25. November 2009

"Miss Kittins Akzent ist sehr sexy"

Interview geführt von

Als DJ ist sie noch ein Geheimtipp, als Produzentin eine hoffnungsvolle Newcomerin: Estroe aus Rotterdam. Die sympathische Holländerin wickelt seit einiger Zeit schon die Clubber in unserem Nachbarland um den Finger.Mit "Elemental Assets" legte Estroe gerade ihr erstes Album vor. Eine Tournee führt sie derzeit durch europäische Clubs. Wir sprachen mit der DJane über ihr neues Album, die holländische House- und Technoszene sowie ihren Hund Billie.

Wann hast du damit begonnen, elektronische Musik zu produzieren?

Meine ersten Tracks sind 2004 entstanden. Davor habe ich viel Zeit damit verbracht, alles darüber in Erfahrung zu bringen, wie man elektronische Musik produziert. Ich habe zunächst einmal viele Bücher gelesen. Das Produzieren war erst der zweite Schritt.

Das ist eine interessante Vorgehensweise. Die meisten Produzenten gehen zu Beginn eher nach Trial & Error vor, probieren einfach mal aus, was für Sounds sie aus den Geräten rausbekommen. Würdest du sagen, dass du im Studio sehr diszipliniert arbeitest?

Es ist zwar irgendwie komisch, von mir selbst zu sagen, dass ich im Studio sehr diszipliniert und zielgerichtet arbeite. Aber es trifft die Sache schon ganz gut. Ich sehe jeden einzelnen Track als Gelegenheit, dazu zu lernen. Ich versuche mich immer zu verbessern. Deswegen habe ich diesen Sommer auch einen Advanced Ableton-Kurs besucht. Es gefällt mir, im Studio immer neue Möglichkeiten zu entdecken.

Hast du jemals eine musikalische Ausbildung genossen? Spielst du ein Instrument?

Nein, ich habe nie ein Instrument gespielt. Als Teenager habe ich Sendungen aus dem Radio aufgenommen. Die einzelnen Stücke habe ich dann nochmals auf eine andere Kassette überspielt, geordnet nach ihrer Dramatik. Deshalb kann ich als DJ auch ganz gut einen Abend eröffnen. Ich liebe es, anhand meiner Auswahl an Platten Spannung aufzubauen.

Wie bist du mit elektronischer Musik in Berührung gekommen?

Ich habe als junges Mädchen R'n'B und Hip Hop gehört. Einige meiner Lieblingsmusiker zu der Zeit waren Guy, Alexander O'Neill, Cherelle, Big Daddy Kane und A Tribe Called Quest. 1989 habe ich eine Freundin getroffen, die sich für House interessiert hat. Sie hat mir Quazars "Seven Stars"-Album vorgespielt, das auch heute noch zu meinen Lieblingsalben gehört.

Gemeinsam sind wir in Amsterdam ins Nachtleben eingetaucht und schon kurz danach war ich auch total süchtig nach House und Techno. Von dem Zeitpunkt an bin ich drei bis vier Tage in der Woche in Clubs gegangen. Zum Glück hat meine Ausbildung als Krankenschwester nicht darunter gelitten.

In den Clubs habe ich mich dann immer stärker fürs DJing interessiert. Selbst angefangen habe ich mit der Auflegerei erst 1997. Dadurch ist mir der Geschmack an Gitarrenmusik teilweise abhanden gekommen, obwohl ich Bands wie Coldplay und Tindersticks eigentlich ganz gerne mag. Ich höre aber beispielsweise noch immer Boards Of Canada, Yagya und Massive Attack.

"Unsere House- und Technoszene ist sehr lebendig"

Wie ist die House- und Technoszene in den Niederlanden?

Die House- und Technoszene hier ist sehr lebendig. Als DJ und Produzent ist es schön, so eine inspirierende Umgebung zu haben. Befreundete Produzenten wie Nuno Dos Santos, Sebastian Davidson, Steve Rachmad und Joris Voorn unterstützen mich nach besten Kräften. Das ist ein sehr stimulierendes Umfeld.

Du hast gerade dein erstes Album "Elemental Assets" veröffentlicht. Wie würdest du die Tracks beschreiben?

