laut.de-Kritik

Patriotismus als Konzept.

Review von

Tchaka, tchaka, waka, waka, und nach sechzehn Sekunden Erkennungs-Riff ist das Terrain des "American Rock'n'Roll" abgesteckt: Don Felder zitiert in den Lyrics die Woodstock-Heroen Hendrix, Joplin, The Grateful Dead und CSNY. Deren Freiheits-Feeling läuft im Geiste mit, doch der Sound klingt schwer nach ZZ Top: Elektrischer Bass überlagert die Melodie, das Schwitzige des Mississippi-Delta tropft durch die Gitarrengehäuse, im Solo jault etwas Blues, der Gesang klingt heiser röhrend. Die Lyrics erzählen wortspielerisch "I walked up through the jungle, guns - slash - 'n rose". Slash gilt die Anspielung schon deshalb, weil er im Titelsong an Bord ist - neben der roten Chilipaprika Chad Smith.

Wer braucht da schon eine Band? Don Felder hatte mal eine, eine sehr berühmte, die Eagles. Er empfahl sich für die Rock'n'Roll Hall of Fame mit nichts weniger als der Ko-Autorenschaft von "Hotel California". Hier jedoch drängen sich die Kompositionen kaum in den Vordergrund. Ansätze sind vorhanden, dennoch zerspringt Felders nunmehr drittes Solo-Album nicht durchgängig vor Spannung. Etliche Füllstücke stören zwar nicht, wirken aber (zu) beliebig.

"Charmed" dagegen überzeugt neben rauem Charme mit Bildern von Beverly Hills in den Lyrics und einem schönen Zusammenspiel aus Keyboard-Flanken und einer - gerade noch - nur fast übersteuerten Lead Guitar: "higher and haaaaaaaaaaaaa-hi-gher" schmachtet dazu der Gesang ganz ergriffen, und die Elektrische trägt ihr Übriges bei: Understatement gibt's hier nicht.

Aus der folkigen Ballade "Falling In Love" springt dem Hörer der Eagles-Anstrich sofort entgegen. Die extra lang gehaltenen hohen Töne im Gesang, geschult an den Herren Crosby, Stills & Nash verleihen den Nummern "Sun" und "Little Latin Lover" eine eigenartige Stimmung. Sie ist geprägt von Weite, man mag an Felder denken, auf denen Mais oder Weizen voll in ihrer Blüte stehen - hey, wir fahren mit unserem 57 Chevy über Landstraßen und suchen den Rest der Country Culture. Gwyneth Paltrow in Filmen wie "Traumpaare" und "Country Strong" lässt grüßen; auf der beharrlichen Suche nach dem guten alten Feeling, als Country unheimlich angesagt war. Das ist lange her.

Kürzer reicht die Nostalgie in "Limelight" (="Rampenlicht") zurück. Diese Aufnahme atmet tief und schwer den Geist von 80er-Jahre-Kompositionen im Hard Rock. In das nächtliche Szenario des Textes platzt einiger 'Trouble'. Die sägende Lead Guitar stellt ihn mächtig melodramatisch dar. Die Keyboards geraten in dem schnellen Song zum Rhythmus-Instrument. Sie ächzen hier und da einen gepressten Akkord, um den Takt zu schlagen. Die wichtigen Aktionen stecken aber im Gitarrengejaule. Schließlich war das auch Felders Part auf vier Eagles-Studioalben.

Illustre Gäste zieren hier nun zwar die PR-Texte, leben sich aber nicht so recht aus. So sind die Keyboard-Klänge, wenn man sie wahrnimmt, stark, doch glänzen sie nur spärlich auf der Platte. An den Tasten zeichnen David Paich und Steve Porcaro von der Gruppe Toto verantwortlich.

Manche Nummern wie "Hearts On Fire" und "She Doesn't Get It" rauschen als ewig gestriger, Genre-typischer Abklatsch vorbei: Classic Rock für Puristen, nice und solide - insoweit auch: leider langweilig. In "The Way Things Have To Be" fällt auf, was für ein lausiger Sänger doch Don Felder in puncto Stimmfarbe wie Ausdruck sein kann. Sagte Jahre zuvor auch: Glenn Frey (R.I.P.), sein Ex-Bandkollege, mit dem er sich jahrelang nur mittels Rechtsanwalt unterhielt.

Für Karaoke auf der Country-Kirchweih würden die Vocals auf ein paar der schwächeren Songs allemal reichen, doch dem von Felder gewählten Albumtitel "American Rock'n'Roll" halten sie nicht stand. By the way, was ist das für ein bescheuerter Albumtitel? Ein lauwarmer Pleonasmus! Rock'n'Roll stammt unbestritten aus den USA, nachzuschlagen bei Bill Haley & The Comets, bei Elvis, Little Richard, Chuck Berry oder dem Hammerschlag auf dem Klavier, Jerry Lee Lewis. Vergleichbare Strahlkraft fehlt hier auf dieser All Star-Platte.

Der Titel verrät auch, dass Felder etwas komplett ignoriert: Wie britische und irische Acts den Classic Guitar Rock künstlerisch weiter entwickelten, ohne die Anbindung an den amerikanischen Folk zu verlieren. Nehmen wir mal Don Felders Gast von Rush, Alex Lifeson. Dieser ist ein Serbo-Kanadier, und gleichwohl listet ihn der US-"Rolling Stone" auf Platz 98 der "großartigsten" Gitarristen der Welt. US-Patriotismus reicht also nicht als Konzept. Das nichtssagende Cover-Artwork mit Stars'n'Stripes des Felder-Albums deckt sich mit dem Kernproblem der CD: Sie bleibt Innovation die halbe Spieldauer hinweg schuldig und wirbelt nichts auf.

Vor allem geht Don Felder das Wilde des Rock'n'Roll trotz des brillanten Einstiegs über weite Strecken ab. Da hilft es nichts, dass Joe Satriani zur Besetzung auf der Platte zählt - das Songmaterial will nicht frech sein. Der akustische Abschluss "You're My World" demonstriert, was gegangen wäre, und reißt die Sache gerade so heraus: ein kleines, schlichtes Juwel, sofort eingängig, federnd eingespielt, furios abgemischt! Geht doch.

Trackliste

  1. 1. American Rock'n'Roll
  2. 2. Charmed
  3. 3. Falling In Love
  4. 4. Hearts On Fire
  5. 5. Limelight
  6. 6. Little Latin Lover
  7. 7. Rock You
  8. 8. She Just Doesn't Get It
  9. 9. Sun
  10. 10. The Way Things Have To Be
  11. 11. You're My World

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