laut.de-Kritik

Postmetal in Film Noir.

Review von

Prog lebt von Gegensätzen. Hypno5e spielen der eigenen Aussage nach bipolare Musik und begeben sich auf die Suche nach dem Geheimnisvollen, dem Geisterhaften der menschlichen Existenz. Gewissermaßen der harsche Zwilling von Steven Wilson, nimmt man dessen erste beiden experimentellen Soloalben "Insurgentes" und "Grace For Drowning" als Referenz und addiert dazu eine gehörige Portion Metal.

Emmanuel Jessuas Faible für Musik und Film verbunden mit dessen südamerikanischen Wurzeln markieren den Ausgangspunkt für das kreative Suchen der Franzosen. Sein Ziel: Das visuelle Element soll gewissermaßen synästhetisch an die Musik andocken. Die eigenständigen Kunstformen Film, Literatur und Musik werden nicht zur Verstärkung des jeweiligen Hauptbestandteils herangezogen, sondern verschmelzen zu etwas Neuem.

Das Quartett folgt einem Album übergreifenden Konzept und nimmt in diesem Fall die einzelnen Himmelsrichtungen als Metapher für die verschlungenen Wege, die der Mensch beschreitet. Die Conditio Humana in ihrer Verzweiflung, Liebe, Wut, Trauer und Hoffnung erhält ein adäquates ganzheitliches Pendant aus Musik und imaginärem Film.

Hypno5e wuchten Riffs mit wahnwitzigen Spielideen und einem Detailreichtum aus den Boxen, der jenseits des Höher-schneller-weiter-Wahns liegt. Der Hörer sieht sich brachialen Ostinati und dissonanten Basstönen, die wie Hölle grooven, ausgesetzt. Charakteristisch sind die kurzen, cleanen Akkordsequenzen, die wie ein kurzes Momentum des Luftholens dazwischen geschoben werden.

Daneben liegt der Fokus auf cineastisch ausschweifenden, emotionalen Landschaften, die die Band mittels Ambient, Soundscapes, Piano-Interludes, cleanen Gitarren und Sprachsamples erzeugt. Man beachte das grandiose Rezitativ am Ende von "Sea Made Of Crosses" auf Basis des tieftraurigen Bukowski-Poems "The Man At The Piano".

Auch die spanische Sprache kommt zu ihrem Recht, vor allem im genialen "Tio", das als südamerikanische Folkweise nur scheinbar aus dem Rahmen fällt, da es genauso tiefschürfend und elektrisierend umgesetzt wurde wie die restlichen Szenen. Etwas weniger innovativ gibt man sich bei den ruhigen Gesangspassagen, die in punkto Melodieführung und Harmonik häufig an Pink Floyd erinnern.

Getreu der Weisheit "Man kann nicht zwei Mal in denselben Fluss steigen", spielen Hypno5e mit den musikalischen Motiven, beispielsweise im Refrain von "East Shore - In Our Deaf Lands", den die Band zunächst sanft intoniert und im Folgenden immer mehr mit Distortion und Dissonanzen verfremdet.

Hier läuft tatsächlich ein Film Noir in Postmetal-Atmosphäre vor dem inneren Auge ab, der viel Muße und Zuhören verlangt und sicherlich aufgrund der verstörenden Machart polarisiert. Wer mit The Ocean und Gojira etwas anfangen kann und vor unkonventionellen Ideen nicht zurückschreckt, ist hier richtig.

Trackliste

  1. 1. East Shore - Landscape in the Mist
  2. 2. East Shore - In Our Deaf Lands
  3. 3. West Shore - Where We Lost the Ones
  4. 4. West Shore - Memories
  5. 5. Central Shore - Tio
  6. 6. North Shore - The Abstract Line
  7. 7. North Shore - Sea Made of Crosses
  8. 8. South Shore - Blind Man's Eye

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3 Kommentare

  • Vor 8 Jahren

    Wow, gefällt mir als großem The Ocean Fan sehr gut. Schön das hier so was reviewt wird.

  • Vor 8 Jahren

    danke, laut.de, für diese review und damit den hinweis auf hypno5e. hör mir zur zeit die ohren wund am vorgänger "acid mist tomorrow", was für ein brachiales, komplexes und zugleich extrem atmosphärisches teil.. englische, französische und spanische vocals tragen zur jeweiligen stimmung bei, absolut top. erinnert tatsächlich an the ocean, ist vor allem aber wieder mal eine bestätigung dafür, dass progressiver metal aus frankreich (für mich) inzwischen ein garant für überragende qualität ist, die entsprechenden bands überschlagen sich mittlerweile.. freu mich jetzt schon, obwohl ich noch lang nicht genug von "acid mist tomorrow" habe, "shores of the abstract line" kennenzulernen.