Ich finde es schwierig, die eigene Musik in Worte zu fassen. Jedes Mal wenn ich einen Track produziere, reflektiert er die Stimmung, in der ich gerade war, steht er für einen gewissen Abschnitt in meinem Leben. Manche Tracks sind fröhlich, manche nachdenklich, manche energiegeladen andere eher entspannt. Ganz unterschiedlich, so wie mein Leben eben auch.

Was hat dich bei deiner Arbeit an dem Album beeinflusst?

Ich werde das oft gefragt, aber ehrlich gesagt, kenne ich die Antwort auch nicht. Ich höre viel Musik, aber es ist schwierig für mich, einzelne Tracks zu benennen, die mich in besonderer Weise beeinflusst haben. Wenn ich welche auswählen müsste, würde ich mich vielleicht für Tracks von Produzenten wie Steve Rachmad, John Beltran und I-Cube entscheiden.

Wie war es denn, ein ganzes Album zu produzieren im Vergleich zu einer Maxi mit lediglich zwei oder drei Tracks?

Ein Album erfordert eine ganz andere Herangehensweise. Man muss sich viele Gedanken darüber machen, wie man alles zu einem stimmigen Ganzen verbindet. Dabei haben mir die Leute von Connaisseur sehr geholfen. Wir haben zusammen die Tracks ausgesucht und die Reihenfolge festgelegt. Die Herausforderung bei "Elemental Assets" war es, ein Album zu produzieren, das tanzbar ist und gleichzeitig auch zum Home-Listening einlädt.

"Ich mag dunkle, deepe und gefühlvolle Tracks"

Wie ist der Kontakt zu Connaisseur entstanden?

Der erste Kontakt kam per E-Mail zustande. Ich habe ihnen einige meiner Tracks zugeschickt, darunter auch "Driven", das später mein erstes Release auf Connaisseur wurde. Das erste Jahr lang haben wir praktisch nur E-Mails ausgetauscht. Später habe ich sie dann bei gemeinsamen Auftritten getroffen, wie beispielsweise beim Sonar Festival in Barcelona.

Auf einem der neuen Tracks ist Miss Kittin am Mikrofon zu hören.

Ja, ich mag ihren französischen Akzent. Er ist sehr sexy. Besonders ihr Release zusammen mit Golden Boy ist mir in Erinnerung geblieben. Sie hat mir dann auf einige meiner Releases positives Feedback gegeben. Das hat mir Mut gemacht, sie zu fragen, ob sie nicht auf meinem Album singen würde. Das Ergebnis ist sehr gut geworden. Auch die andere Sängerin auf meinem Album, Sam Leigh Brown, hat mit dem Track "High Maintenance" sehr gute Arbeit geleistet.

Die meisten Tracks würde ich als deep und melancholisch beschreiben. Siehst du das auch so?

Hmmm, ja vielleicht. Ich mag dunkle, deepe und gefühlvolle Tracks. Im Alltag bin ich eine ernsthafte Person, aber mit einer optimistischen Einstellung. Ich hoffe, dass man das auch in meiner Musik hören kann.

Auf einigen Promo-Bildern bist du mit einem Hund zu sehen. Ist es dein eigener?

Ja, das ist Billie. Ich nehme ihn mit, wann immer das möglich ist. Er ist eine Art Maskottchen für mich. Deshalb wollte ich ihn auch unbedingt mit auf den Bildern haben.

In den nächsten Wochen bist du auf Tournee, um dein Album zu präsentieren. Wirst du als Live-Act auftreten oder als DJ?

Das sind alles DJ-Gigs. Ich baue natürlich auch eigene Tracks in mein Set ein, obwohl ich das manchmal schwierig finde. In der Regel wähle ich deshalb die Remixes, die andere Produzenten von meinen Album-Tracks gemacht haben. Als Live-Act bin ich auch schon aufgetreten, aber es ist nicht wirklich mein Ding. Ich fühle mich wohler, wenn ich als DJ im Club bin.

Was sind deine Pläne für die kommenden Monate?

Zur Zeit läuft alles sehr gut für mich. Ich kann von meiner Musik leben. Ich lege auf, produziere, mache Remixes für andere Produzenten und betreibe mein Label EevoNext. Dort sollen auch neue Talente eine Chance bekommen. In der Vergangenheit habe ich schon einige Ableton-Seminare gegeben. Ich könnte mir vorstellen, das in Zukunft auszubauen.

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