3. September 2004

"Ich wollte sein wie Robert Plant ..."

Interview geführt von

Köln, Hotel Hilton. In der Lobby treffen wir auf Joey Tempest, den braun gebrannten Sänger von Europe. Gut sieht er aus, in schwarzem T-Shirt, Jeans, Birkenstock - und ohne Dauerwelle. Eitel ist er auch: Als Kollege Peter Wafzig seine Fotoausrüstung auspackt, schaut er kurz besorgt drein. "Vielleicht hätte ich doch etwas Make-Up auftragen sollen. Aber es ist für ein Online-Magazin, oder?" "Ja, das Format der Bilder ist klein, mach dir keine Sorgen". Während Peter munter knipst, nehmen wir Platz.

Als du letztes Jahr dein drittes Soloalbum "Joey Tempest" in Deutschland veröffentlicht hast, hatte sich das Gerücht bestätigt, dass Europe wieder zusammen spielen würden. Wie kam es dazu?

1992 hatten wir einen Punkt erreicht, an dem es nicht mehr weiter ging. Damals beschlossen wir, eine Pause einzulegen. Am 31. Dezember 1999 standen wir in Schweden kurz vor Mitternacht wieder auf der Bühne, um "The Final Countdown" zu spielen. 'Das hat Spaß gemacht!' haben wir festgestellt, und so entstand die Idee, wieder zusammenzukommen. Zwar hat es weitere zwei, drei Jahre gedauert, aber wir waren erneut in Kontakt, außerdem wollten wir nicht einfach auf Tour gehen, sondern auch etwas Neues aufnehmen.

Eure letzte Platte damals hieß "Prisoners In Paradise", eure neue "Start From The Dark". Haben die Titel etwas zu bedeuten?

Ja, sicherlich. Als wir auseinander gingen, war es nicht mehr so wie früher. Wir kennen uns ja schon alle seit Ende der 70er Jahre, haben die gleiche Musik gehört, sind in die gleichen Kneipen gegangen. Fünf Freunde, eben. Dieses Gefühl kam wieder auf, als wir uns trafen. Es ist wirklich wie ein Neustart.

John Norum ist auch wieder mit dabei. 1986 war er überraschenderweise nach dem Erfolg von "The Final Countdown" ausgestiegen, weil er keine Lust auf Fernsehauftritte, Playback und den ganzen Rummel hatte. Befürchtet ihr nicht, dass so etwas wieder geschehen könnte?

Nein. John ist ein ganz anderer Mensch als damals. Er hat mit anderen Leuten gespielt und acht Soloplatten raus gebracht. Er war Feuer und Flamme, als sich der Plan konkretisierte. Er hat sogar mehr Lust als ich, Interviews zu geben. 'Interview, wo? Hier bin ich!'

Du hast ja selbst drei Platten veröffentlicht. Von deinen restlichen Kollegen Ian Haugland (Schlagzeug), Mic Michaeli (Keyboards) und John Levén (Bass) hat man allerdings nicht mehr viel gehört.

Nun, sie haben bei Glenn Hughes mitgespielt und traten ab und zu immer noch auf. Ganz inaktiv waren sie also nicht.

Da waren sie bestimmt froh, wieder auf einer großen Bühne zu stehen.

Oh ja. Im Juli haben wir bei einem Open-Air Festival zum ersten Mal wieder in Schweden gespielt. 25.000 Leute waren da. Es war wie damals! Es war einfach toll.

In der zweiten Augusthälfte seid ihr bei strömendem Regen in der Schweiz aufgetreten, unter anderem mit Toto und Slade. Das kann ja keinen Spaß gemacht haben.

Wir sind nicht wirklich mit ihnen aufgetreten, es war ein Festival an zwei Tagen und wir waren der Hauptact, haben also als letzte am Abend gespielt.

Hattest du den Eindruck, dass die Leute euretwegen dort waren?

