24. Januar 2013

"Kaum im Interview, schon gehen die Beleidigungen los!"

Interview geführt von

Viele werden sich bestimmt noch an die Rage-Nummer "Straight To Hell" erinnern, die es sogar in den Film "Der Schuh Des Manitu" geschafft hat. Sollten Rage noch auf dem Weg in die Hölle sein, könnten ihnen da mit Vollgas Helloween entgegen brettern, die sich zum Jahresbeginn 2013 mit "Straight Out Of Hell" zurück melden. Höchste Zeit also, den Rechner anzuwerfen und Drummer Dani Löble zum Gespräch zu bitten.Skype ist eine feine Sache. Nicht nur, dass sich die Kosten den Telefonats komplett vermeiden lassen, man kann seinen Gegenüber sogar ins faltige Angesicht blicken. Damit muss Dani nun eben umgehen und scheint die ein oder andere Runzel sogar wieder zu erkennen.

Hey, wir haben doch schon mal ein Interview gemacht. Hatte das irgendwas mit Pro 7 oder so zu tun?

Naja nicht direkt. Wir haben das zu "Gambling With The Devil" in Berlin während der Popkomm gemacht. Das war in dem Hotel, wo Abends noch irgendein Promi-Ball von Pro 7 stattfand.

Ja, jetzt erinnere ich mich. Du warst einer von denen, die tatsächlich mal interessanten und guten Fragen ankamen und nicht mit dem üblichen blabla.

Na wenn du meinst. Dann muss ich den guten Eindruck aber gleich mal wieder zerstören. Ich hab während der Vorbereitung zu dem Interview nämlich gesehen, dass du gebürtiger Schweizer bist.

Ja, aber wirklich nur geboren. Aufgewachsen bin ich in Deutschland.

Ok, aber ich hatte dich, aus welchem Grund auch immer, als einen von uns abgespeichert, nämlich als Schwobeseckl.

Moooment, das geht ja nun wieder gar nicht! Ich bin aus Baden und wohne da auch noch. Kaum im Interview, schon gehen die Beleidigungen los (lacht). Allerdings ist die Grenze zu Württemberg auch nur ein paar Kilometer entfernt. Aber alles was nördlich von hier ist, ist Norddeutschland oder fast schon Dänemark. Dafür gehört Baden für die ganzen Hamburger quasi schon zu Norditalien. Wir sind da geographisch flexibel. Aber ich fühl mich hier recht wohl, zumal ich begeisterter Skifahrer bin.

Oha, darf man das als professioneller Drummer denn? Bei mir schlagen alle immer die Hände über dem Kopf zusammen, wenn sie hören, dass ich als Bassist mit Vorliebe Basketball und Volleyball spiele.

Na, das sind ja die idealen Sportarten, um sich die Finger zu brechen (lacht). Aber wenn ich ehrlich sein soll, dann muss ich mir im Moment das Skifahren auch verkneifen. Gerade jetzt, wo die nächste Tour ansteht, kann ich das nicht bringen. Da brauchst du die Kohle von einem Michael Schuhmacher, der für so was die Versicherung zahlen kann. Aber davon sind wir weit entfernt. So Sachen wie der Hetfield früher, der sich beim Skaten auf die Schnauze gelegt und den Arm gebrochen hat, das kannst du heute nicht mehr bringen. Aber irgendwo gehört so etwas auch zur Lebensqualität. Man kann sich ja nicht nur auf das Arbeiten oder das Musikmachen fokussieren. He, nicht abschweifen und nebenher Pornos schauen!

Von wegen Pornos, ich werfe nur hin und wieder einen Blick auf meinen Fragenzettel, ich geh ja nicht vollkommen planlos an das Interview, auch wenn man das meinen könnte. Wenn du schon Skifahren erwähnst, wie hältst du dich denn fit als Drummer?

