laut.de-Kritik

So seicht klangen Boss und E Street Band noch nie.

Review von

"Magic" würde wahrscheinlich das letzte Album mit der E Street Band sein, munkelte 2007 das Magazin mit dem direkten Draht zum Boss, der Rolling Stone. "Gegen Ende der Aufnahmen war ich so begeistert von der Rückkehr zur Pop-Produktion, das ich einfach weiter Songs schrieb", erklärt Springsteen jedoch knappe zwei Jahre später. Während der Tour zu "Magic" gingen er und seine Kumpels immer wieder ins Studio, um das vorliegende Material aufzunehmen.

Das mit dem Pop ist durchaus ernst zu nehmen. Streicher, Passagen aus "I Was Made For Loving You" von Kiss und "Spiel Mir Das Lied Vom Tod" von Ennio Morricone, dazu noch eine filmreife Story zwischen "Erbarmungslos" und "Thelma & Louise" - im Opener "Outlaw Pete" ziehen der Boss und Hofproduzent Brendan O'Brien alle Schnulzenregister.

"Alle Songs wurden sehr schnell geschrieben, meistens verwendeten wir den ersten Take und es war von Anfang bis Ende ein Riesenspaß", berichtet Springsteen weiter. Für die Beteiligten sicherlich, aber nicht unbedingt für den Zuhörer. Klingt "My Lucky Day" klassisch nach der E Street Band - also intensiv und mitreißend - mutet der Titeltrack doch zu sehr nach Anbiederung an. Die Tatsache, dass das Album unmittelbar nach der Vereidigung Barack Obamas herausgekommen ist, dürfte kein Zufall sein. Das Stück "Working On A Dream" soll gute Stimmung verbreiten, wovon auch ein albernes Sieben-Zwerge-Pfeifen zeugt.

Kompositorisch ist weder Springsteen noch seinen Mitstreitern ein Vorwurf zu machen. Zu letzteren gehört Keyboarder Danny Federici leider nicht mehr. Er starb im April 2008 an Krebs. "Wir sind alle erwachsen und wissen, dass es nur Rock'n'Roll ist … aber nein, das ist es nicht. Nachdem wir ein Leben lang erfahren durften, wie uns ein Mann jeden Abend aufs Neue verzauberte, fühlt sich das eher an wie Liebe", sagte Springsteen in seiner Grabrede. Liebe: Das ist es, was ihn und die Mitglieder der E Street Band zusammen hält.

Diesmal haben sie bedauerlicherweise zu sehr auf einen polierten Klang geachtet. Etwa in "Queen Of The Supermarket", in dem sich ein Mann in eine Kassiererin verliebt und der Boss sich sogar zu einem "fucking " bewegen lässt. Was haben die überladenen Streicher dort zu suchen? Eine Frage, die sich auf diesem Album zu oft stellt. Eine der wenigen Ausnahmen bildet das eingängige, aber gelungene "Good Eye", das an Paul McCartney erinnert. Mit gesampleter Mundharmonika und angestrengter Stimme hätte es das dritte Fireman-Album des Ex-Beatle um Längen verbessert.

Die letzten zwei Stücke bestätigen mal wieder, dass Springsteen sein Bestes aus sich hervorholt, wenn er von Schwierigkeiten und Hoffnungslosigkeit singt - von den sensationellen Seeger-Sessions mal abgesehen. Von kaum mehr als einer Gitarre begleitet, erzählt er von einem verzweifelten Zirkuskünstler mit gebrochenem Herzen ("The Last Carnival") und von einem abgewrackten Wrestler. Einen Golden Globe hat Springsteen mit dem Titeltrack zum gleichnamigen preisgekrönten Film mit Mickey Rourke gewonnen, für eine Oscar-Nominierung hat es erstaunlicherweise nicht gereicht.

"Working On A Dream" fügt sich nahtlos an "Magic" an. Ein schnell aufgenommenes Album, das die Aufbruchsstimmung in den USA musikalisch untermalt, wohl aber kaum das Zeug zum Klassiker hat. Davon gibt es in Springsteens Diskographie ja schon genug. Hoffen wir mal, dass die E Street Band noch eine letzte Chance erhält, sich mit etwas Rockigerem zu verabschieden.

Trackliste

  1. 1. Outlaw Pete
  2. 2. My Lucky Day
  3. 3. Working On A Dream
  4. 4. Queen Of The Supermarket
  5. 5. What Love Can Do
  6. 6. This Life
  7. 7. Good Eye
  8. 8. Tomorrow Never Knows
  9. 9. Life Itself
  10. 10. Kingdom Of Days
  11. 11. Surprise, Surprise
  12. 12. Last Carnival
  13. 13. Wrestler

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65 Kommentare

  • Vor 15 Jahren

    meine meinung ist: vollidiot! darf hier jeder ahnungslose spast ne kritik schreiben?
    klasse album.
    beknackte kritik

