6. Juni 2012

"Vergleiche mit Queen ehren uns"

Interview geführt von

Fun. sind momentan mit das Hippste, was der amerikanische Musikmarkt zu bieten hat. Die drei smarten Jungs haben allesamt einen langen Weg im Business hinter sich, ehe sie mit der Single "We Are Young" urplötzlich im gleißenden Rampenlicht stehen. Ein Song, der schnell ins Ohr geht, Sommergelüste weckt und viele Musikfreunde seit Wochen vor die Frage stellt: Sind das die neuen Queen?Der Vergleich kommt nicht von ungefähr, denn Sänger Nates Stimmfarbe erinnert nicht selten an die jugendlichen Gesangsvorstellungen eines Freddie Mercury. Und auch das Gesamt-Klangbild ihres gefeierten Zweitwerks "Some Nights" weist hier und da in punkto Glamrock- und Epik-Faktor Ähnlichkeiten zum ehrwürdigen Queen-Sound der achtziger Jahre auf.

Dazu gesellen sich noch allerlei andere musikalische Elemente aus den Bereichen Indierock und Powerpop. Das Ganze dann eingepackt in eine druckvolle Produktion und fokussiert vermarktet; und schon klatschen die Hintermänner begeistert in die Hände. Wie es sich anfühlt für die "erfolgreichste Atlantic Records Single aller Zeiten" verantwortlich zu sein, warum es wichtig ist, zur rechten Zeit am richtigen Ort zu sein und wie man Songs schreibt, ohne ein Instrument spielen zu können, verrät uns Sänger Nate Ruess im Interview.

Hallo Nate, denkst du schon mit Sorge an das Songwriting für euer nächstes Album?

Nate: (Verwirrt) Nein, wieso sollte ich?

Ich könnte dir Dutzende Bands aufzählen, die nach der Veröffentlichung eines kommerziell erfolgreichen Albums am späteren Druck, einen mindestens ebenbürtigen Nachfolger zu produzieren, gescheitert sind.

Nate: (Lacht) Davon habe ich auch schon gehört. Aber momentan vereinnahmt mich die Gegenwart so dermaßen, dass ich kaum weiß, wie mein morgiger Tag aussieht.

Wahrscheinlich nicht minder vollgepackt als der Heutige. Geht dir der ganze Rummel um euch auch manchmal etwas zu weit?

Nate: Es ist schon eine Grenzerfahrung. Wir waren vorher zwei Monate lang bei uns auf Tour; was toll, aber auch gleichzeitig ziemlich anstrengend war; denn in den Staaten können wir uns kaum noch frei bewegen. Die letzten Wochen und Monate waren wirklich überwältigend. Momentan haben wir aber noch keine Zeit finden können das alles auch mal kurz sacken zu lassen, geschweige denn zu verarbeiten. Man muss echt aufpassen, dass man nicht völlig den Boden unter den Füßen verliert.

Wie haltet ihr dagegen?

Nate: Wir versuchen einfach in jedem Erfolgserlebnis eine neue Herausforderung zu sehen. So verliert man sich nicht im ganzen Rummel um einen, sondern man beschäftigt sich so schnell es geht mit Möglichkeiten, wie gerade Erlebtes wiederholt werden könnte.

Wir wollen nicht als weiteres One-Hit-Wonder in die Musikgeschichte eingehen

Keine Zeit zum Auskosten der Dinge?

Nate: Man nimmt die Dinge ja trotzdem wahr, auch wenn ich mir manchmal wünschte, mal eben kurz abzuschalten, um die Dinge richtig wirken zu lassen. Ich weiß, das alles klingt ein bisschen absurd und widersprüchlich, aber so ist es. Da ist dieser eine Teil in mir, der sich in dem Hier und Heute suhlen will, und der andere Teil, der sich genauso am Erlebten erfreut, aber sich im selben Moment schon Gedanken darüber macht, wie das Ganze schnellstmöglich wiederholt oder gar getoppt werden könnte. Zum Beispiel der Moment gerade jetzt. Ich sitze in Berlin und rede mit dir. Ich war noch nie hier. Wenn ich aus dem Fenster gucke, sehe ich eine fremde Stadt, die mir auf Anhieb gefällt.

Ich könnte jetzt alles hier abbrechen, irgendwo einchecken und in der Stadt auf Entdeckungsreise gehen und den Zustand einfach nur genießen. Dann wäre aber die Wahrscheinlichkeit, hier irgendwann noch mal zu landen ziemlich gering. Also beschäftige ich mich lieber jetzt schon unterbewusst damit, wie wir es irgendwann noch mal nach Berlin schaffen könnten. Die schönen Dinge sollen sich einfach wiederholen; möglichst so oft es geht. Das schaffen wir als Band aber nur, wenn wir nicht rasten, sondern weiter nach vorne schauen.

Das ist natürlich nicht so einfach, wenn man sich die letzten Monate vor Augen führt, in denen ein Highlight das nächste jagte. Sei es nun der Charts-Erfolg, die Tour, die fantastisch war, oder die Pressetermine, die wir gerade wahrnehmen und die uns an Orte führen, wo wir vorher noch nie waren. Der Erfolg ist wunderbar, aber kein Grund sich auszuruhen. Wir haben noch viel vor, denn wir wollen nicht als weiteres One Hit Wonder in die Musikgeschichte eingehen, sondern uns stetig weiterentwickeln und nach Möglichkeit immer noch einen draufsetzen.

