liedern zu verarbeiten. Andernfalls hätte man mich bestimmt schon einliefern müssen (lacht).

Was sagen deine Kumpels in Clifton eigentlich zu deinem kometenhaften Aufstieg? Hast du noch Kontakt?

Oh ja, natürlich. Ich telefoniere regelmäßig mit meinen Freunden. Die freuen sich alle darüber.

Du wolltest ja immer raus aus Clifton. Jetzt hast du es geschafft. Bist du heute immer noch glücklich darüber? Oder wünschst du dir manchmal die alten Zeiten zurück?

Es gibt wirklich manchmal Phasen, in denen ich die Uhr gerne für einen Moment zurückdrehen würde. Das ist meist immer dann der Fall, wenn der Stresspegel etwas zu weit ausschlägt. Aber im Grunde bin ich überglücklich. Ich habe hart dafür gearbeitet. Ich wollte schon immer raus. Ich wollte Musik machen und die Welt kennenlernen. Das ist jetzt mein Leben.

Ein Leben, in dem du selbst das Tempo vorgibst. Zwei Alben innerhalb eines Jahres: Es gibt Leute da draußen, die davon ausgehen, dass du im kommenden Jahr bereits das dritte Werk folgen lässt. Wird es so kommen?

Kann schon sein. Ich habe schon Ideen. Aber ich will jetzt erst einmal abwarten, wie das zweite Album bei den Leuten ankommt.

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