17. Februar 2004

"Anfangs wollten wir nur Instrumente vögeln"

Interview geführt von

Ich rufe Cousin und Cousine in Leipzig an. Es erwarten mich zwei junge Menschen, die entweder synchron in den Hörer quatschen, oder sich gegenseitig die Fragen zuschieben.

Hallo Sidney, hallo Stefan. Beschreibt euch doch erst mal kurz.

Stefan: Wir sitzen gerade vor der Freisprechanlage des Telefons.

Sidney: Stefan hat graue Augen und braune Haare.

Stefan: Graue Augen?

Sidney: Weißt du, dass das extrem gut aussieht, was du heute an hast?

Stefan: Ich hab übrigens blaue Augen und nicht graue Augen.

Sidney: Nein mein Freund, die sind grün!

Stefan: Nein, blau! Nach einigem hin und her sind sie bereit,weiter zu reden.

Sidney: Und ne Jeans hat er an und mal nicht die orangefarbenen Schuhe.

Welche orangefarbenen Schuhe?

Sidney: Stefan hat mal für Puma-Schuhe Werbung gemacht und deshalb zieht er jetzt andauernd die Schuhe an, die er dafür bekommen hat. Und sehr cool findet, wie er gleich dazwischen schreit.

Wie bist du dazu gekommen, Werbung zu machen?

Sidney: Wir haben beide Werbung gemacht, zum Spaß. Dazu sind wir über eine Fotostrecke im Piranha-Magazin gekommen. Stefan redet mal wieder synchron dazu.

Stefan: Das haben wir auch nur für die Fotostrecke gemacht, das war nicht so, dass Puma angefragt hat, ob wir noch was machen wollen.

Sidney: Wir haben gesagt: 'Wir ziehen's nur an, wenn wir's dann auch behalten dürfen." Aber außer den Schuhen mussten wir alles wieder abgeben.

Stefan: Der Rest sah aber auch scheiße aus.

Wie ist denn das für euch, wenn Leute jetzt plötzlich Fotostrecken mit euch machen wollen. Vorher wart ihr ja ganz normale Schüler.

Sidney: Es ist lustig, das macht Spaß.

Stefan Es ist zwar komisch, wenn man jetzt von überall Anfragen bekommt, aber eigentlich ist das ja klar.

Findet ihr das gar nicht anstrengend?

Sidney: Ach, das ist Quatsch. Anstrengend ist es, wenn man den ganzen Tag am Fließband steht. Ich finde es anstrengend, wenn andere Popstars sich über ihren ach so schweren Job aufregen. Denn im Endeffekt macht es Spaß.

Um noch mal zum Beschreiben zurück zu kommen: Wie würdet ihr jemandem eure Musik erklären, der noch nichts von euch kennt?

Nun streiten sie sich drum, wer das beantworten soll. Das ist Deine Frage!, beendet Stefan die Diskussion.

Sidney: Wir haben zwei Gitarren, zwei Bässe, ein Schlagzeug und ein Mädchen, das singt.

Zwei Bässe? Du spielst einen und wer noch?

Sidney: Unser Bassist?!

Ach, ich dachte du machst das alles!

Sidney: Ich auch, ja!

Ihr habt ja eigentlich schon eine relativ lange Geschichte als Band. Wie ist dann Annette Humpe (Ideal, heute Produzentin) auf euch aufmerksam geworden?

Stefan: Das war gar nicht geplant! Wir hatten eigentlich nie daran gedacht, eine CD aufzunehmen oder einen Plattenvertrag zu kriegen. Also, ich wusste davon gar nichts. Sid hat einfach das Demo-Tape an Annette Humpe geschickt, und die hat sich dann gemeldet. Dann haben wir bei ihr zu Hause gesessen, und plötzlich hat dann noch Petra Husemann, die Chefin von Motor angerufen und sie hat gesagt: 'Wir laden euch mal ein'. Und so sind wir dort hin gewandert.

