laut.de-Kritik

Dota Kehr legt den Finger in die Wunde und liefert das Pflaster gleich mit.

Review von

Wenn man sich Deutschland im Jahr 2018 anschaut, kann man als denkender Mensch schon mal die Sinnfrage stellen. Ein Glück, dass man damit nicht alleine ist. Menschen aus der ganzen Bundesrepublik reisen nach Chemnitz, um sich Nazis entgegen zu stellen. Trost spendet auch das neue Dota-Album. Von ihrer vorzüglichen Band in ein vielfältiges Klangkonstrukt aus Akustik- und E-Gitarre, Klavier, allerlei Klangwerk und Schlagzeug gebettet, erforscht Sängerin Dota Kehr die Absurditäten des Hier und Jetzt. Alltagsrassismus, Sexismus, Umweltzerstörung, Neoliberalismus, nichts ist vor ihr sicher.

Das Besondere daran ist, dass sie ihren Finger nicht nur in die Wunde legt, sondern das Pflaster gleich mitliefert. Sie weiß, dass die Welt nicht untergehen muss, denn sie hat "Schwangere Frauen im Baumarkt gesehen". Diese tragen schließlich "die Hoffnung in sich".

Unterdessen können wir aber auch schon mal selbst die Probleme der Welt angehen. Was sollen wir machen, wenn sich der Traummann in "Zwei im Bus" als Alltagsrassist herausstellt? Ihm einfach sagen "Tut mir leid, das mit uns beiden kannst du knicken, such dir anders wen zum Reden, manche blicken es halt nie. Ich steig jetzt aus, fick dich ins Knie!"? So simpel ist das meistens leider nicht. Und bis zur nächsten Haltestelle ist es noch weit. Hilft Dialog? Tja, das weiß auch Dota nicht.

Wie das mit dem Traummann anders geht, zeigt "Internetshop". In der Vorabsingle "Orte" malt die Sängerin ein Bild von einer Welt fernab jeglicher neoliberaler Hektik. Wie gerne würde man ihr einfach dorthin folgen.

Bis dahin sind wir in der Stadt, mit "Häusern an Häusern wie Adventskalender" wo wir "vor Langeweile schreien". Erst wenn wir hier herauskommen, wird es "Bunt und hell und leise und schön". Hier ärgern wir uns zusammen über "Nackte Beine", die uns zur Fleischesschau feilgeboten werden oder machen dem letzten Tinder-Date seine Lückenbüßer-Rolle klar. "Du bist nicht meine große Liebe, du bist mein Zeitvertreib".

Nicht nur im Zwischenmenschlichen kennt Dota sich aus. Die große Politik ist immerhin genau so kaputt, aber niemand will sich wirklich dagegen auflehnen. "Wir haben die Katastrophe kommen gesehen und den Griff nach der Macht mit viel Witz kommentiert". Wenn wir nicht eingreifen, kommt es zum "Raketenstart" der Reichsten und Rücksichtslosesten, weg von der Erde, nur sich selbst rettend, aber vielleicht nicht mal das.

Dass das verhindert werden muss ist klar. "Die Freiheit" liefert dafür zwar keinen ausgearbeiteten Masterplan mit detaillierter Handlungsanleitung. Doch wir können uns offensiv dem Rechtsruck entgegenstellen wie in Chemnitz. Wir können dem Klimawandel entgegenwirken, indem wir auf Fleisch verzichten. Wir können unseren Mitmenschen mehr Liebe zeigen. Wir können Musik mit Haltung machen. Wir könnten einfach mal was tun, anstatt nur zu reden.

Trackliste

  1. 1. Bunt und Hell
  2. 2. Raketenstart
  3. 3. Prinz
  4. 4. Nackte Beine
  5. 5. Für die Sterne
  6. 6. Schwangere Frauen
  7. 7. Internetshop
  8. 8. Kapitän
  9. 9. Orte
  10. 10. Die Freiheit
  11. 11. Zwei im Bus
  12. 12. Jeden Tag
  13. 13. In der Hand
  14. 14. Drahtseil

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