18. Dezember 2020

"Wir heißen dich mit einem Platz an unserem Tisch willkommen."

Interview geführt von

Mit "Death Of An Optimist" präsentiert Grandson im aufziehenden Winter sein erstes Album über Fueled By Ramen. So sehr er darauf auch mit seinen Ängsten ringt und für den politischen Widerstand eintritt, vermittelt der Alternative-Rocker am Ende dieses Krisenjahres 2020 doch einen versöhnlichen Eindruck.

"Los Angeles, Kalifornien, es ist 10:30 Uhr am Morgen. Es ist ein wunderschöner Tag, um für ein Album zu werben. Also danke, dass ich hier sein darf!" Mit der sprühenden Zuversicht der Amerikaner moderiert Grandson Anfang Dezember sein eigenes Zoom-Interview an. Auskunftsfreudig und stets dankbar für das entgegengebrachte Interesse spricht der Sänger über "Death Of An Optimist", zeitlose Kunst, politisches Engagement, die Rolle der Late-Night-Shows und warum er glücklich über seine kanadische Heimat ist, sich aber trotzdem als stolzen Amerikaner bezeichnet.

Wie war Thanksgiving? Hast du deine Familie getroffen oder habt ihr die Regeln des Social Distancing befolgt?

Wir haben einen Zoom-Anruf gemacht. Wie alle anderen habe auch ich in dieser sehr verwirrenden Zeit Probleme damit, Platz für Liebe und Familie zu finden. Es war aber in Ordnung. Ich denke, es ist eine sehr konfuse Zeit in Amerika zwischen den Nachrichten über die Wahlen und den Impfstoff, der Fortschritte macht. Man sieht das verwirrende Verhältnis zwischen der Hoffnung auf die Zukunft und den schrecklichen Umständen der Gegenwart.

Du hast bereits häufiger erwähnt, dass du aus einer progressiven Familie stammst und wie wichtig es dir ist, Kunst mit einem gewissen Maß an Aktivismus zu kombinieren. Wie steht deine Familie zu "Death Of An Optimist"? Konntest du die Erwartungen erfüllen?

[lacht] Was für eine großartige Frage, danke. Zunächst einmal können sie es nicht allzu sehr hassen, weil sie sich bereit erklärt haben, darauf zu singen. Du kannst sie tatsächlich im Hintergrund des Intros und des Interludes des Albums hören. Ich habe sie dazu gebracht, als ich den Sommer über zuhause in Toronto verbracht habe. Falls sie also eine negative Meinung haben, haben sie sie mir nicht mitgeteilt. In meinem Haushalt führen wir alle Gespräche darüber, was wir noch tun können. Heute sprachen wir darüber, was hier in Amerika als "Giving Tuesday" bekannt ist. Das ist der Dienstag, der auf Thanksgiving folgt. In unserem Gruppenchat wählen wir alle eine Wohltätigkeitsorganisation aus, von der wir bewegt sind oder die wir unter den gegebenen Umständen als wichtig erachten. Wir spenden etwas Geld, führen Gespräche. Es ist schwierig, denn es fühlt sich immer so an, als ob wir noch mehr tun könnten. Ich denke, dass viele Leute damit hadern. Ich fühle eine große Verantwortung, da ich in einen so unterstützenden, progressiven Background habe. Jedes Mal, wenn du die Kopfhörer mit meinem Album aufsetzt, heißen wir dich mit einem Platz an unserem Tisch willkommen.

Wie erlebst du deine Hörer?

Ich spreche mit so vielen Menschen, die an die gleichen Dinge wie ich glauben. Es spielt keine Rolle, wen man liebt oder wie man aussieht. Du verdienst eine sinnvolle Arbeit, du verdienst Liebe, du verdienst es, dich selbst zu lieben. Es sollte nicht von Bedeutung sein, wie viel du verdienst, um bei einer Krankheit behandelt zu werden. Mit solchen Dingen stimmen viele Leute hier in Amerika und auf der ganzen Welt mit mir überein. Aber sie fühlen sich in einer Umgebung gefangen, die sie nicht so liebt und die diese Ideen nicht widerspiegelt. Das Internet hat uns in einer Weise verbunden, dass ich nicht mehr neben dir stehen muss. Du kannst dich mit mir über das Internet verbinden, über diese Art von neuer Realität, in der wir leben. Es wird immer eine Community geben, in der du dich verstanden und umsorgt fühlen kannst. Ich war einer der Glücklichen, die das hatten. Unten am Esstisch wurde auf mich gewartet. Deshalb mache ich Musik, die versucht, anderen Menschen die Erlaubnis zu geben, das zu fühlen, was sie über sich selbst und die Welt empfinden.

