15. März 2011

"Von deutschen Bands kann man viel lernen"

Interview geführt von

Fujiya & Miyagi sind zurück. Wer dem bleichgesichtigen Minimal-Funk mit krautigem Touch noch nicht erlegen ist, der sollte spätestens jetzt mit dem neuen Album "Ventriloquizzing" im bunt geknüpften Elektronetz zappeln.Doch ist auf der neuen Platte wirklich alles Gold, was da glänzt? Was treiben die vom Regen gebeutelten Londoner im sonnigen L.A.? Und wo fängt der unangenehme Kompromiss zwischen Masse und Klasse im Sound der Band an? Schwer vergrippt doch voll britischer Würde und gewohnt lakonischem Humor stellt sich Flüstertüte David Best den Fragen von laut.de.

Hi David, schön mit dir zu sprechen. Da habe ich gleich den Elektro-Wisperer an der Strippe.

Best: (Lacht und hustet gleichzeitig) Cooler Titel, da sind die britischen Zeitungen noch nicht drauf gekommen. Danke.

Nichts zu danken. Und freue dich nicht zu früh. Es wird auch kritische Fragen geben. Aber was anderes: Du bist total krank oder? Grippe?

Ja leider, aber es geht schon, danke.

Ihr bringt mit eurer sehr speziellen Club-Music im Februar ein neues Album heraus. Und dieses Mal gibt es sogar einen echten Hit darauf.

Du meinst sicherlich "Sixteen Shades Of Black & Blue"?

Genau. Geht es dabei eher um Randale in der Kneipe oder ist es gar eine S&M-Nummer für britische Upper-Class Darkrooms?

Eigentlich mag ich den Gedanken, wonach das Lied nur ein großer Fake sei. Wir haben uns beim Verfassen des Textes nicht wirklich viele Gedanken gemacht. Er ist eher spontan entstanden. Natürlich klingt das Ganze dann mit der bedrohlichen Stimme des seit kurzem so genannten Elektro Wisperers auf seine Art sehr, sehr creepy. Viel Raum für Spekulationen. Das kann auch so bleiben. Da freut sich doch jeder Künstler. Man möchte das gar nicht immer selbst in der Hand haben.

Da ist aus deiner Sicht natürlich etwas dran. Wäre es euch denn unangenehm, wenn man den Track in S&M-Clubs spielte?

Wir würden nicht versuchen, uns Leuten in den Weg zu stellen, die unsere Musik abspielen. Wo man dies tut, ist dabei doch sekundär.

Klarer Standpunkt

Aber als Fazit: Genau so gut könnte ich jetzt verkünden, es ginge im Song um eruptive, singuläre Gewaltausbrüche oder nur um die alltäglichen aggressiven Gefühle in uns allen, die uns als Ventil vom Ausüben abhalten. Könnte ich alles sagen. Aber es ist ja nicht immer so wichtig, was der Künstler denkt, oder?

Music für S&M Clubs und Gewaltausbrüche?

Das hängt in der Tat nicht nur vom Inhalt, sondern auch vom Stellenwert des Künstlers in der öffentlichen Wahrnehmung ab. Euer persönlicher Level scheint hier deutlich gestiegen zu sein. Die neue Platte schön Rockstar-dekadent in den sonnigen Staaten eingespielt mit female Vocals einer Gastsängerin.

Das ist für uns auch ein ästhetisch wichtiger Schritt gewesen. Besonders der schöne Gesang von Becky Stark macht uns stolz. Sie ist in Amerika sehr bekannt als alternative Folk Sängerin der Band Lavender Diamond. Um so glücklicher sind wir, dass ihre Stimme mit unserer ganz andersartigen Musik funktioniert. Verschiedene Stimmen schaffen Variationen. Das ist immer gut für die Kunst.

Erstaunlich ist ebenfalls die Wahl eures Produzenten Thom Monahan. Der ist doch fast schon eine Ikone im US-Indiefolk. Ich kenne den ausschließlich durch seine Arbeiten für Leute wie Devendra Banhart oder die Pernice Brothers. Ein ganz anderes Genre. Wie habt ihr denn zueinander gefunden?