Ich hoffe ja. Auf jeden Fall war die Stimmung gut.

Habt ihr keine Angst, in eine Schublade gesteckt zu werden? Die Meisten verbinden euch mit den 80er Jahren, euer Look entsprach ja auch ziemlich dem damaligen Stil.

Das können wir nicht wirklich beeinflussen. Wie gesagt, wir sind fünf Freunde, die miteinander eine gute Zeit hatten und jetzt wieder eine gute Zeit haben. Damals sind wir in Lederklamotten aufgetreten. Ich war ein großer Fan von Robert Plant und versuchte, so zu sein wie er. Deshalb hatte ich auch diese Frisur …

… eine bemerkenswerte Dauerwelle. Das hat sich deutlich geändert. Schmeißt ihr euch heutzutage in ein Bühnenoutfit, oder tretet ihr in ganz normalen Klamotten auf?

Och, mehr oder weniger so wie jetzt. Es geht ja auch um die Musik.

2002 hast du ein eher ruhiges Album mit dem Titel "Joey Tempest" veröffentlicht. Darauf waren Lieder mit Titeln wie "Losers", "Falling Apart" oder "Outside Heaven". Auf "Start From The Dark" heißen die Stücke eher "Flames", "Sucker" oder "Spirit Of The Underdog". Hast du eine Trennlinie gezogen zwischen den Stücken, die du für dich schreibst und jenne für Europe?

Dieser Unterschied ist mir noch gar nicht aufgefallen, aber da könnte was dran sein. Ich habe an vielen Orten gelebt und viel gesehen, das spiegelt sich auch in meinen Texten wieder. Ein paar Stücke des neuen Europe-Albums habe ich mit John Norum geschrieben, die anderen aber alleine. Das hat auch etwas mit der Stimmung zu tun. Dass wir wieder zusammen sind, hat mir und uns allen einen richtigen Kick gegeben. Deshalb haben wir dieses Album auch machen wollen – wir wollten das festhalten.

Ihr habt im Sommer auf mehreren Open Air-Festivals gespielt, im Herbst folgt eine Tour unter eigenem Namen. Wird Kee Marcello, der Nachfolger von John Norum, auch dabei sein?

Es war angedacht, klappt aber nicht, weil er eine Firma hat und eine andere Band, mit der er Konzerte geben will. Wir sind in engem Kontakt mit ihm, er war ja auch daran beteiligt, dass wir wieder zusammen sind, vielleicht klappt es ja in der Zukunft. Im Oktober sind wir in Skandinavien, im November im restlichen Europa, im Januar in Japan. Anschließend wollen wir nach Amerika, dann sehen wir weiter.

Macht es euch eigentlich noch Spaß, "The Final Countdown" zu spielen?

Es ist der Höhepunkt der Show, der Moment, auf den das ganze Publikum wartet. Wir spielen es nicht mehr so wie früher, nun ist es etwas tiefer, langsamer, nachdenklicher. Und ja, es macht uns noch Spaß, es zu spielen.

Ein Fan schreibt auf deiner Homepage: "Ich habe deine Soloalben geliebt, aber ich denke nach wie vor, dass du eher in eine Band gehörst". Teilst du seine Meinung?

Na ja, ich habe drei Soloplatten veröffentlicht. Die erste war eher Singer/Songwriter-mäßig, auf der zweiten habe ich ein bisschen rumexperimentiert und sie in Nashville aufgenommen, die dritte war etwas rockiger. Auf jeden Fall finde ich es toll, wieder mit den anderen zusammen zu sein, das fühlt sich einfach gut an. In die Texte bringe ich meine Erfahrungen ein, also bin es immer noch ich.

Es handelt sich also nicht um eine kurzfristige Angelegenheit?

Oh nein. Wir haben ein neues Album und gehen auf Tour. Das wird hoffentlich noch eine Zeit lang so weiter gehen.

Das Interview führte Giuliano Benassi

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