Du bist allgemein sehr engagiert, wie man hören kann. Mit deinem XX Resistance Fund unterstützt du verschiedene Anliegen wie unter anderem Menschenrechte, politische Bildung oder Frauenfragen. Sorgst du dich nicht, dass die Vielzahl an Themen etwas willkürlich erscheint?

Damit habe ich zu Beginn meiner Karriere zu kämpfen gehabt. Finde ich einen Anlass, dem ich meine Karriere widme? Könnte ich dadurch mehr bewirken oder sollte ich meine Hilfe breiter streuen? Ich habe das Gefühl, wenn ich etwas mit einer Organisation mache, die LGBTQ-Rechte fördert, oder wenn ich mit "Campaign Zero" zusammenarbeite, die versucht, die Polizeigewalt zu beenden, sehen sich verschiedene Fans individuell vertreten. Und weil dies eine weitreichende, globale Gemeinschaft ist, möchte ich sicherstellen, dass wir mit unserer Arbeit ein System errichten, in dem sich jeder Zuhörer vertreten fühlt. Aber es ist eine sehr berechtigte Frage, auf die es keine richtige Antwort gibt.

Gibt es ein Anliegen, das du am wichtigsten findest?

Nein, es gibt Dinge, bei denen ich leidenschaftlich bin. Oft überlappen sie sich. Ich glaube an die Rechenschaftspflicht in der Politik. Ich glaube, dass der Einfluss großer Gelder auf die Politik unsere Einstellung zum Klimawandel und die Informationen beeinflusst, die wir erhalten. Ich glaube, dass es eine gewisse Verflechtung der Themen gibt, aber ich glaube nicht daran, dass es wichtiger ist, den Klimawandel zu stoppen, als die Waffengewalt in Amerika zu beenden. All diese Dinge machen mich ziemlich sauer und bereit dazu, Rockmusik zu machen. Ich fühle mich einfach als Teil meiner Generation. Es gibt eine lange Liste von Dingen, für die ich und andere junge Progressive stehen.

Vor zwei Jahren hast du mit dem Song "Thoughts & Prayers" die Waffengewalt in den Vereinigten Staaten kritisiert. Anschließend hast du an den Protesten von 'March for our lives' in Los Angeles teilgenommen. Wie erfolgreich war die Bewegung deiner Meinung nach?

[seufzt] Mann, das ist eine berechtigte Frage. Ich denke, das ist es genau, was das Album behandelt. Damit habe ich wie viele andere Menschen wirklich zu kämpfen. Systemischer Wandel vollzieht sich oft über Generationen. Schau dir die Bürgerrechtsbewegung der 1960er Jahre an. Das war eine Zeitspanne, die Jahrzehnte dauerte. Es gab viele Menschen, die ihr Leben einer Arbeit widmeten, deren Resultate sie nicht mehr erleben konnten. Und es gibt noch immer viel zu tun. Auf diesem Album geht es darum, wie man in einer Zeit, in der es leicht ist, zynisch oder apathisch gegenüber der Weltlage zu sein, die Hoffnung auf Veränderung zu wahren. Menschen sollten in der Lage sein, Waffen zu besitzen, um sich und ihr Heim zu schützen. Ich bin nicht hier, um euch die Waffen wegzunehmen. Aber ich denke nicht, dass ein Vierzehnjähriger zur Schule gehen und sich dabei Sorgen um sein Leben machen sollte. Jedes mal, wenn ich von einem neuen Amoklauf an einer Schule in meinem Twitter-Feed lese, frage ich mich, was der Sinn all dieser Proteste ist. Was bringt es mir, meine Plattform weiterhin zu nutzen, wenn die NRA weiterhin tonnenweise Geld für ihre Finanzierung erhält und es keine wirklichen Beweise dafür gibt, dass wir große Fortschritte machen?

Zu welchem Ergebnis kommst du dabei?

Meine Schlussfolgerung ist, dass sich die Arbeit lohnt, weil es das Richtige ist. Ich werde weiterhin jedes Jahr bei "March for our lives" mitlaufen. Ich werde mich weiterhin für die Aktivisten einsetzen, die die Waffengewalt in Amerika beenden wollen. Selbst wenn ich mein ganzes Leben lang keine Veränderung sehe, die ich sehen möchte. Ich mache es, weil ich eines Tages zurückblicken und in der Lage zu sagen sein möchte, dass mein Leben für etwas gestanden hat. Manchmal ist es eine Herausforderung, diese Hoffnung zu finden, aber ich stelle nie in Frage, ob sich die Arbeit lohnt. Und ich hoffe, wenn die Leute dieses Album hören, fühlen sie sich vielleicht genauso.

