laut.de-Kritik

Die vier Briten ballern aus allen Rohren.

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Man ärgert sich ja oft genug über den akustischen Bullshit, der einem gern als Intro verkauft wird, aber was Gutworm hier praktizieren erinnert schon beinahe an Verschwendungssucht. "Intro (Silence)" ist fast vier Minuten lang, und es handelt sich dabei auch schlicht und ergreifend um einen kompletten, wenn auch instrumentalen Song.

Dabei fällt vor allem die kompositorische Vielfalt auf (auch vor Klavierklängen schreckt man nicht zurück), mit der die Band zu Werke geht und die schon einen leichten Vorgeschmack auf den Rest des Albums gibt. Und dieser Rest lässt sich grob in 'derbst auf die Fresse' und 'eher schleppend, aber immer noch auf's Maul' klassifizieren.

Dabei achten die vier Briten auf Abwechslung und reihen quasi einen schnellen Song an einen etwas langsameren. Wer sich einfach anständig das Trommelfell weich kloppen lassen will, ist mit "My First Loving Enemy" schon mal sehr gut beraten. Der Track knüppelt äußerst heftig drauf los und ist von der Brachialität her eigentlich nur mit Strapping Young Lad (ohne die Keyboard-Soundwände) oder vielleicht Meshuggah zu vergleichen. Vor allem Shouter/Gitarrist Neil Hudson scheint der Meinung zu sein, dass er auch sehr gut ohne Lunge auskommt. Die brüllt er sich nämlich von Anfang an gnadenlos aus dem Hals.

Auch "Omniscient Dreams" ballert aus allen Rohren und geht dabei genauso verrückt-genial wie Devin Townsend mit seiner alten Truppe vor. Zwar fehlt es Neil stimmlich noch ein wenig, da er auf cleane Vocals komplett und Gesangslinien weitgehend verzichtet, aber manch einer wird gerade das an den Jungs schätzen.

Fans werden ihre Freude sicherlich auch an dem etwas an Fear Factory erinnernden "Fires That Burn" (was sollen die auch sonst machen, Birnen schälen?) oder "Sentiment" haben. Letztgenannter Song glänzt mit ein paar sehr schrägen Gitarrenläufen, doch im Gegensatz zu Meshuggah halten sie sich eigentlich durchgehend an einen 4/4-Takt, was die Songs alles in allem leichter zugänglich macht.

Auch "Scrape The Blood" lässt in Sachen Brutalität und Geschwindigkeit kaum Wünsche offen und brät einem stellenweise sogar Riffs um die Ohren, nach denen sich Cannibal Corpse die Finger lecken würden. Erstaunlich ist dabei aber immer wieder, wie die Jungs ein paar kernige Melodien einstreuen, ohne dass man in Sachen Härte oder Aggression Abstriche machen muss oder es irgendwie cheesy klingt. Genau das rückt sie auch immer wieder in die Nähe von Strapping Young Lad. Auch mit dem ebenfalls in normaler Songlänge daher kommenden "Outro (The Deafening)" knallt noch mal mächtig vor die Nuss und zeigt, dass hochtechnische Riffs keinesfalls immer im 7/19-Takt geschrieben sein müssen.

Zwischendrin gibt es die bereits erwähnten, eher schleppenden Nummern wie "Disfigured Narcissus" oder "Unholy Tryst", die von den Gitarren her schon fast im Doom anzusiedeln sind. Drummer Wayne Minney lässt sich davon allerdings nur bedingt aufhalten und lässt auch hier mal gern die Double-Bass rotieren oder streut hier und da ein paar Fills und Breaks.

Ein ebenfalls eher getragener Song wie "Imperfect Harmony" schlägt von den Gitarren her zwar wieder mehr in die Meshuggah-Richtung, ist aber doch eingängiger als 90% der Materials der Schweden. Der Vergleich zu Devin Townsend drängt sich allerdings spätestens bei den höheren Screams von Shouter Neil auf.

Da es mit Strapping Young Lad aller Voraussicht nach ja endgültig vorbei ist, werde ich die Engländer mal sehr genau im Auge behalten. Schließlich könnte sich hier sowas wie der legitime Erbe der verrückten Kanadier entwickeln.

Trackliste

  1. 1. Intro (Silence)
  2. 2. My First Loving Enemy
  3. 3. Disfigured Narcissus
  4. 4. Omniscient Dreams
  5. 5. Imperfect Harmony
  6. 6. Fires That Burn
  7. 7. Sentiment
  8. 8. Unholy Tryst
  9. 9. Scrape The Blood
  10. 10. Outro (Deafening)

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