laut.de-Kritik

Cäsar erobert Gallien und Eluveitie spielt die Marschmusik.

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"Was wir machen, ist eine Geschichte zu erzählen, und die ist historisch fundiert. Das ist also nicht irgendwelcher esoterischer oder paganistischer Schnickschnack, sondern es ist einfach Geschichte. 'Helvetios' ist ein Konzeptalbum und stellt eigentlich eine chronologische Abfolge der Geschichte des Gallischen Krieges aus der Sicht der Helvetier dar", so Sängerin Murphy gegenüber metal.de. Platten, die eine Erklärung benötigen, trete ich meist mit einer gewissen Skepsis entgegen. Besonders wenn es sich um Konzeptalben handelt.

Doch den Schweizern glückt die Erzählhaltung, Zweifel über etwaige Lehrstunden zerbersten ebenso wie die Angst aufkommender Langeweile. Das Oktett unterhält knapp eine Stunde lang auf höchstem Niveau, fesselt den Hörer und verbannt ihn nach allen Regeln der Kopfkino-Kunst in eine vorchristliche Zeit: Cäsar erobert Gallien und Eluveite spielt die Marschmusik.

Der gesprochene "Prologue" fließt widerstandslos in die mystischen Dudelsack- und Flötenmelodien von "Helvetios", eine Einführung in die Situation der Helvetier. Die Bedrohung durch Rom auf der einen, die Plündereien barbarischer Stämme auf der anderen Seite drängen das Volk vor einen schicksalhaften Wendepunkt. Die Nummer gerät bei diesem Themengebiet immer wieder ins Straucheln, stößt gegen riffgewaltige Gitarrenwände, taumelt dann aber wieder in die seichten Gewässer von Fidel, Drehleier und Sackpfeife.

"Luxtos" erweitert dieses Konzept noch mit einer fast schon poppigen Melodie. Glanzmann und Murphy ergänzen sich gesanglich äußerst stimmig. Das gelingt auch in "Alesia" hervorragend. Dieser mein persönlicher Lieblingstrack handelt mit hymnischer Instrumentalisierung von einer Schlacht rund um die gleichnamige Stadt. Raue Growls und seichter Frauengesang geben sich die Klinke in die Hand und gehen auch mal gemeinsam durch die Tür. Laut Anna ist die Nummer "ziemlich krass und wahrscheinlich der emotionalste Text".

Folk Metal mag ausgelutscht und überlaufen sein. Der Achter aus dem Alpenland aber bläst mit den harmonisierenden Folk-Instrumenten frischen Wind in das Genre. Das liegt nicht zuletzt an Krachern wie "Havoc" und "A Rose For Epona". In letzterem stellt die Band ihren Fronter auch mal neben das Rampenlicht und lässt ihrem weiblichen Gesang den Vortritt. Langsam flüsternd und später grunz-brüllend drückt sich Glanzmann dann doch noch in den Vordergrund. Er singt von zerstörten Hoffnungen und von der keltischen Fruchtbarkeitsgöttin Epona, die das gallische Volk in seiner schwersten Stunde alleine lässt. Überragend.

"Hope" läutet deutlich gekonnter das nächste Kapitel ein: die hüpfende Flöte paart sich schon bald mit einer Mandola, ehe "The Siege" die aufkommende Romantik brachial-treibend in Fetzen reißt. Dieses Ungeheuer bricht über einen herein, schüttelt und beutelt den Hörer so lange durch, bis er ganz verdattert aus der Wäsche glotzt. Die an irische Küstenluft erinnernden Klänge hauchen dem Gewaltakt nach kurzer Verschnaufpause wieder Leben ein, in dem auch die zierliche Fronterin Murphy einen fürchterlichen Tobsuchtsanfall bekommt, bei dem selbst Zeus' Eier auf Erdnuss-Größe schrumpfen würden.

Die Platte macht durchweg Spaß. Die Verwurstelung von Black- und Thrash-Metal drängt sich nicht zu sehr auf, sondern verleiht dem Ganzen eine gesunde Portion Härte und macht aus "Helvetios" eine runde Sache. Eluveitie stellen ihren bis dato stärksten Silberling in die Platten-Regale.

Nur einen Total-Ausfall birgt dieses 17 Track starke Stück Musik: Schreihals Chrigel klingt in "Scorched Earth" wie ein untalentierter Gesangsschüler nach einem römischen Tritt in die Klöten. Erinnerungen an die Asterix und Obelix-Comics erwachen, in dem meine Jugendhelden Troubadix mitsamt Harfe ungespitzt in den Boden rammen, sobald er zu einem Lied anstimmt.

Trackliste

  1. 1. Prologue
  2. 2. Helvetios
  3. 3. Luxtos
  4. 4. Home
  5. 5. Santonian Shores
  6. 6. Scorched Earth
  7. 7. Meet The Enemy
  8. 8. Neverland
  9. 9. A Rose For Epona
  10. 10. Havoc
  11. 11. The Uprising
  12. 12. Hope
  13. 13. The Siege
  14. 14. Alesia
  15. 15. Tullianum
  16. 16. Uxellodunon
  17. 17. Epilogue

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