Den Erfolg eurer Single "We Are Young" zu wiederholen oder gar in den Schatten zu stellen dürfte nicht einfach werden.

Nate: Ja, da hast du natürlich recht, aber wer weiß? Es bedurfte schließlich keiner übermenschlichen Anstrengungen diesen Song zu schreiben. Warum sollte es demnach nicht noch einmal klappen?

Nächstes Jahr findet schließlich wieder eine Super Bowl statt.

Nate: (Lacht) Das stimmt.

Viele Kritiker behaupten, dass die Single ohne den Halbzeit-Auftritt bei der diesjährigen Super Bowl nicht ansatzweise so durchgestartet wäre, wie sie es letztlich getan hat. Wie siehst du das?

Nate: Natürlich war die Aktion mit der Super Bowl und die Tatsache, dass der Song bereits vorher durch die TV-Serie "Glee" nach außen getragen wurde, ein Segen für uns. Es gibt in Amerika keine wirksamere Werbe-Plattform, als in der Halbzeit der Super Bowl Erwähnung zu finden. Wer so eine Möglichkeit nicht nutzt, ist selber schuld. Die Resonanz war aber schon vorher durchgehend positiv, was gerade diesen Song betrifft. Ob wir heute ohne die Super Bowl auch hier sitzen würden? Keine Ahnung. Aber das spielt auch letztlich keine Rolle. Wir sind jetzt präsent, und daran soll sich nach Möglichkeit auch in Zukunft nichts ändern.

Wir haben keine Hitsingle gesucht

War von vornherein klar, dass "We Are Young" die erste Single sein würde?

Nate: Ja, da gab es keine Diskussionen. Wir waren alle davon überzeugt, dass der Song uns als Band, von allen Stücken auf dem Album, am besten repräsentieren würde. Nur darum ging es. Wir haben keine Hitsingle gesucht. Das war uns völlig egal. Ich war neunzehn Jahre alt, als ich meinen ersten Major-Deal unterschrieb. Das ist jetzt über zehn Jahre her. Damals sagte man mir, dass ich lediglich einen Hit schreiben müsse, um erfolgreich zu sein. Also versuchte ich alles, um eben einen solchen Hit zu produzieren.

Ich kann dir sagen: Ich habe seitdem Dutzende Songs geschrieben, die ich für weitaus eingängiger halte, als "We Are Young". Aber nichts passierte. Also gab ich es auf und fing an, unverkrampfter und offener an die Sache ranzugehen. Genauso arbeite ich auch jetzt bei Fun. Ich habe während der Aufnahmen zum Album nicht eine Sekunde an irgendeine Hitsingle gedacht. Ich finde, ehrlich gesagt, auch nicht, dass "We Are Young" ein typisches Hit-Muster aufweist. Der Song variiert im Tempo und hat einen völlig anderen Aufbau als nahezu alles, was man heutzutage in den Charts findet. Trotzdem scheint er die Menschen anzusprechen. Ohne diesen Song wäre wahrscheinlich auch die Zusammenarbeit mit unserem Produzenten Jeff Bhasker (Beyoncé, Kanye West, Alicia Keys) nie zustande gekommen.

Es soll auch viel Alkohol von Nöten gewesen sein, um den guten Herrn Bhasker auf eure Seite zu ziehen, richtig?

Nate: Ja, wobei wir weniger Wert darauf legten, Jeff zu betäuben und willig zu machen. Vielmehr ging es uns darum, mich abzufüllen (lacht). Das führte letztlich dazu, dass ich während unseres Treffens irgendwann aufstand und ihm ziemlich lallend den Refrain von "We Are Young" vorsang. Von da an war er Feuer und Flamme.

Wie entsteht denn generell ein Song bei euch? Ich habe gelesen, dass du als Hauptsongwriter der Einzige in der Band seist, der kein Instrument spielt. Stimmt das?

Nate: Ja, das ist richtig. Die Tatsache vereinfacht die Dinge natürlich nicht gerade (lacht). Letztlich ist es so, dass ich während des Songwritings komplett über meine Stimme mit den Jungs kommuniziere. Hände und Füße kommen manchmal auch noch dazu (kriegt sich kaum mehr ein vor Lachen). Aber es funktioniert. Wir haben mittlerweile eine so intensive Bindung untereinander, dass Jack und Andrew kaum mehr Probleme haben, meine Visionen auf ihre Instrumente zu übertragen. Wenn ich einen Song schreibe, sitze ich zu Hause und versuche alle Instrumente so gut es geht mit meiner Stimme zu imitieren, sodass die Jungs schnell verstehen, wie ich mir welchen Part in etwa vorstelle.

Viele Leute sehen in euch die neuen Queen. Wie geht ihr damit um?

Nate: Zunächst einmal, ist es eine große Ehre, mit einer Band wie Queen verglichen zu werden. Wir haben sicherlich auch Ansätze innerhalb unseres Sounds, die Ähnlichkeiten aufweisen, aber es gibt auch viele andere musikalische Inspirationsquellen für uns. Die Pop- und Rockmusik der letzten zwanzig oder dreißig Jahre hat immens viel Qualität zu Tage gefördert. Sei es nun klassischer Rock, 90er-Indie oder auch Synthie-Musik aus den Achtzigern. Die Palette an Einflüssen ist wirklich groß. Aber es ist nun mal so, dass die Leute dich in eine Schublade stecken wollen. Da geht es tausend anderen Bands nicht anders. Es gibt aber, denke ich, weitaus Schlimmeres, als in einem Atemzug mit Queen genannt zu werden (lacht).

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