Ende der Achtziger/Anfang der Neunziger entwickelte sich in Großbritannien eine neue Stilrichtung, Shoegazing - also "auf die Schuhe starren" - genannt.

Nicht so unpassend, waren die Protagonisten doch eher unaufgeschlossene Genossen, die während der Konzerte meist auf den Boden starrten. Das könnte allerdings auch daran gelegen haben, dass verzerrte Gitarrenwände ihren Sound dominierten und sie deshalb ständig auf die Effektgeräte auf dem Boden schauen mussten.

Als Vorreiter des Sounds gelten My Bloody Valentine und die Cocteau Twins. In ihren Songs lassen sie Melodien und Gesang hinter gitarrenlastigen Feedback-Gewittern verschwinden. Hier treffen sich Noise und Pop-Songwriting, um - im Gegensatz zu früheren Noise-Bands - schöne, schimmernde Rock-Songs hervorzubringen.

Auch mit den Namen Alan Moulder und Alan McGee ist die Stilrichtung eng verbunden: Ersterer produziert nicht nur My Bloody Valentine, sondern auch die anderen Shoegazing-Helden Jesus And Mary Chain, Ride, Lush und Slowdive. Er entwickelt innovative Produktionsmethoden, die den vor Feedback strotzenden Sound erst ermöglichen. Der zweite Alan macht sich als Chef des britischen Creation-Labels einen Namen, auf dem er viele der Shoegazing-Protagonisten signt (später entdeckt er auch die Britpop-Helden Oasis).

Der Madchester Rave steht noch in vollen Zügen, als die britischen Musikzeitschriften Interesse an den weniger ravigen, mehr den Gitarren und dem ätherischen (Frauen-)Gesang zugewandten Bands entwickeln. Die meisten der aufkommenden In-Bands stammen aus dem Themse-Tal im Südosten Englands.

Den Höhepunkt erreicht Shoeganzing in den Jahren 1992 und 1993. Zu dieser Zeit erscheinen einige wegweisende Alben wie "Spooky" von Lush, Rides "Going Blank Again" und "XYZ" von Moose. Doch schon 1993 bahnt sich an, dass sowohl Publikum als auch Presse langsam genug von dem gerade noch populären Stil haben. Mit Bands wie Suede und Oasis hält Britpop Einzug ins Bewusstsein musikbegeisterter Engländer.

1995 und 1996 lösen sich mit Slowdive, Ride (deren Mastermind Andy Bell später bei Oasis einsteigt) und Lush einige der wichtigsten Shoegazing-Bands auf. Das Ende des Genres scheint damit endgültig besiegelt ... wenn da nicht 2008 eine Band namens Deerhunter "Microcastle" veröffentlicht hätte ...