laut.de-Kritik

Ein Hip Hop-Dandy gegen den Weltschmerz.

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Trapmusik in Deutschland hatte Übersetzungsschwierigkeiten. Wo in den Staaten ein sehr spezifischer Kontext aus Südstaaten-Raptradition, schwermütigem Zeitgeist, Opiat-Krise und amerikanischem Traum Nährboden für die all-out flexende 808-Melancholie bot, fehlt in Deutschland Hintergrund und Narrativ, der diesem Musikstil Glaubwürdigkeit verleiht. Manche Straßenrapper haben es auf die deutschen sozialen Brennpunkte ausgelagert, Studenten- und Comedyrapper einen dadaistischen Ansatz gewählt, der nur in manchen Instanzen wirklich überzeugt hat.

"One Dollar Smile" von Frank Hemd ist ein Gegenentwurf, der versucht, die musikalischen Fundamente der Trapmusik mit dem Leben eines veganen Berliner Erzhipsters zu kombinieren. Was auf dem Papier wie eine furchtbare Idee klingt, stellt sich als ein Projekt mit überraschender Ehrlichkeit und Nuance heraus, das mit der Bereitschaft des Hörers steht und fällt, sich auf das Konzept einzulassen.

Konkret spielt Produzent Massala auf "One Dollar Smile" mit musikalischen Konzepten, die man von Playboi Carti, Valee oder dem aktuellerem A$AP Rocky kennt. Der Sound wabert nicht so sehr wie bei den Trap-Staples, arbeitet stattdessen mit störrischen Drumloops und pumpenden 808s, die im Tay Keith oder Wheezy-Stil energisch nach vorne drücken. Eine Nummer wie "No Americano" beschreibt das Konzept treffend: Es geht nicht darum, den Leben der Amis nachzuäffen. Keine Xanax-Glorifikation, kein Kokettieren mit Gang-Gewalt oder Selbsttherapie. Warum auch, wenn man in Berlin-Mitte lebt und nur mit den Membern der kreativen Branche strugglet.

Das Ding ist: Genau diese Menschen haben ja wohl genug Kopffick zu bieten, um darüber zu rappen. In diesem Sinne spricht aus "One Dollar Smile" ein Protagonist, der mit seiner eigenwilligen Balance aus ernstem Stolz, Selbstironie und absurdistischem Humor das Verhältnis eines selbstreflektierten Menschen zur Selbstoptimierung darstellt. Die Ernährung ist gesund, die Work-Life-Balance ist gesichert, die gute Literatur wird gelesen. Jeder Aspekt des Lebens muss der Verbesserung des eigenen Bildes dienen. Jede Lifestyle-Entscheidung ein Flex. Deswegen gibt es hier auch kein Erzählen, sondern nur ein Mosaik aus pointierten Onelinern, die nach und nach ein größeres Bild ergeben.

Das Faszinierende an "One Dollar Smile" ist, dass es ein paar Hördurchgänge braucht, bis dieser Subtext sichtbar wird und man nicht einmal sagen kann, ob er bewusst dort ist. Aber das Bild setzt sich perfekt zusammen: Frank wirkt immerzu umtriebig, etwas gehetzt, im Spannungsfeld zwischen hundert Projekten und wie ein Mensch, dessen Handy im Fünfminutentakt brummt. Tracks wie "Gumo" oder "Cool" sind durchzogen von dem Bewusstsein, dass jedes Detail der eigenen Person gesehen werden wird. Und in der kreativen Branche steht jedes gesehene Detail zum Verkauf. Alles muss locker sein, alles muss man gerne tun, alles ist eine bewusste Entscheidung, alles ist eine Leistung, die es zu erbringen gilt.

Da gibt es nur Sinn, dass die unterschwelle Angstiness sich gegen Ende des Projekts in handfester Melancholie entlädt. "Nacht Interlude", "November" und "1992" sind der Burnout oder der Existenzialismus, der spätnachts einsetzt, wenn der moderne Renaissance-Mann nicht mehr weiß, ob noch irgendetwas am eigenen Tun authentisch ist. In diesem Sinne fühlt Frank Hemd sich wie ein absurder Dandy-Charakter an, ein Dorian Gray, ein großer Gatsby. Er spielt das Spiel virtuos, er hat sich auf all die gesellschaftlichen Konventionen eingestellt. Deswegen wäre es so einfach, Songs wie "Letsgo" wirklich einfach nur als briesigen, wohlklingenden Motivations-Pop-Rap fürs morgentliche Joggen zu verwenden.

Aber genau diese Ambiguität macht "One Dollar Smile" spannend. Es ist keine Kritik, per se. Es ist die Selbstdarstellung eines Mannes, den man für das Optimum seiner Zunft halten könnte. Den gesund Lebenden, den Gebildeten, den Self-Care-Betreibenden, den Selbstreflektierten. Er ist ein Prinz Pi, der die Würde hat, die eigene Wehleidigkeit nicht zur vordersten Fassade zu machen, sondern die Struggles dieser unterschwelligen Leistungsgesellschaft in eine doppelbödige Selbstdarstellung zu gießen, die dann auch den Mut zur wirklichen Selbstbeweihräucherung und der gelebten Arroganz ob der Arbeit am Selbst hat.

Vielleicht muss man gar nicht so viel hineinlesen, denn die Musik von Frank Hemd läuft allein durch seinen gekonnten Vocal-Stil, die geschmackvolle, etwas poliertere Ami-Adaption und den quirligen Sound Massalas gut rein. Aber seine Persona steckt voller kleiner Paradoxien, voller bewusster und unbewusster Ambiguitäten, die selbst in diesem auf den ersten Blick recht intuitiven Album schwer festzuhalten sind. Genau wie Playboi Cartis Meisterwerk "Die Lit" die Balance zwischen destruktivem Prettyboy-Hedonismus und dem Morgen nach der Ekstase der Oberflächlichkeit erkundet hat, befindet sich Frank Hemd im Schatten der Frage, wie viele Gebote der Wokeness man befolgen muss, bis man endlich glücklich sein darf. Und das, ohne diese Konzepte in auch nur einem direkten Satz zu adressieren. Wenn das keine Adaption des Traps als Methode ist, dann wohl gar nichts.

Trackliste

  1. 1. Gumo
  2. 2. Lesgo
  3. 3. No Merican
  4. 4. Cool
  5. 5. Good Job
  6. 6. Free Tibet
  7. 7. Pull Up
  8. 8. Is Okay
  9. 9. Für Immer Interlude
  10. 10. Boom
  11. 11. Nacht Interlude
  12. 12. November (feat. Yung Lama)
  13. 13. 1992

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