Sidney: Mit einer Akustik-Gitarre auf dem Rücken und haben, weil wir kein deutsches Demo-Tape hatten, der Plattenfirma Universal, inklusive Tim Renner (da noch Universal-Chef, Anm. d. Red.) akustisch was vorgespielt und vorgesungen. Und ich glaub, wenn wir nur eine Sekunde darüber nachgedacht hätten, was wir da gemacht haben, wär's gar nicht so lustig gewesen. Wir haben uns da echt keinen Kopf gemacht.

Stefan: Ich wusste ja nicht mal, wer Tim Renner ist.

Sidney: Wir haben uns da einfach hingestellt und gemacht. Ich glaube das war das Beste, was uns hätte passieren können. Wir haben das gar nicht so ernst genommen, weil wir überhaupt nicht scharf drauf waren, einen Plattenvertrag zu kriegen. Wir haben uns gesagt, wir probieren das, und vielleicht klappt's, dann haben wir ein Problem. Und wenn das nicht klappt, dann machen wir weiter so, wie bisher.

Du hast gerade gesagt, ihr hattet kein Demotape mit deutschen Texten. Was war denn so wichtig an deutschen Texten? Ihr habt ja eure Stücke vorher auch auf Englisch gemacht.

Sidney: Das mit dem Deutsch war das, was wir wirklich machen wollten. Wir wollten gerne in unserer Muttersprache irgendwas vermitteln. Was, wussten wir da auch noch nicht so genau. Aber klar war, dass es Deutsch sein sollte. Auf Englisch können die Texte schnell so lala und ziemlich billig sein. Es ist besser, in einer Sprache, die du eins zu eins kennst, etwas zu erzählen.

Habt ihr improvisiert beim Vorspielen?

Sidney: Nein, wir haben die Songs vorher schon geschrieben.

Stefan: Es ist ja kein Jazz.

Man hört über euch, dass ihr ganz am Anfang gar nicht vorhattet, jemals live zu spielen. Wie kann man ne Band gründen und sagen: ich möchte nie in meinem Leben live spielen.

Stefan: Ich kenne genug Bands, die das so machen.

Sidney: Wir haben ja auch nie richtig eine Band gegründet. Wir haben uns einfach zu zweit hingesetzt und zusammen Musik gemacht und Songs geschrieben. Später kam dann noch ein Schlagzeuger dazu. Wir haben uns ein- oder zweimal die Woche getroffen und Spaß gehabt. Irgendwann haben wir den Schlagzeuger gewechselt. Das war dann der Punkt, wo sich rauskristallisiert hat, dass wir doch ein bisschen mehr machen wollen. Der Drummer wurde auch nicht rausgeschmissen, weil er so viel schlechter war, als wir. Das war einfach so, dass wir alle am Anfang standen. Und gemeinsam haben wir uns entschlossen, dass der Drummer nicht der sein sollte, der gerade anfängt. Den Job vom Schlagzeuger möchte ich auch nicht machen, der muss einfach immer der Beste sein und sich anpassen können.

Aber jetzt macht's euch schon Spaß live zu spielen?

Sidney: Wir hatten's ja einfach noch nicht ausprobiert!

Was für Leute kommen denn zu euren Konzerten?

Sidney: Wahrscheinlich niemand, der so alt ist, wie unsere Eltern. Aber sonst alles.

Warum habt ihr euch eigentlich Etwas genannt?

Stefan: Erst mal drückt einen der Name nicht in irgendwelche sinnlosen Nischen rein. In die man zwar am Ende sowieso reingeworfen wird. Aber man muss es ja nicht provozieren. Man ist für sich selber frei. Die Leute können nicht sagen: Ihr heißt doch so und so, warum macht ihr denn jetzt solche Musik? Und wenn die nächste Platte wie Jazz klingt, instrumental mit Flöte oder so, stört das keinen, weil der Name immer noch passt.

Sidney: Ich möchte dann Blockflöte spielen.