Die Verbindung kam weniger spektakulär zustande als man vielleicht glaubt. Wir supporteten Au Revoir Simone, deren Album "Still Night, Still Light" er gerade produzierte. Nun haben wir auch in jenen Tagen nach einem Producer gesucht. Da haben wir einfach mal angefragt. Thom war sehr zugänglich und freundlich. Trotz seiner Arbeit mit Devendra und den anderen hat Thom auch eine starke private Vorliebe für elektronische Musik. Er hat auch eine Sammlung mit großartigen alten Synthies und Drum-Machines. Das neue Feld der Elektromucke ist für ihn doch auch ein großer Spielplatz gewesen. Endlich konnte er sich mal mit seinen Geräten richtig austoben.

Der typische Krautrock-Touch ist aber noch immer hörbar. Vor allem ein paar Neu!/Can-Anleihen.

Es ist interessant, dass dieser Vergleich zwischendurch immer wieder kommt. Auf dieser Platte möchte ich das jedoch nicht wirklich gelten lassen. Besonders Can und Neu! sind hier doch kaum noch spürbar vertreten. Ich liebe diese Musik natürlich noch immer heiß und innig. Dennoch mussten wir als Musiker ein wenig davon abrücken.

Der gern von euch verwendete Motorik-Beat Michael Rother/Klaus Dinger ist dennoch auf gleich mehreren Stücken hörbar. Ich finde das als Ergänzung sehr passend. Insofern kein Grund, sein Licht da unter den Scheffel zu stellen. So wenig wie du sagst, ist es nicht

Gut, so ein bisschen ist wohl immer vorhanden. Das mag sein. Bands wie Cluster, Harmonia oder La Düsseldorf waren auch einfach brillant. Da kann man viel lernen.

Wenn man von der Prämisse ausgeht, es hätte ohne diese alten Haudegen und Pioniere weder intelligente Clubmusic gegeben, noch ein Grauen wie Scooter. Wer ist denn hier der wahre Enkel? Fujiya oder die teutonischen Musikhenker?

Das ist eine gute Frage, die ich dennoch kaum beantworten kann, ohne anmaßend zu wirken. Natürlich fühlen wir uns geehrt, so man in Fujiya & Miyagi die künstlerische Kontinuität erblickt. Aber es liegt mir fern, das Werk von Kollegen wie Scooter zu beurteilen. An dieser Stelle muss ich leider so tun, als habe ich deine Frage nicht verstanden.

Nun kommt ihr aus Brighton. Das ist außerhalb des Vereinigten Königreichs oft eher für Abbas Grand Prix Sieg anno 1972 bekannt; oder als Wohnsitz von Fatboy Slim. Seht ihr euch hier als eine Art neues Aushängeschild?

Erst einmal haben wir doch Glück, unsere Karriere nicht als Grand Prix Band starten zu müssen. Eine solche Notwendigkeit kann doch nicht wirklich Spaß machen, oder? Dennoch bin ich großer Abba-Fan. Und Fatboy Slim ist doch ein Gott. Da kommt man ohnehin nicht dran vorbei.

Ich kann leider überhaupt nicht singen

Die neue Platte kratzt arg an der Lounge-Tür, andererseits wirken viele interessante Arrangement-Ideen sehr in den Hintergrund gerückt. Großangriff auf die Charts? Adieu Avantgarde?

Die wirtschaftlichen Notwendigkeiten des alltäglichen Lebens sind doch auch bei uns nicht anders als bei anderen Menschen. Allein schon deshalb würde ich es regelrecht lieben, eine fette Hitsingle zu haben. Dir sollte aber eines dabei klar sein: So etwas ist für uns nicht der alles bestimmende Antrieb! Wir würden nicht so weit gehen, künstlerisch wichtige Teile dem Diktat der Charts zu opfern. Ich weiß ehrlich gesagt auch nicht, ob wir überhaupt die Typen für den ganzen Zirkus sind, der danach auf uns zu käme. Wären wir daran interessiert? Ich kann es nicht sagen.

Du vermittelst auf mich auch eher den Eindruck eines Künstlers; nicht eines typischen Popstars. Sehr gelungen finde ich in diesem Zusammenhang den vielseitigen Einsatz eures Pianos. Vor allem der Saloon-Sound gefällt. Die französische Presse hat schon vor kurzem verlautbaren lassen, ihr würdet euch am Stil des Pianisten von Juliette Greco, Alain Goraguer, orientieren.

