laut.de-Kritik

Ordnung im Chaos des Backkatalogs.

Review von

Romantische Freaks sind die Cold War Kids aus Kalifornien. Ihr einzigartiger Stil verknüpft glitzernden Power-Pop mit einer dicht gewobenen Rock-Instrumentierung. Dabei bleibt selten ein Takt frei für Nachdenklichkeit, ein Solo, einen kurzen Bruch oder etwas Ruhe.

Der quirlige Art Rock läuft flüssig, entschlossen und fokussiert. Straight spielt das Quartett seine Songs, ohne Zaudern oder Zögern, fast immer mit einer Prise Soul. Punktuell streifen die Amerikaner noch die britischen New Romantic-Bands, klingen dabei aber nicht nach den 80ern ("Minimum Mistake").

Erstaunlich bleibt auf dieser Doppel-CD, dass es bei recht homogener Instrumentierung und relativ gleichbleibend hohem Tempo nie langweilig wird. Und, dass jeder Song so wirkt, als sei er genau der erste, den die Cold War Kids je aufgenommen hätten. Als müsste die ganze aufgestaute Energie raus.

Man kann sich der Platte wie einer idealen Radiofrequenz widmen: Die Compilation ist so aufgebaut, dass sie perfekt in Dauerschleife laufen könnte. Chronologisch werden alle Alben auf der ersten CD durchmessen, sie sind mit je ein bis drei Songs vertreten. Auf der zweiten Scheibe finden sich Aufnahmen, die nicht auf den Alben erschienen sind. Zwei Songs gab es überhaupt noch nie, einen weiteren nur für kurze Zeit. Etliche unbekannte Versionen früherer Titel runden das Ganze ab.

Drei Voraussetzungen sollten nun gegeben sein, um an der Sache Spaß zu haben. Mit der Stimme des Cold War Kids-Sängers muss man dringend klar kommen, denn auf ihn ist zwar unmissverständlich alles zugeschnitten. Doch empfindet man seine Stimme wohl nicht im klassischen Sinne als schön, schon eher als interessant bzw. markant. Nathan Willett singt stets mit dem Gestus der Dringlichkeit - alles, jeder Satz, scheint ihm ungemein wichtig zu sein. Dennoch versteht man teils nur mit Mühe die Texte, Gitarre oder Schlagzeug übertönen sie.

Zweitens sollte man damit klar kommen, wenn Traurigkeit, Schwermut und Melancholie durch schnelles Spiel und Vehemenz statt getragen langsamen Balladen vorgetragen werden. Ausnahmen bestätigen hier die Regel (z.B. "Fashionable"). Und drittens sollte man Menschen sympathisch finden, die genau wissen, was sie wollen: Die Cold War Kids biedern sich nicht an, sondern gehen konsequent ihren Weg. Umso überraschender sticht ein Song wie "Expensive Tastes" heraus, der so auch einem verwinkelt konstruierten Album von The The-Album entnommen sein könnte.

Aber warum überhaupt diese erweiterte Best-Of? Der Backkatalog dieser Band gleicht einem Chaos - das könnte ein Grund gewesen sein. Hinzukommen besagte neue bzw. quasi neue Songs: "Audience Of One" war 2009 eine Free Download-Single unter dem Titel "Audience". Die beiden schönen "Opium Tea" und "Minimum Mistake" erschienen bisher noch nie. Gerade "Opium Tea" glänzt als einer der intensivsten Songs der ganzen Doppelscheibe. Unbekannte Versionen sind "Romance Languages #1" als Gegenstück zu "Romance Languages #2" (2013), die Demofassung von "First" sowie die Liveaufnahme "Vacation In Chicago". "Goodnight Tennessee" gab es nur als Vorbestell-Goodie auf iTunes.

Auch in Sachen EPs haben es die Cold War Kids ziemlich übertrieben, von Doppel-EP bis Mini-Live-EP. Vergleichsweise wenige reguläre Alben gibt es dazu. Im Laufe der Zeit wieder vergessene Bonustracks finden statt ("Fashionable"), dazu viel Unveröffentlichtes, dafür Einiges doppelt und dreifach Veröffentlichtes (z.B. "Quiet, Please!") und unterm Strich relativ wenige Singles und Videos. Es bleibt der Eindruck, dass die Band unter ihren Erfolgsmöglichkeiten geblieben ist.

"We Used To Vacation" war eine dieser wenigen Singles und erzählt aus der Sicht eines Alkoholabhängigen von seinem Kampf gegen die Sucht. Lyrisch bedient sich der Text einer Zeile von Bob Dylans "Ballad Of A Thin Man" und wirft die Formulierung "This Will All Blow Over In Time" ab, die der Compilation ihren Titel leiht. Das treibende Schlagzeug und das nachdrücklich gespielte Piano erinnern an Ben Folds Five. Dennoch: Es wird nichts übertrieben, und trotz des ernsten Themas fühlt sich der Song relativ unbeschwert an.

Doch damit hört es mit Querverweisen auf andere Bands auch recht schnell auf. Etliche Tracks wie "Royal Blue" und "All This Could Be Yours" brillieren in puncto Melodieführung oder auch Keyboards-Einsatz. "This Will All Blow Over In Time" ist stimmungsintensiver und unterhaltsamer Indierock, der nichts mit Hipstertum zu tun hat.

Trackliste

Singles & Album-Tracks

  1. 1. Hang Me Up to Dry
  2. 2. We Used To Vacation
  3. 3. Hospital Beds
  4. 4. I've Seen Enough
  5. 5. Something Is Not Right With Me
  6. 6. Louder Than Ever
  7. 7. Royal Blue
  8. 8. Audience Of One
  9. 9. Miracle Mile
  10. 10. Lost That Easy
  11. 11. All This Could Be Yours
  12. 12. First

EP-Cuts & Unreleased Tracks

  1. 1. Vacation in Chicago (Live in Chicago, 2007)
  2. 2. First (Demo)
  3. 3. Opium Tea
  4. 4. Goodnight Tennessee
  5. 5. Coffee Spoon
  6. 6. Minimum Mistake
  7. 7. In Harmony in Silver
  8. 8. Quiet, Please!
  9. 9. Expensive Tastes
  10. 10. Romance Languages #1
  11. 11. Fashionable

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