24. Februar 2010

Lehrer fürs Growlen und Schreien

Interview geführt von

Dark Tranquillity-Sänger Mikael Stanne erzählt von seinen Seminar-Erfahrungen, seiner Spielleidenschaft und der Leere des modernen Lebens.Dark Tranquillity haben sich in letzter Zeit mit Veröffentlichungen ja nicht gerade zurück gehalten. Zunächst "Yesterworlds - The Early Demos" mit zahlreichen Aufnahmen aus den ganz frühen Jahren und anschließend die DVD "Where Death Is Most Alive", die wohl keine Wünsche offen lässt. Da nun mit "We Are The Void" das nächste Studioalbum ansteht, wird es höchste Zeit, mit Sänger Mikael Stanne die letzten Monate Revue passieren zu lassen.

Der Telefontermin ist etwas später am Abend angelegt, womit sich dem laut.de-Redakteur die viel zu seltene Gelegenheit bietet, auch mal wieder eine Runde "Dragon Age: Origins" zu zocken. Wie sich heraus stellt, ist auch Mikael Stanne ein großer Fan des PC-Games.

Hi Mikael, gib mir mal kurz ne Sekunde, ich muss erst mal wieder in die Realität zurück finden. Hab grad drei Stunden "Dragon Age" gezockt. Da muss ich erst mal wieder mental hochfahren.

Haha, ja verstehe ich nur zu gut. Wie weit bist du denn?

Ich denke mal, dass ich relativ nah am Ende bin. Ich hab die Zwerge, die Magier, die Elfen und alle anderen soweit auf meiner Seite. Jetzt muss ich nur noch in Denerim abklären was Sache ist.

Hast du den König schon beim Lanthing getroffen?

Ne, bisher noch nicht. Nur mit Arl Eamon abgeklärt, dass ich ihn da treffe.

Ah, ok. Ja, damit bist du recht nah am Ende. Ich hab das Game vor einer Woche beendet und kann es kaum erwarten, dass endlich das Add-On rauskommt (lacht). Das Spiel ist echt der Hammer und die Extension soll ja bereits in ein paar Wochen kommen.

Kannste laut sagen, aber lass uns auch ein wenig über euer neues Album quatschen, das ebenfalls in ein paar Wochen erscheint.

Ich würde lieber noch ein wenig über PC-Games reden (lacht), aber schieß los.

Ok, erst mal was allgemeines. Ich hatte vor ein paar Wochen ein Interview mit dem Sänger und Gitarristen von Paradox. Der hat mir erzählt, dass er sich in Sachen Songwriting sehr an den Wünschen seiner Fans orientiert. Das ist natürlich auch die Art Sound, die er selber gern spielt, aber er hält sich da anscheinend sehr eng an ein bestimmtes Muster. Was denkst du über so was?

Klar, kann man machen. Warum auch nicht, aber ich würde mich dabei immer ein wenig seltsam fühlen. Für mich hat es ein wenig den Beigeschmack, dass man damit mehr versucht ein bestimmtes Produkt zu verkaufen, als wirklich kreativ zu sein. Wenn du ein bestimmtes Produkt verkaufen willst, musst du immer auf die Nachfrage achten und dich entsprechend danach richten. Ich kann das in gewisser Weise nachvollziehen, aber für mich wäre das absolut nichts. Ich bin von so was meilenweit weg mit meiner persönlichen Einstellung. Ich bin da wahrscheinlich noch mehr so was wie der Punkrocker. Mich interessieren Verkaufszahlen und Geld wirklich überhaupt nicht. Ich will mit meiner Art Musik auch nicht unbedingt bestimmten Leuten gefallen. Es muss erst mal uns in der Band gefallen und alles andere ist mehr oder weniger nebensächlich. Klar ist es toll, dass es da draußen so viele Leute gibt, die auf unsere Musik stehen und das macht uns verdammt stolz. Aber letztendlich wollen wir uns erst einmal mit unserer Musik wohl fühlen, was weiter passiert, ist dann der Bonus. Aber diese Art der Herangehensweise wäre auf keinen Fall etwas für uns.

Das hätte ich mir auch nur schwer vorstellen können. Dennoch seid ihr doch bestimmt auch in Kontakt mit euren Fans und ich bin mir sicher, dass sich einige davon oft etwas mehr von deinem Cleangesang auf den Alben wünschen.