  • Vor 15 Jahren

    @WickerChair (« meine meinung ist: vollidiot! darf hier jeder ahnungslose spast ne kritik schreiben?
    klasse album.
    beknackte kritik »):

    darf ja auch jeder spast seinen senf zur kritik abgeben :D

  • Vor 15 Jahren

    Die leise durchschimmernde Enttäuschung von Mr. Benassi kann ich im Ansatz nachvollziehen.
    Das Album wurde bereits im Vorfeld seiner (offiziellen) Veröffentlichung andernorts wie kaum ein zweites äußerst kontrovers "diskutiert". Nachdem ich mancherorts vieles gelesen und auch den seit Tagen im Net existierenden Stream mit allen Songs hören konnte, stellen sich für mich die Kernfragen: DARF der Boss das? Darf er manchmal überbordend pathetisch ein Album mit viel Pop-Anteil recht schnell einspielen? Darf er die Fans vergangener Jahrzehnte, die von ihm (bewusst oder unterbewusst) offenbar ständig Meisterwerke erwarten, so vergraulen?
    Meine Antwort: er darf...und wie er darf.
    Mag es auch noch so abgedroschen klingen, aber dieser Mann braucht wirklich niemandem mehr zu beweisen, daß er als Singer und Songwriter allererste Klasse ist.
    Er darf ein solch "seichtes" (hört man des öfteren) Album aufnehmen, wenn es ihm und der E-Street-Band schlicht und ergreifend Spass macht und ein Bedürfnis ist. Und er braucht sich ebensowenig vor nichts und niemandem zu rechtfertigen, wenn er einen Song quasi um eine Supermarktverkäuferin herumstrickt. Der Track ist übrigens ganz wunderbar.
    Im übrigen wird der Mann in diesem Jahr runde 60 Jahre alt. Ob er jemals wieder zusammen mit der Band eine energetische Leistung wie weiland in Barcelona hinlegen kann, ist fraglich. Von daher denke ich auch nicht, daß er jemals wieder "richtig rocken" wird. Er täte meiner Ansicht nach auch gut daran, es nicht mehr zu tun, denn er zeigte sich bei der letzten großen Welttour in manch einem Konzert schon ein wenig müde und musste seinem Alter ein bissel Tribut zollen. Obwohl er natürlich einer der konditionsstärksten Fastsechziger im gesamten Musikbiz sein dürfte, aber auch an ihm nagt der Zahn der Zeit.
    Dieses Album halte ich für ein sehr gelungenes Werk in der Mitte von Spass und Bedürfnis, es genau zu diesem Zeitpunkt (natürlich) rauszubringen. Ohne den Anspruch an sich selbst, ein "großes" Werk schaffen zu müssen oder zu wollen.
    Springsteen tut das, was er im Grunde immer tat: er reibt und raspelt am American Way herum und arbeitet die Themen ab, die er im Grunde immer abgearbeitet hat. Nur diesmal ohne die Vorbereitung und das Austarieren über Jahre hinweg, sondern (mit gutem Timing natürlich) im Sauseschritt während und kurz nach der großen Tour.
    Das Album ist selbstverständlich bereits geordert...logischerweise die Limited Edition, darunter geht nix und es wird mir **** wert sein.

  • Vor 14 Jahren

    Mir gefällt das neue Album supergut!

    Erst dachte ich: "Was ist dass denn?" Aber je öfter man sich hinein hört, desto toller wird das Album. Stöpsel in die Ohren, Augen zu, wunderbar! Bis auf "Golden Eye". Das fand ausgerechnet der Kritiker toll......... :cool:

  • Vor 12 Jahren

    @WickerChair (« meine meinung ist: vollidiot! darf hier jeder ahnungslose spast ne kritik schreiben?
    klasse album.
    beknackte kritik »):
    Der Springsteen kann einem mit seiner Volksschulmentalität wirklich auf den Geist gehen. Wobei es
    mir überhaupt fraglich erscheint, ob der Springsteen jemals eine Schule besucht hat.
    Vielleicht wird er gerade deshalb vom einfachen, ungebildeten Volk als Halbgott verehrt.Psychologisch
    ist das einigermaßen erklärbar: Springsteen rebellierte in seiner Jugend einerseits gegen seinen Vater
    und versuchte ihm so wenig wie möglich zu gleichen; andererseits übernahm er dessen Werte aus der
    Arbeitswelt (u.a. Misstrauen gegenüber Intellektuellen) sowie dessen Begeisterung für Autos. Diese
    Ambivalenz kennzeichnet auch sein Verhältnis zur Musik.

  • Vor 12 Jahren

    In den meisten Songs erzählt der selbst ernannte Liedermacher Springsteen wie kaum ein anderer
    dümmliche Kurzgeschichten, die ihn bei den Fans weiterhin als "Gutmenschen" (Ist er's wirklich?)
    erscheinen lassen. Psychologisch ist das einigermaßen erklärbar: Springsteen rebellierte in seiner
    Jugend einerseits gegen seinen Vater und versuchte ihm so wenig wie möglich zu gleichen;
    andererseits übernahm er dessen Werte aus der Arbeitswelt (u.a. Misstrauen gegenüber
    Intellektuellen) sowie dessen Begeisterung für Autos. Diese Ambivalenz kennzeichnet auch sein
    Verhältnis zur Musik.
    Alles in allem wieder kein Album, das ohne Ohrenschmerzen gehört werden kann. Der Sound ist eine
    Katastrophe, die Instrumentierung untermalt unprononciert die Möchtegern-Lyrik in den Texten. Die
    verschiedenen Stimmexperimente sind, vor allem wenn sie zu hoch werden, mehr als
    gewöhnungsbedürftig. Man spürt richtig, wie Springsteen immer noch überzeugt ist von seinem "Vocal
    Pressing"- Schrei- und Krächzgesang und dabei die Töne aus sich herauspresst und die Augen
    zusammenkneift, als hätte er Verstopfung im Darmbereich. Diese habe ich beim Hören dieser
    katastrophalen Scheibe auch beinahe bekommen...