"Die Trump-Ära hat die Grenzen zwischen Nachrichten und Unterhaltung verwischt."

Es ist interessant, dass du betonst, nicht gegen Waffen zu sein. Aus einer deutschen Perspektive ist es unvorstellbar, eine Waffe bei sich zu tragen.

Ja, eigentlich weiß ich auch nicht, wie die Antwort lautet. Wenn ich das täte, wäre ich vielleicht ein Politiker. Das bin ich nicht, ich bin ein Rockmusiker. Wenn ich in konservativen Gegenden Amerikas spiele, kommen Leute nach der Show auf mich zu, um mir zu erzählen: 'Ich habe meine Waffe benutzt, um jemanden davon abzuhalten, in mein Haus einzubrechen." Ich sage dann, dass ich froh sei, dass er unter diesen Umständen eine Waffe hatte. Kann es keinen Raum für einen Dialog geben? Stimmt ihr nicht zu, dass Menschen nicht zur Schule gehen und dort erschossen werden sollten? Stimmt ihr nicht zu, dass der Täter von Sandy Hook, einer Grundschule voller Kinder, die brutal ermordet wurden, niemals Zugang zu einer Waffe hätte haben dürfen? Ein Täter, dessen psychische Gesundheit eindeutig beeinträchtigt war. Denkt ihr nicht, dass es grundlegende Background-Checks für jeden einführen sollten, der eine Waffe will, um sicherzugehen, dass er keine Vorgeschichte gewalttätigen Verhaltens aufweist? Wenn du mitten in Amerika eine Waffe haben willst, um Hirsche zu jagen oder eine ähnliche Scheiße – prima, mit dir spreche ich nicht. Ähnlich verhält es sich mit dem Klimawandel hier in Amerika. Man hört die immer gleichen Geschichten von Menschen, die uns erzählen, wie undurchführbar eine gesetzliche Regelung ist, aber es ist auch unmöglich auf einem schmelzenden Planeten zu leben. Es ist unmöglich in Florida zu leben, weil uns in 20 Jahren das Wasser bis zum Hals stehen wird.

Vor zwei Jahren hattest du die Gelegenheit bei der "Late Night with Seth Meyers" aufzutreten. Welche Rolle spielten die Late-Night-Shows für den politischen Widerstand während der Trump-Jahre?

Ich denke, sie versuchen, sicherzustellen, dass sie noch einen Job haben werden, wenn alles vorbei ist. Die politischen Kommentare waren wichtiger denn je. Schau dir an, wie sich "Saturday Night Live" und andere Satire-Formate politisiert haben. Die Trump-Ära hat die Grenzen zwischen Nachrichten und Unterhaltung verwischt. Die Nachrichtenmedien wurden zur Unterhaltung. Unser Debatten hier in Amerika fühlen sich an, als sähen wir den Super Bowl oder einen Boxkampf. Du hast einen Reality-TV-Moderator als Präsidenten. Je mehr die Nachrichten zur Unterhaltung wurden, desto mehr musste die Unterhaltung zu Nachrichten werden. Wenn man sich sehr bekannte Künstler wie Taylor Swift ansieht, die sich für Senatskandidaten ausspricht, ist das etwas, was man sich vor einigen Jahren noch nicht vorstellen konnte. Geschweige denn, dass die Mehrheit der Leute das unterstützen würden. Ich bewundere die Entertainer und Journalisten, die sich der Ära stellen, in der wir leben. Ich verstehe aber auch, dass sich viele Leute die Kopfhörer aufsetzen, um in die Unterhaltung zu flüchten und so tun, als ob diese Dinge nicht passieren. Davon will ich einfach kein Teil sein.

Um kurz auf deinen Auftritt zurückzukommen. Wie hat hast du den Besuch bei Seth Meyers erlebt?