Unglücklicher Weise ist das keine reale Story. Das ist natürlich schade für uns. Wäre ja schon sehr cool, wenn man mit dem Originalsound des hippen swingin’ Paris der frühen Sixties assoziiert wäre. In Wahrheit haben wir bandintern sogar große Lücken, was unser Wissen über wichtige französische Musik betrifft. Aber ich werde deine Anregung natürlich zum Anlass nehmen, das mal zu checken.

Auf der anderen Seite gibt es auch Kritikpunkte an der neuen Scheibe. Dein stimmlicher Einsatz bleibt immer gleich. Immer die stimmlose Flüstertüte ohne jede voluminöse Klangfarbe. Der Gesang verkommt auf diese Weise doch zum bloßen Rhythmusinstrument und vergeigt den Melodietransport. Das dauernde Geflüster versteckt so manchen Song mehr als ihn zu unterstreichen. Wo bleibt da die Entwicklung? Oder ist Monotonie das Ziel?

(Staubtrocken und entwaffnend) Zu meinem großen Bedauern muss ich leider sagen: Ich kann es einfach nicht anders!

Mit dieser Antwort hätte ich nie gerechnet, David.

Wenn ich richtig singen könnte, würde ich es doch tun. Du sagst es ja selbst. Die ganze Melodieführung gelingt uns ausschließlich über den instrumentalen Part. Deshalb verstehe ich deinen Kritikpunkt sehr gut. Aber wenn man uns mag, sieht man hoffentlich eher den gesamten Aspekt unserer Musik. Aber ich wünsche mir wirklich, besser und mehr singen zu können. Vielleicht schaffe ich es ja in den nächsten Jahren, die eine oder andere Note hinzu zu gewinnen. Ich versuche es wohl.

Verstehe. Aber weshalb ihr einen interessanten Weg nicht zu Ende geht, verstehe ich noch nicht ganz. Allein der Funk Anteil könnte doch – besonders wenn man sich wie ihr auf Sly Stone bezieht – ein wenig rauer wirken. Am Ende steht ihr so doch zwischen allen Stühlen und werdet unter Umständen nur in Hotels und auf Flughäfen gespielt. Ist das eine zu schwarz gemalte Prognose?

Eigentlich wären Bars und Restaurants doch ideal. Die Musik nervt nicht und ist doch interessant genug, dass man aufhorcht. Und dem kommt auch meine wohl insgesamt fluffige Stimme sehr entgegen. In richtigen Blackmusic-Clubs oder Hiphop-Läden kommen wir wohl ohnehin nicht vor. Das soll aber nicht darüber hinweg täuschen, dass wir die gesamte Platte als Zusammenfassung und Weiterentwicklung des Erreichten verstehen. Extrakte, die allesamt mit ganzem Herzen komponiert und aufgenommen wurden. Das ist uns wichtig und macht uns als Band aus.

Wie passt denn die Dylan-Hommage "Taiwanese Boots" da rein?

Keine so große Sache. "Boots Of Spanish Leather" war immer mein Lieblingssong von Bob Dylan.

Der alte Klopper von "The Times They Are a-Changin'"

(Zögernd) Na ... ja ... gut ... ich weiß gerade nicht, ob der Song nicht doch von "Another Side Of" stammt. Ist auch egal. Eine der beiden war es auf jeden Fall. Da haben wir ein wenig mit herum gespielt und dann die für eine Elektroband viel griffigere Taiwan-Assoziation gefunden. Der Link zwischen beiden Liedern ist aber recht schmal. Wir versuchen natürlich nicht, dieses Juwel zu beantworten. Nur eine kleine Ehrung für einen der schönsten Songs, die je aufgenommen wurden.

Lieber David, ich danke dir für das Gespräch

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LAUT.DE-PORTRÄT Fujiya & Miyagi

Fujiya ist eine japanische Firma, die Schallplattenspieler herstellt. Miyagi ist der Karatemeister aus dem 80er-Jahre-Film "Karate Kid". Beides zusammen …

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