Klar, auf jeden Fall. Natürlich sprechen wir mit unseren Fans, hören uns deren Meinungen an, der Cleangesang ist da oft ein Thema. Aber das ist für unser Songwriting kaum von Belang. Wenn wir sechs uns im Proberaum treffen und mit dem Songwriting anfangen, verrammeln wir die Türen und nichts kommt raus oder rein. Wenn wir auf Tour sind, ist das natürlich was anderes. Dann stehst du auf der Bühne oder nachher an der Bar den Leuten direkt gegenüber, die dafür bezahlt haben, dich zu sehen. Dann gehst du natürlich auch auf deren Wünsche ein, was die Setlist oder ähnliches angeht. Unbewusst fließen da wahrscheinlich auch Meinungen ins Songwriting mit ein, aber dass wir da bewusst einen Fokus drauf legen würden, ist nicht der Fall.

Ich bin mir jetzt nicht ganz sicher, aber ich glaube einmal gelesen zu haben, dass du eigentlich nicht so glücklich mit melodischen Gesangslinien bist. Ist das wahr?

Wo haste denn das her? Ne, ich steh sehr auf die klaren Gesangslinien und es macht einen Höllenspaß! Ich bin allerdings kein großer Fan dieser Bands, die ständig diesen Wechselgesang zwischen Grunts und klaren Vocals haben. Das wurde mittlerweile einfach zu Tode geritten. Death Metal sollte Death Metal bleiben. Da bin ich doch ein wenig old school (lacht). Aber auf der anderen Seite kann man mit ein wenig Klargesang die ganze Sache auch deutlich aufpeppen. Man sollte es lediglich nicht übertreiben.

Wir haben damit ja schon auf unseren ganz frühen Alben experimentiert und auf "Projector" das Ganze noch mal aufgegriffen. Keiner hat damals verstanden, was wir eigentlich wollten. Alle meinten nur: "Oh, du kannst doch keine Cleanvocals im Death Metal verwenden, das geht doch nicht." Und lauter so Scheiß. Vor allem die alten Fans fanden das ganz furchtbar. Dann sind mehr und mehr Bands dazu übergegangen, das ebenfalls zu machen und heute kann ich es kaum mehr hören. Es war anfangs vor allem deswegen spannend, weil es was Neues war. Mittlerweile erwartet man das ja schon fast von einer Band. Darauf hatten wir aber noch nie Bock und haben die nächsten Scheiben erst mal auf Klargesang verzichtet (lacht). Keine Frage, wir stehen auch sehr auf simple, melodische Songs die einfach direkt in die Fresse gehen. Wir versuchen einfach ne gute Mischung aus allem zu machen.

"An der Gitarre war ich echt scheiße!"

Was euch auf dem neuen Album einmal mehr gelungen ist. Da findet sich von sehr melodisch bis hin zu bretthart wirklich alles. Was mir im Zusammenhang mit euch aber auch immer wieder aufgefallen ist: so viele schwedische Musiker haben mindestens drei Bands am Start. Du konzentrierst dich hingegen voll und ganz auf Dark Tranquillity. Bist du nicht so musikbesessen wie die anderen Jungs oder hast du einfach zu viele andere Hobbys wie zum Beispiel "Dragon Age" zocken?

Damit hast du es schon auf den Punkt gebracht (lacht). Was soll ich sagen? Ich hab einfach nicht die Zeit oder den Drang oder auch den Antrieb, neben Dark Tranquillity noch groß was anderes zu machen. Ich kann mich hier einfach voll und ganz ausleben. Alles, was ich ausdrücken will, kann ich mit Dark Tranquillity tun. Wozu sollte ich da noch eine weitere Band oder ein Projekt gründen? Wir setzen uns selbst ja keine Grenzen und es ist ein so breites Feld, in dem wir uns bewegen. Musikalisch decken wir wirklich jeden Bereich ab, der für mich interessant ist. Von daher hat sich für mich noch nie die Notwendigkeit ergeben, mich anderweitig einzubringen und auszudrücken. Wenn wir irgendwann mal eine Pause einlegen und längere Zeit nichts mit Dark Tranquillity machen, dann könnte das durchaus passieren. Aber bislang habe ich einfach weder Zeit, noch den Drang etwas Derartiges zu machen.

Vermisst du es nicht hin und wieder, Gitarre zu spielen?

Hast du nen Schatten? Ich war echt scheiße! (lacht) Ich kann dir gar nicht sagen wie froh ich bin, dass ich nicht mehr Gitarre spielen muss. Das wurde damals ja mehr oder weniger nur eingeteilt, wer welches Instrument spielt. Wir hatten ja alle keine Ahnung von irgendwas. Ich bin echt froh, dass ich schließlich hinterm Mikro gelandet bin.

