laut.de-Kritik

Kleine Brötchen, große Wirkung.

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Wenn einen der Held der eigenen Anfangstage zum Gastspiel auf seinem Album lädt und zudem als "a grime treasure" und überhaupt als den Lieblings-MC feiert, was sollte danach noch kommen? Klingt nach einem guten Zeitpunkt, um aufzuhören, wenn es am schönsten ist. Diese Zäsur hat Devlin jedoch schon hinter sich. Er fängt gerade erst wieder an.

Leise, tastend streckt der Titeltrack aufs Neue die Fühler aus. Unerwartet sachte schleicht sich der schillernde Sound an, rückt wie von weit her nur langsam näher und bleibt auch da schwer greifbar. Devlin selbst lässt es ebenfalls dezent angehen. Er gibt dem Teufel, der in seinem Innersten wohnt, Zeit, um langsam aufzuwachen.

Spätestens im zweiten Vers von "Blow Your Mind" reichts dann aber mit Vor- und Rücksicht. Devlin meldet sich "back on the riddim with a bang" und wirkt im Kontrast zu der gedehnt gesungenen, beduselten Hook, die Maverick Sabre beisteuert, gleich doppelt hungrig.

"I'm here to show you I ain't never left": Das stimmt so nicht ganz. Devlin war durchaus eine Weile weg, liefert mit "The Devil In" aber auch gleich den Beweis dafür, dass einen Schritt zurück treten, sich das eigene Schaffen aus der Distanz anschauen und überhaupt einmal überlegen, was man machen will und was nicht, noch immer zu den besten Ergebnissen führt.

Devlin brachte dieses Vorgehen zurück zum Wesentlichen. Er brütete "The Devil In" zusammen mit Term und Ratchet aus, Produzenten, die spürbar einen Draht zu ihm haben und verstehen, worum es ihm geht.

Das Album erscheint ohne Rückendeckung eines Majorlabels. Damit fallen zwar die finanziellen Möglichkeiten weg, die den Vorgänger "The Moving Picture" zu einer solch größenwahnsinnigen Angelegenheit aufpumpten, aber eben auch die (möglicherweise sogar nur unterbewusst spürbaren) Vorgaben, man müsse ein möglichst breites Publikum ansprechen, um die Investitionen irgendwie zu rechtfertigen.

Nö. Stattdessen: kleine Brötchen, große Wirkung. "The Devil In" richtet sich wieder ganz eindeutig an Devlins Fans seiner frühen Jahre, an die Grime-Community, an die Menschen die, wie er, aus Dagenham oder vergleichbar zurückhaltend vom Glück geküssten Gemeinden stammen. Obwohl stellenweise verblüffend melodisch ("Just Wanna Be Me") und mit beinahe zarten Bässen ("Blue Skies") oder sogar mit Akustikgitarre ausgestattet ("Crack Baby"), wirkt dieses Album kein bisschen verwässert oder angepasst.

Statt Popstars vom Bekanntheitsgrad eines Ed Sheeran schaut diesmal Skepta vorbei. Auch kein ganz kleiner Name, aber doch eher innerhalb der Genregrenzen gefeiert als im Mainstream. Der gemeinsame Track "50 Grand", im Übrigen der, mit dem Devlin seine Rückkehr aus der Versenkung einleitete, rechnet, während der Bass von unten gegen das Zwerchfell wobbelt, schonungslos mit dem allgegenwärtigen Materialismus ab:

"I ain't sayin' I don't want to make money", stellt Skepta zur Sicherheit klar. "But right now, I'm tryna do the right tings with it." Devlin hat da längst schon festgehalten, was er vom Blingbling-Zirkus hält: "I think that I'm gonna be sick / It seems like every MC is about loves tellin' the poor they're rich / Then they wonder why they're gettin' rolled on when they wanna try and walk round in the bits / This is real life, no thrills hype."

Von wie auch immer gearteten Hypes hat er ohnehin genug, wie es scheint: "I'm at a stage in my life where I don't care for the hype", feuert er in seinem "Castella Freestyle". Hookline? Braucht keiner, wenn Devlin dreieinhalb Minuten am Stück einfach durchrattert. Weswegen sich auch nicht wirklich erschließt, wieso "Life" autogetuneter Singsang zukleistern muss.

Für diesen Ausrutscher entschädigt aber so gut wie alles andere, insbesondere die Track gewordene Verachtung "Bitches". Oder "Cold Blooded", in dem Devlin seinem Unmut über die Regierung, die Medien, das ganze System, alles und jeden freien Lauf lässt. Zwischen dumpfem Bass und fisseligem, hohem Klavier bleibt auch jede Menge Platz dafür - als haben sich Term und Ratchet vom "Halloween"-Thema inspirieren lassen, um Devlins eingestandene Vorliebe für Horrormovie-Beats zu befriedigen.

Der nimmt sich offensichtlich gleich direkt Michael Myers selbst zum Vorbild: "If you don't like me - fine! I'll leave you slaughtered in your seats." Für den Fall, dass der "youngest veteran inside this game" mit seiner eigentlich unmissverständlichen Ansage nicht durchgedrungen sein sollte, springen wir noch einmal zurück zu "Blow Your Mind": "If you don't love me than fuck you."

Trackliste

  1. 1. The Devil In
  2. 2. Blow Your Mind feat. Maverick Sabre
  3. 3. Cold Blooded
  4. 4. 50 Grand feat. Skepta
  5. 5. Corned Beef City
  6. 6. Bitches
  7. 7. Just Wanna Be Me
  8. 8. Life feat. Harry James
  9. 9. Blue Skies
  10. 10. Crack Baby feat. Tom Prior
  11. 11. Stay
  12. 12. Castella Freestyle

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