laut.de-Kritik

Die konsequente Weiterführung des eigenen Schaffens.

Review von

Seit Mitte der 80er-Jahre experimentieren die Einstürzenden Neubauten mit sogenannten Rampen: Öffentliche Improvisationen mit offener Entwicklung und Ausgang. Für "Rampen (APM: Alien Pop Music)", das nun erscheint, hat die Band die vierzehn besten Improvisationen, die es auf der 2022er-Tournee im Zugabenteil zu hören gab, in den Berliner Candy Bomber Studios mit Producer und Sound Engineer Ingo Krauss neu eingespielt und um eine weitere Studiorampe ergänzt.

Im rhythmischen Opener "Wie Lange Noch?", den die markanten Percussionklänge N.U. Unruhs durchziehen, kommt die Sorge darüber zum Tragen, was für viele Künstler im Grunde das Worst-Case-Szenario darstellt, wenn es eingangs heißt: "Alles schon geschrieben, alles schon gesagt. Wie lange noch?" Auch im weiteren Verlauf schwingt hier und da, wie auch schon auf dem letzten Album "Alles In Allem", die Vergänglichkeit mit.

"Ist Ist" poltert und rumpelt straight los und erinnert gerade aufgrund des hymnischen Gesangs an Blixa Bargelds Zeit bei Nick Cave And The Bad Seeds, ebenso wie "Pestalozzi", das sich recht langsam aufbaut, sich gegen Ende aber immer weiter steigert. "Es Könnte Sein" erweist sich hingegen als recht düsterer Track, in dem der Abgrund an jeder Ecke lauert. "Es könnte sein, dass das, was grad' noch sicher schien, es nicht mehr ist", flüstert der Sänger mit bedrohlicher Stimme zu Beginn.

"Before I Go", das von flirrenden Streichern und Industrial-Rhythmen lebt, stellt einer dieser finalen Checklisten dar, wie es sie in ähnlicher Form vor allem auf der letzten Platte gab. "Isso Isso" kommt als typische Neubauten-Single mit viel Groove daher. Dabei hört man Blixa typisch starke Zeilen wie "Ich seh' irrlichternde Träume wandeln, im Dunkeln" singen.

Es folgt mit "Besser Isses" ein Break-Up-Song oder das, was sich die Einstürzenden Neubauten unter einem Break-Up-Song vorstellen. Dementsprechend spröde und lärmig kommt die Nummer daher. Ursprünglich entstanden die Zeilen "Ich ohne dich, du ohne mich - besser isses" in Paris, als Blixa einen Rocksong für Patricia Kaas schrieb.

Herzstück des Doppelalbums bildet das anschließende Tryptichon "The Pit Of Language", "Planet Umbra" und "Tar & Faethers", das um das Thema Sprache kreist und mit dem sich die Neubauten vor psychedelischen Krautrock-Epen wie "Tago Mago" von Can (RIP, Damo Suzuki!) verneigen. Gerade "Planet Umbra", die Studiorampe, vermag es, mit afrikanisch geprägten Tribalrhythmen den Hörer in seinen Bann zu ziehen und auf eine Reise mitzunehmen.

Das älteste Textfragment findet sich in "Aus Den Zeiten" und spannt inhaltlich den Bogen zu "Ende Neu". Musikalisch mündet das Stück in ein polterndes Finale. In "Ick Wees Nich (Noch Nich)", das Blixa in Berliner Mundart zum Besten gibt, kracht und lärmt es schließlich wie zu Anfangstagen, bevor mit den biologischen Formulierungen in "Trilobiten" und "Gesundbrunnen", das thematisch an "Seven Screws" vom letzten Album anknüpft, die Platte auf recht kryptische Weise endet.

Trotz aller Rückgriffe auf die Vergangenheit ruhen sich die Einstürzenden Neubauten nicht auf dem bislang Erreichten aus. Vielmehr bildet das Album inhaltlich und musikalisch eine konsequente Weiterführung des eigenen Schaffens. Diese Musik darf man sich, worauf der Untertitel "Alien Pop Music" anspielt, als Außenstehender oder als Andersartiger gerne für sich erobern.

Trackliste

  1. 1. Wie Lange Noch?
  2. 2. Ist Ist
  3. 3. Pestalozzi
  4. 4. Es Könnte Sein
  5. 5. Before I Go
  6. 6. Isso Isso
  7. 7. Besser Isses
  8. 8. Everything Will Be Fine
  9. 9. The Pit Of Language
  10. 10. Planet Umbra
  11. 11. Tar & Feathers
  12. 12. Aus Den Zeiten
  13. 13. Ick Wees Nich (Noch Nich)
  14. 14. Trilobiten
  15. 15. Gesundbrunnen

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