Schon mit Sport. Ich hab hier um die Ecke ein Fitness-Studio in das ich regelmäßig gehe. Mein Tag fängt in aller Regel so an, dass ich morgens trainiere und mich dann um die restlichen Dinge kümmere, die so anstehen. Es gibt ja nicht nur Musik und Bands, sondern auch noch Familie und Privatleben. Außerdem gebe ich auch hin und wieder noch Schlagzeugunterricht.

Als Drummer hat man ja immer die meiste körperliche Arbeit in der Band und du bist einer, der mit einem ordentlichen Punch, aber auch jeder Menge Dynamik arbeitet. Auf "Straight Out Of Hell" ist der Opener "Nabatea" sieben Minuten lang, aber ihr habt auch einige Stücke, die gerne mal 15-20 Minuten dauern. Wo wäre denn das Limit an dem du sagst: 'Mädels, ihr habt wohl nen Schatten! Hier muss ein Akustikpart rein, sonst kipp ich vom Stuhl.'?

Na soweit sind wir zum Glück noch nicht (lacht). Es ist ja nicht so, dass wir in den epischen Songs immer nur mit Vollgas nach vorne durchballern würden. Gerade diese Nummern zeichnen sich doch durch gravierende Stimmungs- und Tempiwechsel aus. Da besteht wenig Gefahr, dass ich vom Hocker falle. Zumal ich ja auch darauf achte, dass ich mit meinem Spiel variabel bleibe und nicht nur den typischen Power Metal-Max hinter der Schießbude mache.

Ich weiß, was du meinst. Mir ist das neulich erst bei der Review zu letzten Gamma Ray-DVD aufgefallen. Dan Zimmermann ist durchaus ein guter Drummer, aber im Prinzip rattert da halt bei jedem Song, außer den Balladen, die Double-Kick durch.

Ich versteh das auch nicht, warum sich viele Drummer damit schon zufrieden geben. Das verliert doch ganz schnell seinen Reiz. Sowohl beim Hören, als auch beim Spielen. Aber das ist mir in den letzten Jahren leider auch auf Tour immer wieder aufgefallen, dass es nur sehr wenige, wirklich gute Drummer gibt. Einer von zehn ist bemerkenswert und einer von 20 wirklich exzellent. Und was man leider auch immer wieder feststellen muss, ist dass viele die Sachen gar nicht spielen können, die sie anscheinend im Studio fehlerfrei hinbekommen haben (lacht).

"Ich benutze live auch Trigger."

Welche jüngeren Drummer haben dich denn in letzter Zeit beeindruckt?

Boah, da fragst du mich jetzt was (überlegt eine ganze Weile) also spontan fällt mir da Tommy Clufetos ein, der bei Rob Zombie, Ozzy und jetzt auch Black Sabbath spielt. Der Junge ist echt tierisch! Und wer auch noch bärenstark ist, ist der George Kollias von Nile. Der ist einfach nur krass schnell und dennoch präzise. Aber sonst haste mich grad echt auf dem falschen Fuß erwischt mit der Frage.

Ich bin ja riesiger Fan von Gene Hoghlan.

Klar, aber der ist doch kein junger Drummer mehr (lacht).

Nein schon klar, aber der ist halt ein absolutes Tier und wen ich auch gnadenlos unterschätzt finde, ist Van Williams, den früheren Nevermore-Drummer.

Den hab ich neulich erst noch getroffen. Wo war das noch ... ach ja in Japan. Ja der ist auch echt gut und vor allem ein sehr netter Kerl. Aber wer auch noch total unterschätzt wird, ist der Drummer von Helloween!

Echt, findeste? Naja, er gibt sich Mühe, hahaha. Aber mal im Ernst, was du vorhin schon angesprochen hast, lässt sich auf dem neuen Album sehr schön nachhören. Das ist nicht das typische Power Metal-Geballer mit Double-Kick bis zum abwinken, sondern dein Spiel ist enorm variabel und oftmals auch überraschend und ungewöhnlich. Mir fiel da vor allem "Asshole" auf. Da spielst du im Refrain ja einen sehr swingenden Rhythmus mit den Füßen.

