laut.de-Kritik

Herrlich maßlos, aggressiv und beschwingt.

Review von

Braucht das noch jemand? Muss das sein? Seit einem starken Jahrzehnt schrammeln Die Sterne nun schon, doch auf dem Titel des Zentralorgans für Diskurspop, der Spex, war das Indiejuwel noch nie. Seit 1992 müssen sie nun schon als Inbegriff der "Hamburger Schule" herhalten und werden als Szene-Größen herumgereicht. Beim Tribut für Peter Heins Fehlfarben musste auf "26 1/2" jüngst neben Jochen Distelmeyer (Blumfeld) und Dirk von Lowtzow (Tocotronic) auch Sterne-Sänger Frank Spilker herhalten. Ihr achtes Studioalbum "Räuber und Gedärm" war der Spex nun endlich eine Titelgeschichte wert.

"Ich fand in letzter Zeit alles toll, was irgendwie rausgerotzt war", verrät Frank Spilker. Und so ist auch auf "Räuber Und Gedärm" der ureigene Sterne-Sound wieder da: Aggressives, treibendes Gitarrengeschrammel schaukelt beschwingt hedonistische Textfragmente. Während sich bei Blumfeld mittlerweile der Text in einer Hyper-Ästhetisierung zur Bedeutungslosigkeit verflüchtigt hat, setzen die Sterne weiter auf fragmentarische Halbsätze. Aphorismenhaft funktioniert das assoziativ. "Ich bin so schrecklich verwirrt", singt Spilker in "Aber Andererseits". Fern jeglichen Proklamierens von Wahrheit und Authentizität schmeißen die Sterne-Wortfetzen die Gedankenmaschine an - so schön kann Dissidenz sein.

"Ich will mehr", gibt sich Spilker schon im ersten Song "Alles sein Gutes" gewohnt herrlich maßlos - "und ich, und ich, bin wichtig" ist immer noch gesetzt. Politik in der ersten Person statt Stellvertreterpolitik opponieren gegen die herrschenden Alltagsstrukturen. In zwei Trainingscamps ist "Räuber und Gedärm" entstanden, das Diktat von saugenden Routinen in Hamburg sollte durchbrochen werden. In Tschechien und ausgerechnet in Fresenhagen (dort sollen Ton Steine Scherben einst ihren Landsitz unterhalten haben) fanden die Kreativ-Sessions statt. Der Titelsong "Räuber und Gedärm" schlägt so wohl als kleine Reminiszenz in einen eigenwilligen Rio Reiser-Slang um.

Element Of Crime-Barde Sven Regener mag sich vielleicht wundern, warum die Spex seine Kapelle immer etwas stiefmütterlich behandelt. Aber Frank Spilker brüllt eben auch nicht "Romantik" auf der Bühne und beugt sich dem bürgerlichen Bedürfnis mit ewigem romantizistischen Liedermacher-Singsang. Die Sterne bewegen sich. Mal findet eine Auseinandersetzung mit Funk oder elektronischen Spielereien statt. Ob als Negation oder ironisch-reflexiv, sie singen jedenfalls nicht mehr gegen die Berliner Mauer an. Sie funkeln in der kritischen Auseinandersetzung mit den veränderten Verhältnissen immer neu. Die Sterne auf dem Titel? - das kann man machen.

Trackliste

  1. 1. Alles Sein Gutes
  2. 2. Aber Andererseits
  3. 3. Abends Ausgehen
  4. 4. Räuber Und Gedärm
  5. 5. Am Pol Der Macht
  6. 6. Wir Sind Reines Dynamit
  7. 7. Wenn Ich Realistisch Bin
  8. 8. Es Gibt Nichts Spannenderes
  9. 9. Der Tunnel
  10. 10. Billig
  11. 11. Als Ich Der Versuchung Widerstand
  12. 12. Was Ist Mein Kleiner Grashalm
  13. 13. Unsere Ideen Sind ... Genital

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