Wie ist das denn, wenn ihr Fernsehen guckt und euer eigenes Video seht?

Sidney: Ist uns noch nie passiert.

Stefan: Man nimmt sich vor, die Musiksender zu schauen, aber man schafft das nicht länger als eine Stunde. Entweder ich schlaf' ein oder ich werd' blöd im Kopf. Nee, ich hab's schon mal gesehen, ist schon lustig, wenn man ein Video hat und sich das anguckt.

Aber man kann das nicht realisieren, dass man auf VIVA läuft, und einen ein paar tausend Leute angucken?

Sidney: Ich hab einmal den Schluss von "Ich Zieh Mich Vor Dir Aus" im Radio gehört. Und erst zwei Minuten später habe ich meine Mutter gefragt, ob wir das gerade waren. Schön. Ein Lied im Radio, interessant, hab ich dann gedacht.

Was sind denn eure musikalischen Vorbilder?

Stefan: Gar keine, für unsere Musik nicht.

Ich meinte eher persönlich!

Stefan: Ich habe Helden, nicht Vorbilder. Das sind Queens Of The Stone Age, Muse, vielleicht Led Zeppelin ...

Sidney: Du magst Led Zepplin? Ich mag Marilyn Manson als Band sehr gerne. Inhaltlich mag ich Korn sehr gerne. Wenn wir aber anfangen würden, Musik zu machen wie die, zum Beispiel Queens, dann werden wir zum einen ausgelacht – weil ich ein Mädel bin – und zum andern haben wir uns am Anfang dazu entschieden, nicht das zu machen, was wir am allertollsten finden, sondern das, was wir am besten können, weil das dann auch am besten wird. Und das, was wir jetzt machen, ist auch das was wir am besten können. Und das macht uns ja auch Spaß!

In eurem Forum werfen euch die Leute vor unecht zu sein, behaupten ihr wärt von der Plattenfirma gekauft und so weiter ... Was denkt ihr, wenn ihr so was lest?

Stefan: Gar nichts. Solche Leute zerreißen immer das Maul, über alle. Man kann machen was man will.
Sidney albert im Hintergrund herum.

Stefan: Da soll man sich gar nicht drüber aufregen. Ich lese es mir manchmal durch und manchmal nicht.

Sidney: An manchen Tagen reg ich mich da tierisch drüber auf, an anderen Tagen ist es mir egal – und beides aus dem selben Grund, weil es einfach komplett unberechtigt ist. Und das wissen Stefan und ich und das wissen viele andere Leute auch, nicht nur Leute, die uns persönlich kennen. Und im Endeffekt ist es doch scheißegal, es geht doch nur um Musik! Selbst wenn wir gekauft worden wären und ich mich für den Playboy ausziehen würde, weil meine Plattenfirma sagt, das tut mir gut. Es ist scheißegal, es geht nur um Musik!

Stefan: Vor allem: Die meisten Leute wissen gar nicht, was dahinter steht, von der Plattenfirma zum Beispiel. Die kauft niemanden ein, was soll die denn jemanden einkaufen, das ist ja totaler Schwachsinn. Eigentlich muss man doch die Plattenfirma einkaufen, man muss die ja sozusagen anbetteln, dass man einen Plattenvertrag kriegt.

Es gibt ja immer wieder Gerüchte, dass Bands ihr Image für den Vertrag total verändert hätten ...

Sidney: Natürlich, wenn eine Band sich von sich aus verändert, um einen Plattenvertrag zu kriegen, dann geht das ja auch von der Band aus. Aber keine Plattenfirma kauft irgendein 08/15-Menschlein, um das dann komplett zu verändern. Das ist das, was bei den Superstars eventuell passiert, aber das wissen wir natürlich alle nicht so genau. räusper Aber das ist auch wieder was anderes. Keine Plattenfirma macht sich die Mühe, nimmt sich irgendeinen Idioten und macht aus dem irgendwas. Das ist Quatsch. Du musst selber was aus dir machen und dann hast du vielleicht Glück und die Plattenfirma möchte dich.