Ja, das ist ein Shuffle. Da gibt es ein paar US-Drummer, die das richtig geil können, wo wir wieder bei Tommy Clufetos und Rob Zombie wären. Ich saß da ganz schön lange dran, dass das Ding auch cool, locker und relaxt klingt und eben nicht wie irgendein Deutscher, der versucht so was krampfhaft nachzuspielen. Das benötigt schon eine gewisse Übung aber wenn ich die Sachen von den anderen Jungs zugeschickt bekomme, dann arbeite ich die Stück für Stück aus und so Kleinigkeiten sind dabei dann eben das Salz in der Suppe.

Ich entnehme dem, dass ihr auch nicht gerade eine Band seid, die im Proberaum sitzt und gemeinsam an Songs feilt und die Parts gemeinsam ausarbeitet. Wie weit stehen denn die Songs, wenn es ins Studio geht?

Also was meine Patterns angeht, eigentlich zu 100 Prozent. Klar, wird hier und da auch mal noch ein wenig ausprobiert, wie ein bestimmter Part mit dem oder dem klingt. An der Gitarre oder Gesang dreht man auch mal am Arrangement, aber im Prinzip gehe ich bestens vorbereitet ins Studio und nehme meine Sachen auch ohne Klick auf. Ich bekomm vier Vorzähler vom Tempo her, aber dann stellt der Charlie (Bauerfeind, der Produzent der Scheibe) den Klick aus und ich zock einfach drauf los, ohne Klick und ohne Musik. Wenn man genau hin hört, merkt man auch, dass da immer mal wieder leichte Schwankungen drin sind, aber ich bin nun mal ein Mensch und keine Maschine. Die meisten Bands wollen, dass alles ganz genau im Timing ist, programmieren das, oder lassen das digital nachbearbeiten. Das ist für mich aber kein Rock'n'Roll mehr. Auch wenn ich es nachvollziehen kann, dass das eine schnellere und entsprechend auch preiswertere Alternative ist. Ich spiel halt zu jeden Song ein paar Takes durch und der beste wird genommen. Klar verwenden wir auch Pro-Tools, aber eben im Rahmen. Aber Studiozeit ist teuer und das kann sich nicht jeder leisten.

Das ist ein Punkt, den ich absolut nachvollziehen kann. Womit ich meine Probleme habe, ist wenn vor allem live ständig getriggert wird.

Ehrlich? Wieso? Ich benutze live auch Trigger, aber das hat auch den simplen Grund, dass der Mischer die deutlich besser auf die Monitore mischen kann. Die anderen Jungs rennen ja ständig über die Bühne oder haben In-Ear-Monitoring und da ist es eben deutlich einfacher, die Signale von den Triggern auf die Monitore zu geben um den Sound besser zu regulieren.

Ok, das kann ich nachvollziehen, aber wenn ich zum Beispiel so ne technische Death Metal-Band sehe, bei der dich das Schlagzeug live beinahe gegen die Wand drückt, der Drummer die Snare aber nur streichelt und die Hufen bei seiner Double-Kick-Orgie kaum bewegt, komm ich mir etwas verarscht vor.

Naja, selbes Problem wie oben. Bei der Geschwindigkeit und Technik von solchen Bands musst du halt mit kleinen Tricks arbeiten und wenn der Mischer nur das reine Signal der Mikrofone bekommt und das dann eben viel zu schwach ist, muss er eben mit den Triggern arbeiten. Bringt ja nix, wenn das Schlagzeug nicht gegen Gitarren und Gesang anstinken kann.

"Zwischen Andi und mir gibt es kein böses Blut."

Apropos gegen Gesang anstinken. Mir fällt da grad euer letzter Bang Your Head-Auftritt ein, bei dem Andi (Deris, Gesang) mit ein paar mehr oder weniger lustigen Sprüchen in deine Richtung aufgefallen ist.

