laut.de-Kritik

Der Weg vom Chorknaben zum Rapper.

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"Es gibt viele Rapper und auch Sänger, und ich machte einfach beides." HeXer setzt seinen Weg vom früheren Chorsänger in den Reihen der Leipziger Thomaner zum gleichermaßen geschulten Allround-Rapper weiter fort. Nach seinem thematisch schwergängigen Debüt "Metropolis EP" löste er sich bereits auf Freshmakers "No Limit" vom musikalischen Kirchengeist. Mit der "Reimketten EP" tritt der gesangliche USP des Leipzigers noch weiter in den Hintergrund. Stattdessen begibt er sich in das dicht besiedelte Haifischbecken der vor allem auf Technik fixierten Rap-Akrobaten.

Die Befürchtungen, er könne womöglich auf dem Terrain nicht mithalten, zerschlagen sich bereits im Opener. "Hier Bin Ich Doch" fordert als selbstbewusster Grime-Song die verdiente Sichtbarkeit ein. Der wirklich nur ganz grobe metallene Rahmen, den Trooh Hippis Produktion vorzeichnet, genügt HeXer vollkommen, um ihn mit variablem Flow zu füllen: "Das ist so easy. Ich rappe die Texte, als würde ich jahrelang Rapper sein". Massentauglichkeit lässt sich abseits von Rap-Nerds damit natürlich nicht erreichen. Die Behauptung, er "habe die Hits im Kopf", gilt es somit noch zu belegen.

"Coronatime" gibt sich mit einer Produktion von Ouhboy Trap ein Stück näher am Puls der Zeit. Das bedeutet allerdings nicht, dass HeXer den hedonistischen oder ignoranten Vorgaben der Spielart Folge leistet. Vielmehr verkehrt der Mann mit dem "Coronadrip" sie in ihr Gegenteil: "Garantiert Quarantäne, ich bleib' zu Hause". Das lässt sich nicht zwingend der Kategorie 'cool' zuordnen, doch für Unvernunft und Rücksichtslosigkeit fehlte dem Leipziger als Vertreter der Generation Greta schon auf seiner letzten EP jeglicher Platz: "Bleibe drinnen und respecte Rentner."

Wie zuletzt Fäbson auf "Longue Vie" fehlt es auch HeXer an der nötigen Unbarmherzigkeit für den Battle-Rap. Mit Ausnahme eines geschmacksverirrten Deine-Mutter-Witzes mit Tiger-King-Bezug fallen die "32 Bars" nicht sonderlich offensiv aus: "Denn jetzt will ich gerade deinen Ruf nicht ficken, weil du Kellerkind in echt ein ziemlich netter Dude bist". Zwar beherrscht "Leipzigs Finest" die Kunst der mehrsilbigen Reimketten, doch stets fehlt ihm dabei die Würze, und auch der erneut von Trooh Hippi verantwortete Beat vermittelt in seinem verträumten Fluss wenig Schlagkraft.

Gänzlich beiseite wischt er seine Ausbildung im Thomanerchor aber nicht. Das bedacht trappige "Ouh Okay" erhöht etwa den Gesangsanteil. Seine mit Abstand stärkste Leistung zeigt er in "Play Safe". In optimaler Harmonie bewegt er sich durch das fernöstlich angehauchte Instrumental von Premise. Mit beeindruckender Leichtigkeit switcht HeXer vom weichen Gesang zum sich beschleunigenden Rap. "Das Ist Leipzig 1" wiederum stellt zur traditionsbewussten Produktion von Wirebeats unter Beweis, dass der ostdeutsche Repräsentant auch Druck hinter die Stimme bringen kann.

"Weil ich keine Rolle spiel', und das hier halt kein Image ist, ist das 'n Grund, dass ich bald schon an dieser Spitze bin", erklärt er gleichermaßen in "Das Ist Leipzig 2" wie im ersten Teil und vergisst dabei, dass eine interessante Inszenierung jedes Echtheitszertifikat schlägt. Zumal es ohnehin nicht authentisch wirkt, wenn er über Mütter spricht, die er "Doggystyle" nehme, sondern eher wie eine zwanghafte Emanzipierung von seinem bisherigen Werdegang. Trotz alledem erweist sich HeXer erneut als diszipliniertes Talent, das für die kommende Zeit bereits drei weitere EPs angekündigt hat.

Trackliste

  1. 1. Hier Bin Ich Doch
  2. 2. Coronatime
  3. 3. Ouh Okay
  4. 4. 32 Bars
  5. 5. Play Safe
  6. 6. Das Ist Leipzig 1
  7. 7. Das Ist Leipzig 2
  8. 8. Wenn Ich Will

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