Und was du da gelernt hast, hast du letztes Jahr in einem Growl-Seminar an andere weiter gegeben?

Ja, das war auch ne seltsame Sache, hat sich letztendlich aber ganz cool entwickelt. Ich hatte da anfangs gar keinen Bock drauf und hab mich lange dagegen gewehrt. Aber es war dann recht witzig, ein paar jungen Musikern zu erklären, wie sie ihre Stimme auf der Bühne einsetzen können und sich nicht die Stimmbänder vernichten. Es gab da alle möglichen Seminare, auch für Gitarristen, Bassisten, Drummer – alles Mögliche. Die haben dort nach jemandem gesucht, der das Growlen und Schreien beibringen kann und irgendwie kam ich ins Spiel. Ich hab ihnen dann erklärt, was für einen Background ich habe, welche Technik ich beim Singen und Shouten benutze und so weiter. Das hat den Kursteilnehmern letztendlich genauso viel Spaß gemacht wie mir.

Was für Leute waren denn da?

Hauptsächlich Teenager, die ihre ersten Schritte in Metal-Bands gemacht haben. Als ich damals 15 war und mit Metal angefangen hab, wäre ich sofort zu einem Seminar gegangen, wenn man mir da beigebracht hätte, richtig zu shouten und zu growlen. Ich musste es auf die harte Tour lernen. Naja, wie hart das auch immer sein mag, sich ein paar geile Death Metal-Bands anzuhören und versuchen, genauso zu klingen (lacht).

Was war das eigentlich für ein Fußball-Match, das ihr mit The Haunted ausgetragen habt?

Oh, das war echt ne coole Aktion. Das war so ne Art Metal-Cup und wir haben mit Per, Anders und Jonas von The Haunted ein Team gemacht. In Flames haben in einem Team mit ein paar Leuten gezockt, Sabbaton in einem anderen. Das war echt lustig, obwohl ich das letzte Mal 1992 nen Fußball getreten hab. Ich interessiere mich einfach nicht für den Sport und schau mir das nicht mal im Fernsehen an. Ganz anders unser Drummer Anders (Jivarp), der ist ein verdammt guter Kicker. Er war echt unser bester Spieler und hat acht oder neun Tore geschossen. Wir sind letztendlich dritter geworden. Das Team, das den ersten Platz belegte, hat beschissen (lacht). Die hatten einen ehemaligen Spieler aus der italienischen Profiliga dabei. Gegen die haben wir 9:2 oder so verloren. Der Typ war verdammt gut, so was hab ich noch nicht gesehen. Was soll's es war echt ein cooler Tag. Das wird dieses Jahr zwar auch wieder stattfinden, aber wir sind zu dem Zeitpunkt leider auf Tour. Das ist als jährliche Sache geplant, soweit ich weiß. Immerhin waren knapp 3.500 Zuschauer da. Fast alle Teilnehmer waren Musiker, aber wie gesagt, ein paar haben auch beschissen (lacht).

Und da wird Deutschland eine Fußball-Nation genannt. Warum kommen dann deutsche Metalbands nicht mal auf so ne Idee? Könnten die Jungs von Rock Hard doch mal in die Hand nehmen.

Gute Frage, so was sollte bei euch doch eigentlich mit Leichtigkeit auf die Beine zu stellen sein. Wir würden dann auch gern mal vorbei schauen und euch in den Arsch treten (lacht).

So siehst du aus. Aber ihr seid ja andauernd für solche Sachen zu haben. Mit Sonata Arctica habt ihr ja an einem Online-Poker teilgenommen.

Jep, stimmt. Wobei ich da nicht integriert war. Martin (Henriksson) und Martin (Brändström) sind beides echte Zocker in Sachen Poker. Die spielen richtige Turniere - jeder kann sich da einloggen und die beiden herausfordern. Die haben das jetzt vier-, fünfmal gemacht, soweit ich das weiß und hatten immer viel Spaß dabei, den Fans das Geld abzuknöpfen (lacht). Martin Brändström schreibt sogar für ein Poker-Magazin hier in Schweden. Die beiden waren schon in Casinos quer über den Erdball verteilt. Immer, wenn wir irgendwo spielen und es ist ein Casino in der Nähe, verschwinden die beiden und du weißt genau, wo du nach ihnen suchen musst.

Wie oft sind sie denn schon pleite zurück gekommen?

Ach je, das zähl ich schon gar nicht mehr (lacht). Ich interessiere mich ja nicht so sehr für das Spiel, aber ich finde es immer wieder interessant, wie viel Kohle die beiden beim Pokern schon verzockt haben.