Es war eine wirklich coole Erfahrung und sicherlich etwas, an das ich mich für immer erinnern werde. Ich glaube, es gab eine Absage. Wir haben den Anruf hier in Los Angeles, Kalifornien bekommen und sind einen Tag später nach New York City geflogen. Die heutige Musiklandschaft unterscheidet sich so sehr von dem, was unsere Eltern und Großeltern verstehen können. Wenn ich meinen Eltern erzähle, dass ich eine Menge Plays auf Spotify habe, ist es für sie wirklich schwer zu verstehen, was das bedeutet. Wenn ich aber sage, dass ich in einer Late-Night-Show spiele, kann selbst meine Großmutter sagen: "Oh, wow!" Wir sind auf aufgetreten und gingen danach gleich die Straße runter in eine winzige Bar, in der nur zwei Leute saßen. Ich trug die gleichen Klamotten, in denen ich gesungen hatte. Wir baten darum, den Fernseher auf die Late-Night-Show umzustellen, und saßen dann in dieser Bar und sahen uns die Performance an. Einer der Einheimischen muss sehr betrunken gewesen sein, aber er sah mich immer wieder an, dann zurück zum Fernseher und dann wieder zu mir. Das war ziemlich lustig.

Du hast dem Substream Magazine gesagt: "Ich habe immer die Künstler bewundert, deren Arbeit die Zeit widerspiegelte, in der sie sie geschrieben haben." Wie erschafft man unter diesen Umständen zeitlose Kunst?

Ironischerweise denke ich, je spezifischer und zeitgemäßer ich meine Geschichte mit einem Song wie "Blood//Water" erzähle, desto mehr scheinen die Botschaften universell miteinander verbunden zu sein. Meine Lieblingssongwriter sind Künstler wie Bob Marley, die in der Lage waren, Songs zu schreiben, die für die jeweilige Zeit sehr wichtig waren, in der sie geschrieben wurden, und gleichzeitig Songs über Liebe schrieben, die so lange bestehen werden wie wir. Ich hoffe, eines Tages Musik für beides machen zu können. Die Zeitlosigkeit in all dem liegt in den menschlichen Emotionen. Es gibt Menschen, die Trumps gereizten Narzissmus betrachten und etwas sehen, das an Shakespeare erinnert. Obwohl es für uns eine sehr spezifische Angelegenheit ist, halte ich die menschliche Dynamik und das Drama, das sich abspielt, für zeitlos. Nimm zum Bespiel meinen Song "Thoughts & Prayers". Während es sich um ein Lied über Waffengewalt in Amerika handelt, schrieb ich es aus meiner Frustration über die Heuchelei der Politiker heraus, die Geld von Lobbyorganisationen erhalten, die die Waffen in Amerika erhalten wollen, und die gleichzeitig ihr tief empfundenes Mitleid für die Opfer von Waffengewalt auf Twitter zum Ausdruck bringen. Diese Heuchelei hat zu tragischen Ergebnissen geführt. Darum geht es in dem Song für mich. Wenn das Lied nur Statistiken über Waffengewalt hier in Amerika aufführen würde, wäre es vielleicht veraltet.

Da das Album auch von Ängsten handelt: Würde es anders klingen, wenn du es nicht zu Beginn des Jahres geschrieben hättest, sondern während der Pandemie?

Absolut! Ich bin sehr glücklich, dass ich einiges vorher geschrieben habe, denn es wäre für mich sehr herausfordernd gewesen, in einer Zeit derartiger Unsicherheit, einen Sinn als Songwriter zu finden. Als die Pandemie auftrat, hatte ich keine Ahnung, ob wir dieses Album machen können und ob es überhaupt erscheinen würde. Es gibt Elemente in den Songs, die ich im Januar und Februar geschrieben habe, die sich jetzt noch relevanter anfühlen, weil ich die Zeit hatte, sie mir später noch einmal anzusehen. Es wäre schwieriger gewesen, dieses Projekt mitten in der Pandemie statt am Anfang zu starten. Aber so ist es zustande gekommen. Ich hoffe, dass sich die Leute trotz aller Gründe, zynisch zu sein und sich hoffnungslos zu fühlen, verstanden fühlen und trotzdem darauf vorbereiten können, das zu tun, was sie für richtig halten. Das ist es, was ich mir mit diesem Album erhoffe. Es gibt viele Menschen, die geliebte Menschen verloren haben, die ihre Arbeit verloren haben. Viele dieser Dinge werden niemals zurückkehren können. Und ich hoffe, dass dies der Soundtrack für sie sein kann, um die Kraft zu finden, mit ihrem Leben fortzufahren.

"Wenn die Dinge zu verrückt werden, ist es immer schön, diesen zweiten Pass in meinem Rucksack zu haben."

Wie du erwähnt hast, hast du auch einen kanadischen Hintergrund. Wie hat Kanada es geschafft, verglichen mit den USA die COVID-19-Pandemie so gut zu meistern?

