laut.de-Kritik

Oh Wunder! Die künstlerische Vision hat Grenzen.

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"Genkidama" zählt in "Dragon Ball" zu den stärksten Attacken überhaupt. Es verwundert, dass Farid Bang den Namen erst jetzt für eines seiner Alben ausgewählt hat. Das Banger-Oberhaupt führt vor seinem inneren Auge wahrscheinlich keinen anderen Move aus, wenn er Sprechgesangsartisten und deren Mütter beleidigt. Doch die Idee für den Titel rührt von ganz anderer Seite her: Nach privaten Schicksalsschlägen und einer kräftezehrenden Zeit rund um die Echo-Verleihung möchte Farid Bang stärker denn je zurückschlagen.

"Fast zwei Jahre habe ich im Studio gearbeitet, es sind bestimmt 40 Songskizzen entstanden", schrieb der 33-Jährige in den sozialen Medien. Eine krasse Weiterentwicklung von "Genkidama" zum vier Jahre alten Vorgänger "Blut" lässt sich allerdings nicht heraushören. All jene, die den Düsseldorfer für seinen Humor und seine Härte lieben, werden "Genkidama" zum AOTY-Kandidaten erheben. Alle anderen schütteln ein weiteres Mal verständnislos mit dem Kopf.

"Du fragst dich, warum ich wieder mit Disses komm / Es ist langweilig, wenn du allein in einer Villa hockst", rappt der Banger im Titelsong. Sieben Beats aus den sieben vorangegangenen Soloalben hat er dafür aufgewärmt. Was Farid den Hörerinnen und Hörern mit diesem Medley sagen möchte, bleibt unklar. Zumindest hat er seine Demut noch nicht komplett abgelegt: "Der Beste aller Zeiten nach Kendrick Lamar / Album Nummer acht, eine Genkidama." Nicht umsonst erinnert das Polaroid-Cover mit handschriftlich hinzugefügtem Titel an "Good Kid, M.A.A.D City".

Wer Farids Vortrag schon vor "Genkidama" holprig fand, wird auch mit dieser Platte kein Fan. Überbetonungen und langgezogene Silben bleiben Standard. Dafür besitzt Farid eine markante Stimme. Dass die eher nervig und arrogant als wohltuend und freundlich klingt, hat er begriffen. Abgesehen vom Albumschließer "Gotham City" bleibt er den Oden an Statussymbole und flachgelegte Mütter treu.

"Dein Idol ist zwar ein sehr guter Rapper, doch leider nicht hetero", heißt es in "Hadouken". Farids Humor wirkt stellenweise so altbacken und ermüdend, dass die Gürtellinie längst Feierabend gemacht hat. Kein noch so asozialer Diss oder Spruch weckt Emotionen. Ist Inhalt 2020 endlich spannender als Derbheit? Zumindest – und das macht ihn sympathisch – kann Farid über sich selbst lachen: "Komm in ihr, sie denkt, sie hat endlich einen Sohn / Danke Testosteron, meine Spermien sind tot."

Musikalisch mischt Farid Zeitgeist und Zweitausender-Homage. Autotune, arabische Volksmusik ("Maghreb Gang") und von The Weeknd wieder populär gemachte Achtziger-Vibes ("Scarface") spiegeln den heutigen Geschmack wider. Ein an Erick Sermons "React" erinnernder Gag ("Teuer Teuer") und ein "Shake Ya Ass"-Tribut ("Casanova") zeigen, wie weit Farids Einflüsse zurückreichen. Für die Spannung sorgt nicht der Protagonist.

Auf neun von 14 Stücken schauen hochkarätige Gäste vorbei. Mit unter anderem Fler, Haftbefehl, SSIO und Capital Bra hat Farid die nationale A-Liga eingeladen. Aber auch über Deutschland hinaus überzeugte er mit Talent und/oder Scheckbuch. Was Future für Ufo361 ist, bedeutet French Montana für Farid. Von so viel Ehrerbietung ließ sich wohl auch Montanas Geschäftspartner Rick Ross beeindrucken. Farid hat echte Probleme, mitzuhalten.

Die Feature-Liste beweist einmal mehr, in welchen Sphären sich Farid Bang mittlerweile bewegt. "Genkidama" zeigt aber auch - oh Wunder! - die Grenzen seiner künstlerischen Vision auf. Ob ein Farid-Album funktioniert, entscheiden 2020 Beats und Gäste, nicht die Hauptperson.

Trackliste

  1. 1. Genkidama
  2. 2. Public Enemies feat. Fler & Kollegah
  3. 3. Hadouken feat. Haftbefehl
  4. 4. Guerilla feat. Samra & Capital Bra
  5. 5. Ching Ching Ching
  6. 6. Siki Mode
  7. 7. Loco feat. 18 Karat & AK Ausserkontrolle
  8. 8. Teuer Teuer
  9. 9. Casanova feat. SSIO
  10. 10. Santiago Bernabéu feat. Gué Pequeno & Rim'k
  11. 11. Maghreb Gang feat. Cheb Khaled & French Montana
  12. 12. Scarface feat. Capo & Rick Ross
  13. 13. Das Beste Label feat. Majoe, Sipo, Summer Cem, 18 Karat & Jasko
  14. 14. Gotham City

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