Metal als Religion? Ich werd Ministrant!

Verdient ihr mit Dark Tranquillity denn so viel, dass die beiden sich so ein Hobby leisten können?

Anscheinend schon, die stecken da glaub ich ihr ganzes Geld rein. Nein, im Ernst, wir können von der Musik schon leben, aber im Luxus schwelgen wir noch lange nicht. Wir sind sehr oft auf Tour und arbeiten hart für unseren Erfolg. Glücklicherweise sind wir mittlerweile in einer Position, in der wir mit der Musik unsere Rechnungen zahlen können. Wirklich Geld verdient man als Band heutzutage nur noch auf Tour oder auf Festivals.

Ich hab euch jetzt bestimmt schon fünfmal live gesehen und mir ist immer aufgefallen, dass zwischen euch auf der Bühne nicht allzu viel Kommunikation stattfindet. Kann das sein?

Hm, da hast du wahrscheinlich recht. Ich denke mal … hm … ich denke das ist schlicht und ergreifend nicht notwendig. Dabei ist das abseits der Bühne durchaus ein Thema bei uns. Wir unterhalten uns darüber, ob wir nicht mehr auf Interaktion auf der Bühne achten sollten, weil es nach außen hin dann ganz anders wirkt. Andererseits sind wir so auf unsere eigenen Sachen fokussiert, dass man die Interaktion mit den anderen leicht vergisst. Vor allem Niclas und Martin sind sehr auf ihr Spiel fixiert und ich konzentriere mich auf meinen Gesang und das Publikum. Wir sind da nie anders gewesen aber ich versteh absolut was du meinst. Ich hab das selber sehr gern, wenn ich mir andere Bands anschauen, wenn die auf der Bühne miteinander interagieren und kommunizieren.

Vor allem bei Niclas fällt mir immer wieder auf, dass er sich fast nur auf seine Klampfe konzentriert und es nicht mal zu einem Blickkontakt mit den anderen Jungs kommt.

Ach komm, so krass ist das? Dabei haben wir durchaus unsere kleinen Interaktionen auf der Bühne. Uns fällt natürlich sofort auf, wenn einer sich irgendwo verspielt oder etwas anders spielt und das geht dann gleich rum. Ich mach auch immer mit Anders meine Späße, wenn ich zwischen den Songs vor dem Drumset stehe. Wir sind da eigentlich sogar ziemlich viel am Quatschen, aber das kommt wahrscheinlich für das Publikum nicht so rüber. Für Niclas ist das Livespielen immer was ganz besonderes, er muss da erst in eine bestimmte Stimmung kommen, um die Songs richtig zu fühlen und so spielen zu können, wie er das will. Das ist ihm sehr wichtig und auch Martin wird immer ganz ruhig, wenn es gleich auf die Bühne geht. Beide konzentrieren sich dann voll auf ihre Gitarren. Das ist einfach der einzige Moment, der wirklich zählt, wenn du auf Tour bist. Du hängst den ganzen Tag nur rum und dann kommen die 60 bis 90 Minuten, in denen du alles geben musst und wo alles perfekt sein muss.

Wie muss ich mir denn einen Tag auf Tour bei euch vorstellen? Zwei von euch zocken Online-Poker, du spielst "Dragon Age" oder ein anderes Game und der Rest?

Also es ist mindestens einer immer am Pokern, da hast du recht. Niclas schreibt entweder Songs oder zeichnet und Daniel und ich sitzen meist in der Gegend rum und trinken Bier. Der einzige, der sich wirklich sehr lange und ausführlich aufwärmt, ist Anders. Mehr passiert da echt nicht.

Wie läuft es eigentlich mit Daniel. Er ist ja sozusagen der Neue bei euch. War es schwierig für ihn, sich in ein so lange gefestigtes Bandgefüge wie bei Dark Tranquillity einzufügen?

Nein, überhaupt nicht. Wir kennen ihn ja schon seit etwa 15 Jahren und sind zusammen in der Metalszene in Göteborg aufgewachsen. Das einzige, an das er sich erst gewöhnen musste, war die Art und Weise wie wir proben und Songs schreiben. Das hat ein paar Wochen gedauert, aber jetzt ist er vollkommen integriert bei uns.

Wie wichtig ist denn Metal in deinem Leben.