Stefan: Das ist ja auch ein ganz neues Feld. Man hat früher nicht im Studio aufgenommen, man hat im Proberaum seine Songs gespielt und dann live. Wenn man jetzt einen Song macht, dann nimmt man den erst mal auf, und dann kriegt der eine ganz andere Farbe, dadurch, dass wir viel mehr mitkriegen und machen können, z.B. 3000 Overdubs drauflegen. Auch wenn das nicht immer sinnvoll ist. Und dann versucht man, das live so umzusetzen. Denn die Leute haben die Platte, und wenn das live dann wie Durchfall klingt, gefällt ihnen das auch nicht so sehr. Sidney lacht sich tot Es reicht jetzt. Jetzt hab ich den Faden verloren. Zitat Ende.

Stefan, du singst ja auch einen Song auf dem Album. Warum nur einen und warum überhaupt?

Stefan: Das war einfach ein schöner Song, und dann haben wir den mit drauf gemacht.

Sidney: Stefan hat ja zwei Songs geschrieben. Warum ich den einen gesungen hab, weiß ich nicht.

Stefan: Wir machen das immer so: Der, der den Song geschrieben hat, singt ihn auch. Denn wenn Sid meine Songs singen würde ... Mit der Ausnahme von dem, der auf dem Album ist, aber der hat auch nicht zu mir gepasst. Wenn Sid einen Song schreibt, dann hat der wenig Selbstironie, bei mir ist das ein Haufen Selbstironie. Es wäre bescheuert, wenn sie die singen würde. Das würde nicht passen.

Sidney: Als wir angefangen haben, wollten wir eigentlich alle nur mit unserem Instrument vögeln und überhaupt nicht singen. Keiner von uns beiden hatte Lust, zu singen. Und der Schlagzeuger singt ja sowieso nicht, 'das gehört sich nicht'. Im Endeffekt wurde ich dann in Richtung Mikrofon geschoben. So: 'Du bist ja ein Mädchen, und Mädchen singen doch.' So hat sich das ergeben, dass ich den Lead-Gesang gemacht hab. Obwohl man's bestimmt auch so hätte lösen können, dass wir uns abwechseln. Bei unserer ersten Band hat Stefan den Song, den er jetzt auch auf der Platte singt, geschrieben. Das muss so vor drei Jahren gewesen sein. Und der war schon immer deutsch und schon immer genau so wie er jetzt ist. Den singt Stefan halt und den singt er auch gut. Aber warum das nicht mehr oder weniger ist, dass kann dir wohl keiner so genau sagen.

Hast du die Texte jetzt eigentlich alle ins deutsche umgeschrieben? Immerhin hast du ja mal auf englisch angefangen ...

Sidney: Bei mir entstehen Texte auf unterschiedliche Art und Weise. Entweder ich nehme mir einen Stift und schreibe ihn komplett auf, und dann ist er fertig. Oder ich schreibe sinnlose Worte in mein Notizheft, die dann irgendwann einen Text ergeben. Was häufiger vorkommt.

Sind die Texte autobiographisch oder sind sie auf die Lieder abgestimmt?

Sidney: Bei uns ist immer erst der Text da und dann die Musik. Natürlich ist das zum einen autobiographisch, entsteht zum anderen aber auch aus Beobachtungen. Mein Leben ist ja auch irgendwann zu Ende. Man kann ja auch nicht unendlich viel erleben.

Was soll denn in nächster Zeit für euch als Band noch so passieren? Wieder fangen beide an, gleichzeitig loszubrabbeln.

Stefan: Die Leute sollen zu unserer Tour kommen, ich würde mir wünschen, dass viele Leute kommen.

Sidney: Ich will, dass das Album endlich mal raus kommt.

Na dann viel Spaß auf Tour und Danke fürs Interview!

Sidney und Stefan: Tschüß!

Das Interview führte Vicky Butcher

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