Och ne, nicht du auch noch (lacht). Das war doch alles nur Spaß. Der Andi und ich wir verstehen uns bestens. Immerhin sind wie beide Badener. Wir foppen uns halt immer gegenseitig mit blöden Sprüchen. Keine Ahnung, warum sich die Leute auf einmal drüber aufgeregt haben. Meistens hör ich das Gelaber von ihm gar nicht, weil ich Kopfhörer trage. Da ich kein Mikro habe, konnte ich mich früher während der Show kaum wehren, aber ich habe mir mit meinem Drumtech mittlerweile auch ein paar Schilder angefertigt, die ich dann immer hoch halte. Das ist ein Geben und Nehmen bei uns (lacht).

Sind Drummer die neuen Keyboarder?

WAS??? Na soweit kommt's noch (lacht). Nenene, das wollen wir mal schön ins Reich der Legenden abtun. Aber zwischen Andi und mir gibt es kein böses Blut. Wir teilen beide kräftig aus, was blöde Sprüche angeht.

Was mich noch interessieren würde, wie waren denn die Arbeiten an "Unarmed" für dich? War das was Anderes? Was Neues?

Ja auf jeden Fall! Gerade mit Orchester muss man ganz anders spielen. Ich habe zum ersten Mal gelernt, dass auch die Körperbewegung beim Spielen einen großen Einfluss auf das Ergebnis haben kann. Ich bin eigentlich ein reiner Metal-Drummer und mit einem klassischen Orchester zu spielen oder auch allein die Akustiksachen, das waren neue Erfahrungen. Weil ich ja viele Songs bearbeiten musste, die ich im Original nicht eingespielt hatte. Das eine echt interessante und lehrreiche Sache und mir haben die Arbeiten an dem Album fast am besten von allen gefallen. Gerade, weil es mich auch als Musiker deutlich nach vorne gebracht hat.

Auf deiner Homepage hab ich gesehen, dass du offensichtlich auch an anderen Projekten arbeitest. Was genau, stand aber nicht dabei. Erzähl doch mal.

Ich hab gerade ein Album für die Band Artlantica X aufgenommen. Das sind der Savatage-Gitarrist Chris Caffery und der Royal Hunt-Sänger John West. (Außerdem Artension-Gitarrist Roger Staffelbach, Sadus-Basser Steve DiGorgio und Keyboarder Misheria) und das geht in die Richtung traditioneller Power Metal. Fand ich sehr geil und hab das in meinem kleinen Studio eingespielt. Ich werde immer mal wieder auch als Studiomusiker gebucht.

Gibt es irgendwas, wo du sagst, dass du das nicht spielen würdest und wenn, dann nur für die entsprechende Kohle?

Was heißt für die entsprechende Kohle ... ich sage nur für Sachen zu, die ich zum einen spielen KANN und die mir zum anderen gefallen. Wenn es nur ums Geld geht, dann kann ich auch einfacher wieder an die Musikschule gehen und Unterricht geben. Ich würde beispielsweise keine Fusion oder Jazz-Sachen einspielen, weil ich mich damit zu wenig auskenne und das eben nicht mein Stil ist. Bei Rock kommt es auch auf die Songs und die Band an, ob mein Spiel dazu passt, oder ob er das eher zertrümmert (lacht).

Irgendwie verständlich. Dann gib mir doch abschließend bitte noch einen Lesetipp.

Ganz klar "One Step Beyond" von Warren MacDonald. Der Autor erzählt darin von seinem Unfall, bei dem er in den Bergen beim Bergsteigen beide Beine verliert und mit diesem Verlust umgehen muss. Das ist echt der Wahnsinn, wieviel Kraft und Energie dieser Mann nach wie vor hat und wie gestärkt er aus diesem Schicksal hervor geht. Andere wären daran komplett zerbrochen. Mich hat das richtig fasziniert und auch inspiriert. Kann das wirklich nur jedem empfehlen.

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