Boa, verdammt wichtig! Seit ich zehn oder elf war, ist Metal einfach etwas, das immer um mich rum ist. Ich gehe eigentlich nicht mehr vor die Tür, ohne dass ich die Kopfhörer drin hab und Metal höre. Der Sound ist einfach allgegenwärtig für mich. Ok, ich könnte es vermutlich mal ein paar Stunden ohne aushalten aber dann wird's echt eng. Wenn ich an meinem Rechner sitze, geht mindestens die Hälfte der Zeit dafür drauf, neue Bands und neue Musik zu finden. Die restliche Zeit geht natürlich für's Zocken drauf (lacht).

Ich komm da auch nur drauf, weil wir vor Kurzem eine News bei uns hatten, dass Bif Byford von Saxon sich dafür ausspricht, Metal als Religion auszurufen.

Hahaha, echt? Coole Idee eigentlich. Ich wäre sofort ein eifriges Kirchenmitglied.

Als Papst oder was in der Art?

Ne, ich glaub eher als Ministrant (lacht).

Bescheiden, bescheiden. Lass uns mal ein wenig über deine Texte sprechen. Wie kam es dazu, dass ihr einen Titel wie "We Are The Void" (in etwa "Wir sind die Leere", d.Verf.) ausgewählt habt. Fühlst du dich oftmals so leer, oder war es nur eine bestimmte Situation, in der du wusstest: das muss der Titel werden?

Es ist wohl eher so was wie eine Beobachtung oder ein Kommentar auf bestimmte Situationen und Dinge. Ein großer Teil des Albums dreht sich um die Tatsache, dass wir eine große Leere mit uns herum tragen, die jeder mit irgendwas zu füllen versucht. Was das ist, hängt natürlich von jedem Individuum ab, aber viele Leute sind mittlerweile so verunsichert und verängstigt, dass sie sich irgendwelchen furchtbar banalen oder kranken Sachen zuwenden. Irgendein Idiot gibt irgendwas vor und die breite Masse macht es nach. Ganz einfach, weil es ein Gefühl der Sicherheit gibt, weil das ja alle so machen. Ich versuche einen Blick von außen zu riskieren, darüber nachzudenken, warum so viele diese Leere verheimlichen, anstatt sich dazu zu bekennen und versuchen, mit etwas Sinnvollem zu füllen.

Würdest du dich also eher als Beobachter, denn als aktiver Beteiligter bezeichnen?

Hm, auf diesem Album kamen meine Inspirationen eher von Gedichten und anderer Poesie. Vor allem aus der skandinavischen, die sich mit den 'big issue' Themen befasst, also mit Leben und Tod. Die Art und Weise, wie wir mit beidem umgehen und auch, wie wir darüber schreiben. Denn das ist natürlich auch eine Art und Weise, damit umzugehen. Alles in Worte zu fassen und sich auf diese Weise damit zu beschäftigen. Jeder versucht, auf seine Weise mit dem Leben und dem Tod umzugehen und es für sich angenehmer zu machen. Und mir liegt das deutlich mehr, als darauf zu hoffen, dass irgendwann irgendwas passieren wird und alles gut wird. Mir liegt die skandinavische Poesie so, weil sie nicht alles romantisiert, sondern sich sehr nüchtern mit solchen Dingen befasst. Das hat mich bei meinen Texten für dieses Album sehr beeinflusst. Es sind also schon ein paar persönliche Erfahrungen und Erlebnisse mit eingeflossen, aber die sind eher versteckt.

War das hauptsächlich klassische Literatur, die dich dabei inspiriert hat?

Sowohl als auch. Ich hab mich in der Bibliothek und meiner Bücherei richtig eingedeckt mit Literatur, die irgendwie mit Verlust, Tod oder Trauer zu tun hatte. Dabei war es mir relativ egal, ob das von einer ältere Dame geschrieben wurde, die ihre Gedanken und Gefühle über ihren von ihr gegangenen Ehemann verfasst, oder ob es eher was aus der Hip Hop-Szene war und gerade mal vor ein paar Monaten veröffentlich wurde. Man findet überall Inspiration.

Na dann passt es ja sehr gut, dich nach einem interessanten Buch zu fragen, dass du unseren Lesern empfehlen könntest.

Ein Buch, dass mich mehr als jedes andere die letzten paar Jahre gefesselt hat, heißt "The Road" von Cormac McCarthy. Ich hab es die letzten zwei Jahre wahrscheinlich fünfmal gelesen und es macht mich jedes Mal wieder total fertig. Das Buch ist der Hammer und ich werde mir morgen den Film anschauen. Ich kann das Buch nur jedem ans Herz legen. Es ist wunderschön, aber gleichzeitig auch unglaublich deprimierend und melancholisch.

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