Es gibt viel klügere Leute, die auf Einzelheiten eingehen können. Als jemand, der mit einer kanadischen Identität aufgewachsen ist, kann ich aber sagen, dass die politische Spaltung in Amerika viel gefährlicher ist als in Kanada. Es gibt mehr Parteien innerhalb des politischen Systems und es herrscht ein größerer Nationalstolz, der sie zur Zusammenarbeit befähigt. Wie in jedem anderen Land hat Kanada Liberale und Konservative, die für verschiedene Teile des Landes verantwortlich sind, aber all diese Politiker rieten der Bevölkerung, eine Maske zu tragen. Keiner von ihnen politisierte die Wissenschaft. Hier in Amerika hat die politische Zugehörigkeit so viel Gewicht. Ich denke, mehr Menschen identifizieren sich jetzt als Trump-Anhänger, als als Amerikaner. Ein Amerikaner zu sein würde bedeuten, sich um seine Mitmenschen zu kümmern. Es herrscht eine mangelnde Bereitschaft zur Zusammenarbeit. Die USA sind ein Land, das auf einem Gefühl persönlicher Freiheit und Rebellion gegründet wurde. Es wurde mit der Überzeugung gegründet, dass eine tyrannische Regierung unsere persönlichen Freiheiten nicht verdrängen können sollte. Dadurch entsteht die Gegenreaktion auf die Forderung, zu Hause zu bleiben und soziale Distanz zu wahren. Es ist eine dumme, rückwärtsgewandte Mentalität, aber wir haben auch einen Präsidenten, der es in dieser Zeit nicht geschafft hat, alle Amerikaner zusammenzubringen. Zum Großteil lag es daran, dass es ein Wahljahr und politisch vorteilhaft war, die Spaltungen aufrechtzuerhalten. Infolgedessen hatten wir einen Präsidenten, der Entscheidungen im Hinblick auf seine Wiederwahlkampagne traf, anstatt auf Gesundheit und Sicherheit, weil er ein unheilbarer Narzisst ist, der an niemand anderen denken kann.

Justin Trudeau hat sich zu einem liberalen Aushängeschild auf der ganzen Welt entwickelt. Welche Meinung hast du über ihn?

Das ist kompliziert. Du hast einen Politiker, der sehr gut mit Medien umgehen kann, sehr charismatisch und artikuliert ist. Es wird aber immer Dinge geben, die widersprüchlich sind und die du gerne anders hättest. Ich wünsche mir, dass er sich mehr um den Klimawandel kümmern würde. Ich wünsche mir, dass er keine Waffen verkaufen und sich stärker für Frieden in der Welt einsetzen würde. Aber letztendlich war dies eine wirklich verrückte Zeit und man sieht die Auswirkungen eines Anführers, der ein effektiver Kommunikator ist und sich wirklich um Kanadier zu kümmern scheint. Im Moment denke ich, dass er auf eine Weise geführt hat, auf die die Kanadier stolz sein können.

Wie froh bist du, dass du dank deiner doppelten Staatsbürgerschaft Kanada als Back-Up-Land hast?

[reckt die Daumen hoch] Ich bin sehr glücklich. Ich glaube nicht, dass ich der wäre, der ich bin, wenn ich nicht aus Kanada käme. Aber ich lebe hier in Amerika in Los Angeles, weil es für so viele Menschen auf der Welt noch immer das Mekka an Möglichkeiten ist. Ich arbeite mit einem globalen Team zusammen. Mein Schlagzeuger kommt aus Düsseldorf, der Bassist meiner Band aus Peru. Mein Manager ist zum Teil Israeli, einer meiner Hauptmitarbeiter ist Niederländer. Und doch sind wir alle nach Los Angeles gekommen, weil hier die Gelegenheit besteht, uns Gehör zu verschaffen. Ich bin dankbar, Amerikaner zu sein. Ich bin stolz, Amerikaner zu sein. Deshalb stehe ich dafür ein, woran ich glaube. Das ist von Natur aus eine amerikanische Sache. Aber ja, wenn die Dinge zu verrückt werden, ist es immer schön, diesen zweiten Pass in meinem Rucksack zu haben.

Wie optimistisch blickst du in die Zukunft?

Ich bin nicht optimistisch, wenn wir so weitermachen, herumsitzen und darauf hoffen, dass jemand anderes Lösungen findet. Aber ich bin optimistisch, dass insbesondere junge Menschen jetzt informierter, politischer sind und an Veränderungen für die Zukunft glauben. Wenn wir unsere Arbeit fortsetzen, bin ich optimistisch, dass wir eine Zukunft erleben werden, die für uns alle ein bisschen besser aussieht. Ich hoffe nur, dass ich da sein werde, um sie zu sehen.

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