laut.de-Kritik

... und Störtebeker jagt Nena ins verdiente Haifisch-Maul.

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Motto-Zusammenstellungen gibt es wie Sand am Meer. Viele überflüssig, manche ganz nett, doch so richtig gelungen sind sie selten. Einen dieser Glücksfälle stellt "Captain's Club: Bis Ans Ende Der Welt" dar. Das Hamburger Label Ferryhouse stellt eine höchst goutierbare Zusammenstellung klassischer und brandneuer Songs aus dem vermeintlich unzeitgemäßem Bereich Seemannslieder vor. Doch von altbackenem Stil-Staub ist hier keine Spur; dafür blasen allerlei kräftige Song-Brisen durch die Lautsprecher.

Beim Küsten-Nordlicht mit Generationen-übergreifender Marine-Tradition ist diese Platte natürlich in allerbesten Händen. So also gilt: Pfeifchen an, Stockfisch bunkern, Planken hoch und Segel setzen – denn draußen, auf den sieben Meeren, da wartet schließlich das wahre Abenteuer.

Zwölf deutschsprachige Acts verschiedenster Stilrichtungen stellen die Besatzung der CD. Die einzelnen Songs sind nicht einfach voneinander getrennt, sondern durch allerlei maritime Background-Soundcollagen zusammen gehalten, die jede Menge Meeresrauschen und klagendes Möwen-Geschrei feilbieten. Bereits das Intro erhöht die Spannung: Geschäftige Reeperbahn-Hintergrundkulisse, eine Club-Tür öffnet sich rostig knarzend – und schon sind wir mittendrin in Laith Al-Deens Version des alten Freddy Quinn-Heulers "5000 Meilen Von Zuhaus". Laith inszeniert den Opener als launigen Rumpel-Shuffle, voll betankt mit souligem Herzblut.

Nach Max Mutzkes annehmbarer Umsetzung von "Schön War Die Zeit" schlägt erbarmungslos ein Seeungeheuer zu: Ausgerechnet die unbedarfte Stimm-Fistel Nenas verhunzt den Klassiker "Seemann, Lass Das Träumen" in einer seelenlosen Art und Weise, dass gar dem Klabautermann Angst und Bange wird. Nena macht nicht Plaque, Nena macht Skorbut. Wie es richtig geht, beweist Diane Weigmann mit ihrer wunderbaren Eigenkomposition "Störtebeker". Hier stimmt einfach alles: Thema, Text und musikalische Umsetzung. "Hörst du bei Nacht die Möwen schrei'n / Sie um deine Seele wein' / Kehr um hol die Segel ein / Auf offner See vergoss'nem Blut zollst / Mit dem Leben du Tribut". Das hat Saft, das atmet Historie, da trant einfach beglückt der Walfisch.

El*kes Freibeuter lassen es mit "Auf St. Pauli Spielt der Johnny Mundharmonika" ebenfalls authentisch Hafenkneipen-fidel angehen, die freundlichen Schiffjungs von Paulsrekorder verpassen "Das Kann Doch einen Seemann Nicht Erschüttern" einen kräftigen Extrabreit-Wellengang. Malte Pittner besucht sehnsuchtstrunken den "Hamburger Veermaster".

Pohlmann lädt mit "Hey Brother Poor The Wine" zur ausgelassenen Bord-Party, und dann winkt mit Kim Frank auch schon das nächste ganz große Alben-Highlight. Hans Albers' sentimentalem "Leuchtturm" stülpt er eine intime Swing- und Jazz-Kapitänsjacke über, die die Gänsehaut mächtig in Wallung bringt. Keinen Grund für's Kielholen leisten sich auch Keimzeit feat. Jan Plewka: "Singapur" badet in unheilvoller Fliegender Holländer-Atmosphäre und gibt den Verlierern der See eine Stimme: "Von Der Segelspitze Bis Zum Kiel / Auf Diesem Schiff haben Alle Dasselbe Ziel / All unsere Träume und fernen Gedanken / Fallen in der Nacht mit dem Regen / Auf hölzerne Planken".

Ein prächtiger Seemanns-Schmaus wird da serviert, im Captain's Club und bedeutet weit mehr als den ersten wirklich legitimen Nachfolger der legendären ARD-"Haifischbar" aus den siebziger Jahren. Keine Spur von Käpt'n Iglo, hier haben noch Long John Silver und sein nimmermüder Papagei das Kommando. Ich hoffe doch sehr, dass dieser Club nicht nur zu dieser einen Gelegenheit öffnet – das schreit nach einer Fortsetzung!

Denn da warten doch noch auf der Schatzinsel "15 Mann auf des toten Mannes Kiste / Joho-hoo / Und die Buddel voll Rum!" Und jede Menge andere Jungs und Mädels da draußen an den Landesufern, mit unstillbarem Hunger nach echten Song-Sprotten und freudiger Erwartung auf abenteuerlich gesponnenes Seemannsgarn.

Bloß Nena, die überlässt man lieber dem weißen Hai.

Trackliste

  1. 1. Intro
  2. 2. 5000 Meilen (Laith Al Deen)
  3. 3. Schön War Die Zeit (Max Mutzke)
  4. 4. Seemann, Lass Das Träumen (Nena)
  5. 5. Auf St. Pauli Spielt Der Johnny Mundharmonika (El*ke)
  6. 6. The Last Goodbye (The Paces)
  7. 7. Störtebeker (Diane Weigmann)
  8. 8. Hey Brother Pour The Wine (Pohlmann)
  9. 9. Das Kann Doch Einen Seemann Nicht Erschüttern (Paulsrekorder)
  10. 10. Leuchtturm (Kim Frank)
  11. 11. Hamburger Veermaster (Malte Pittner)
  12. 12. Singapur (Keimzeit feat. Jan Plewka)
  13. 13. Bis Ans Ende Der Welt (Olesoul)

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