laut.de-Kritik

Nein, das ist NICHT der nächste Pop Smoke.

Review von

TikTok hat ein ganz neues Zeitalter des One-Hit-Wonders eingeläutet: Ein Zeitalter, in dem Niemande per Graswurzelbewegung in den Orbit katapultiert werden, für einen Song wirken sie wie Megastars und verschwinden dann ohne einen weiteren Ton. So ging es schon Arizona Zervas, Powfu, StaySolidRocky und vielen anderen Figuren, die trotz sofortigem Label-Signing und einer ganzen Menge Budget so schnell aus dem öffentlichen Bewusstsein verschwwanden, dass sie wahrscheinlich ihre eigenen Rappernamen schon vergessen, bevor die Labels sie als Karteileichen aus den Archiven schmissen. Aber so spurlos sie alle gekommen und gegangen sind, keine ihrer Geschichten ist so bescheuert und frustrierend wie die CJs.

Wer ist also dieser Manneken mit dem maximal generischen Rappernamen? Das ist der Typ, der hinter "Whoopty" steht, einem New York-Drill-Song, der durch die Gunst der Internet-Götter zum Top Ten-Hit wuchs. Der Erfolg wirkt gar nicht so unverständlich, wenn man sich die Nummer einmal anhört. Generische, aber verdammt druckvolle Drill-Bässe und ein extrem markantes, wenn auch zig-tausend Mal verwendetes indisches Vocal-Sample. Und dann kriegt der Dude für den Anfang der Hook das eine Adlib hin, das griffig genug war, um den Rest zusammenzusetzen: Das titelgebende "Whoopty", ein Grußwort aus der New Yorker Gangszene. Bleibt hängen, wie er das im Refrain verwendet.

Es ist also kaum eine Heldentat, die er da vollbrachte, aber effektiv genug. Was CJ auf der Nummer sonst liefert, zeugt trotzdem nicht gerade von einer Rap-Hoffnung: Ein holpriger, unroutinierter Flow, der durchklingen lässt, dass CJ noch nicht wahnsinnig lange rappt. Zeilen, die Schnipseln von Textblättern besserer Drill-Rapper zu bestehen scheinen. Ein bisschen Pop Smoke, ein bisschen Sheff G, sogar ein bisschen 6ix9ine, weil - wer hat schon Scham?

Aber wie alle TikTok-Erfolge mit einem viralen Hit schmeißen sofort die großen Labels ihre Kohle dahinter und tun so, als wäre er die große neue Entdeckung. Und weil die New Yorker Drill-Szene kulturell gerade ziemlich relevant ist, schmerzt es, dass statt talentierten Typen wie Sheff G, Fivio Foreign oder Raw Swish nun diese Schießbudenfigur als Nachfolger von Pop Smoke hochgeschrieben wird. Dieser Typ aus Staten Island ohne jede Kredibilität oder Vernetzung in der Szene wird nun deren Flaggschiff. Da müsste nun eine EP folgen, die dieser Herausforderung gewachsen ist.

Aber Pustekuchen: "Loyalty Over Royalty" ist beeindruckend nutzlos. Ohne den eingängigen Beat klingen seine amateurhaften Flows nur noch hilfloser, planlos wankt und torkelt CJ durch die Instrumentals und klaubt sich abgestandene Refrains aus den Phrasenresten seiner Kollegen zusammen. Allein "Politics" klingt dank gutem Beat ein bisschen eingängig, der Rest ist horrend, bestenfalls auf dem Niveau eines Typen auf WorldstarHipHop, dessen Video vielleicht 200.000 Views macht - bei einem Drittel Dislikes.

Dass Texte zurzit mal eher ins Phrasenhafte fallen, schockiert nicht. Aber selbst für diese Maßstäbe ist CJ grenzenlos uneigenständig. Es gibt keine Zeile auf dieser Platte, die man nicht anderswo wörtlich so schon gehört hat. Und weil dank seines Internet-Slang-B1- und Rap-Sprache-A2-Sprachniveaus die Zeilen im Schnitt drei bis sieben Wörter beinhalten, macht das für ein paar spektakulär unspektakuläre Parts. "With your bitch, she givin' me top now / I gotta stick to this guap now (guap), huh (guap) / You get shot down" - das sind Zeilen, die Anfänger in den Sessions freestylen, in denen sie drei Zeilen später verschüchtert wieder aufhören, weil sie sich im Gegensatz zu CJ selbst zuhören.

Sogar das krampfhafte Einflechten des "Whoopty"-Adlibs, um die Hörerschaft daran zu erinnern, warum man ihn noch mal kennt, spart er sich nicht für das klassische zweite Album des One-Hit-Wonder-Werdegangs auf. In weiser Voraussicht wusste er nämlich, dass diese zwanzig Minuten völlig charakterlosen C-Lister-Drills einer Erinnerung bedürfen, warum man das nun noch mal hört. Features aus relevanten Kreisen kriegt er keine, allein einer war schamlos genug, seinen Namen für dieses Label-Experiment herzugeben. Aber auch der French Montana-Verse auf "I'm Lit" klingt nur nach einem Kredit-Hai, der händereibend die schnelle Mark von dieser Rap-Eintagsfliege abknüpft.

Jesses, dieses Tape ist reine Zeitverschwendung. Wäre es schwer gewesen, eine kurze EP mit dem heißesten Sound der Stunde irgendwie kurzweilig und unterhaltsam zu machen? Mitnichten. Das bloße Minimum hätte gereicht, um Gemüter zufrieden zu stellen und den "Whoopty"-Hype zumindest ein bisschen zu verlängern. Aber CJ zeigt auf "Loyalty Over Royalty" nur eines: Er hat es nicht drauf. Und das zeigt er eindrucksvoll. Die EP ist ein Scherbenhaufen uninspirierter Beats, inkompetenter Flows und Phrasen, die er selbst kaum zu verstehen scheint. Wer New York-Drill hören möchte, der halte das hier bitte, bitte, bitte bloß nicht für repräsentativ.

Trackliste

  1. 1. Politics
  2. 2. Set
  3. 3. "BOP"
  4. 4. Whoopty
  5. 5. I'm Lit (feat. French Montana)
  6. 6. Goin' Up
  7. 7. Real One
  8. 8. Outro (Blessings)

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