laut.de-Kritik

Ein Piano umarmt die gesamte Welt - von Bach bis Bruno Mars.

Review von

Bugge Wesseltoft ist eine der großen norwegischen Musik-Ikonen. Mit Jazz-Guru Jan Garbarek arbeitete er bereits Anfang der 90er zusammen. Mit Nils Petter Molvaer erfand er den Nu Jazz fast im Alleingang. Doch zwischen elektrischen Experimenten, clubtauglichem Lounge und Ambient packt ihn zwischendurch immer wieder die Sehnsucht nach intimem Purismus. Dann stellt er die Steckdose ab und lässt nur den reinen Klang seines Pianos übrig. "Everybody Loves Angels" umarmt die Welt mit nichts weiter als einer schwarzweißen Tastatur.

Wesseltoft covert Lieblingslieder und bleibt auf diese Weise dem Format treu, ohne sich zu wiederholen. Wenn man hier von "covern" spricht, stimmt der Begriff höchstens formal. Wesseltoft geht weit über das gängige Modell hinaus und erfindet Evergreens von Altstars wie Johann Sebastian Bach ("Koral"), Bob Dylan ("Blowin' In The Wind"), Rolling Stones ("Angie"),Simon & Garfunkel ("Bridge Over Troubled Water") Jimi Hendrix ("Anbgel") oder Cat Stevens ("Morning Has Broken") komplett neu.

Als Vertreter der modernen Generation taucht sogar Bruno Mars' "Locked Out Of Heaven" auf. Dabei spielt er geschickt mit dem Reflex des Hörers: "Ach Gott, musste er sich denn ausgerechnet so totgenudelte Nummern wie Dylans Protest-Kamelle oder die ausgemerkelte Angie schnappen?"

Ja, musste er! Der Reiz liegt gerade in der Herausforderung, die komatösen Kandidaten zu revitalisieren. Das klappt vorzüglich. Selbst größte Dylan- oder Stevens-Muffel kommen an der wieder erlangten Strahlkraft dieser Nummern nicht vorbei. Zum einen, weil der Osloer als Solopianist ähnlich ausdrucksstark und versiert ist wie Keith Jarrett. Zum anderen weil er den Originalen so viel dekonstruierende Liebe entgegenbringt, wie Tori Amos in ihren berühmten Coverversionen.

Wesseltoft bündelt methodisch das maximale Gefühl ohne überflüssige, akademische Schlenker. Für die Aufnahmen zog er sich in die Entrücktheit einer alten norwegische Holzkirche zurück, die einen Steinway-Flügel beherbergt. Notenblätter blieben zu Hause. Er spielt die Songs einfach aus der Erinnerung und ergänzt fehlende Passagen wie bei einem Solokonzert mit eigenen Spontaneinfällen.

Genau dieser Mut, nebensächliche Teile wegzulassen und den frei werdenden Raum mit der eigenen Fantasie zu füllen, macht die Magie seiner Versionen aus. Seine Mischung aus minimalistischer Reduktion plus harmonisch perlender Improvisation pointiert die Stücke und legt ihre Essenz frei. Worte werden nicht länger benötigt. Ihr rein instrumentaler Klangkörper reicht zur Rückführung aufs Wesentliche vollkommen aus.

Gerade in unseren Zeiten voranschreitender, hektischer Wutbürgerlichkeit und enervierender politischer und sozialer Anspannungen steht dieses Album als entschleunigender Fels in der Brandung. Besonders der Bach-Track und "Salme" ("Psalm") vom dänischen Klassikkomponisten C.E.F. Weyse fungieren als spirituelle Wellenbrecher, die die tosende Sturmflut innen wie außen besänftigen.

Trackliste

  1. 1. Es Sungen Drei Engel
  2. 2. Bridge Over Trouble Water
  3. 3. Koral
  4. 4. Angel
  5. 5. Reflecting
  6. 6. Morning Has Broken
  7. 7. Salme
  8. 8. Blowing In The Wind
  9. 9. Angie
  10. 10. Locked Out Of Heaven
  11. 11. Let It Be

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