4. April 2014

"Ich war ganz unten"

Interview geführt von

Brody Dalle ist wieder zurück. Nachdem sich die Punkrock-Ikone und Ehefrau von QOTSA-Frontmann Josh Homme die letzten knapp fünf Jahre primär mit hausmütterlichen Aufgaben beschäftigt hat, macht sie dieser Tage mit ihrem ersten Soloalbum endlich wieder musikalisch von sich reden.

Maulfaul, divenhaft, unberechenbar: Brody Dalle hängt nicht gerade ein pressefreundliches Image an. Wir sind also vorbereitet, als wir uns mit der ehemaligen Distillers-Sängerin in Berlin zum Gespräch verabreden. Bereits nach kurzer Zeit stellen wir fest: Divenhaft? Nein. Unberechenbar? Nein. Maulfaul? Ja.

Hi Brody, mein Promo-Kontakt flüsterte mir eben noch schnell ins Ohr, dass du heute extrem müde und ausgelaugt seist. Du hast gestern hier in Berlin deine vorerst einzige Club-Show auf dem europäischen Festland gespielt. Kurze Nacht hinter dir?

Brody: Ja, die Nacht war ziemlich kurz. Das lag aber nicht daran, dass wir bis in die Puppen gefeiert haben. Mir steckt der Jet Lag einfach nur tierisch in den Knochen. Ich glaube, ich habe die letzten Nächte maximal zwei Stunden am Stück schlafen können.

Wie war's denn gestern?

Die Show war super. Wir waren zwar etwas spät dran, aber die Leute waren trotzdem gut drauf.

Der Gig zuvor in London soll ja nicht so toll gewesen sein.

Oh, ich liebe die Stadt. Aber mit lauter Musik haben's die Londoner irgendwie nicht mehr so. Die Stimmung war ok, aber nicht vergleichbar mit Berlin.

Noch mal zurück zum Jet Lag: Den hättest du dir auch ersparen können, wenn du einfach so weiter gelebt hättest wie die vergangenen knapp fünf Jahre. Gab's einen bestimmten Moment in der Vergangenheit, in dem dir klar wurde, dass du wieder zurück auf die Bühne willst?

Nein, eigentlich nicht. Es war eher ein Prozess. Ich bin gerne Mutter. Ich habe auch kein Problem damit, mich daheim um den Haushalt zu kümmern. Ich bin aber auch Musikerin. Irgendwann war ich einfach an einem Punkt angelangt, wo ich merkte, dass ich wieder bereit für Musik bin.

War von vornerein klar, dass es in Richtung Soloalbum gehen würde?

Nein, nicht wirklich. Ich wusste einfach nur, dass ich wieder Musik machen will. Zuerst habe ich versucht, alte Distillers-Erinnerungen wieder zu reanimieren. Ich traf mich mit Andy (Andy Granelly, Drums), und wir spielten einfach drauf los. Aber irgendwie kam nur wenig bei rüber. Dieser Vibe von früher war verflogen. Die ganzen Sessions fühlten sich schwer und zäh an. Danach setzte ich mich hin, schrieb Songs und startete mein eigenes Ding. Ich entschied mich für den Chefsessel. Das war ein gutes Gefühl.

"Josh ist ein großartiger Vater"

Du warst auch bei deinen ehemaligen Bands die unbestrittene Chefin im Ring. Worin lag der Unterschied?

Wenn man in einer Band spielt, deckt man ein gewisses Spektrum ab. Das ist wie ein Korsett, aus dem man sich nur schwer befreien kann. Als Solo-Künstler kann man machen, was man will. Man bestimmt den Sound, die Instrumente und die Leute, mit denen man gerne zusammen arbeiten will. Es ist ein viel freieres Arbeiten. Das ganze Projekt steht und fällt mit meinem Namen. Man hat auch keine zeitlichen Verpflichtungen. Die einzige, die bestimmt, wann, wo und wie etwas gemacht wird, bin ich. Das ist zwar viel Verantwortung, aber bedeutet auch viel Freiraum. Ich bin auf jeden Fall auf den Geschmack gekommen und denke, dass dieses Album erst der Anfang ist. Ich werde definitiv noch weitere Soloalben veröffentlichen.

Du hast alle Songs geschrieben, die meisten Instrumente selbst eingespielt und das Album auch noch co-produziert. Dennoch hast du es dir nicht nehmen lassen, die eine oder andere Feature-Einladung rauszuschicken. Nach welchen Kriterien hast du letztlich Entscheidungen gefällt?

Ich habe einfach aus dem Bauch heraus entschieden. Nick Valensi von den Strokes kenne ich schon länger. Ich liebe seine Art Gitarre zu spielen. Er hat dieses unvergleichliche Gespür für voluminöse Harmonien. Das gefällt mir. Michael Schuman von den Queens ist ein toller Bassist und jemand, mit dem es einfach Spaß macht zu arbeiten. Shirley Manson (Garbage) und Emily Kokal (Warpaint) habe ich eingebunden, weil ich unbedingt auch einige Mädels dabei haben wollte (lacht). Beide haben tolle Stimmen. Ich hatte viele Anfragen, aber irgendwie schon ziemlich früh eine genaue Vorstellung davon, wer in Frage kommt. Ich bin auf jeden Fall sehr glücklich und zufrieden mit den ganzen Zuarbeiten.

Was ist mit Josh Homme?

Was soll mit ihm sein?

Nun ja, er ist dein Ehemann und nicht zuletzt Frontmann einer nicht gerade unbekannten Rock-Band namens Queens Of The Stone Age. Sein Name fehlt allerdings im Booklet.

Das liegt wohl daran, dass er nicht involviert war (lacht).

Das dachte ich mir schon. Ich frage mich nur, warum er nicht involviert war?

Einer von uns beiden muss sich ja schließlich um die Kids kümmern, wenn der andere arbeitet.

Josh Homme inmitten von Lego-Steinen und bunten Luftballons. Ein herrliches Bild, wie ich finde.

Er ist ein großartiger Vater und liebt seine Kinder über alles. Aber ich weiß natürlich, was du meinst. Der Josh auf der Bühne hat allerdings nur sehr wenig mit dem Josh im Kinderzimmer zu tun. Das gilt übrigens auch für mich (lacht).

Es gab Zeiten, da hätte ich nach derartigen Aussagen eher ungläubig die Augenbrauen zusammengezogen. Was läuft mittlerweile anders?

Oh, so einiges (lacht). Wir sind erwachsen geworden. Ich denke, das ist der Schlüssel. Wir sind verheiratet, haben zwei wundervolle Kinder und tragen jetzt natürlich eine ganz andere Verantwortung. Es geht nicht mehr nur um uns. Das ist das Entscheidende. Wir hängen zwar noch an unseren Wurzeln, aber wir gehen heute anders mit ihnen um. Punkrock spürt man vor allem im Herzen. Wir müssen nicht mehr so laut und aggressiv lospoltern wie früher, um uns wie Outlaws zu fühlen. Das funktioniert auch super im stillen Kämmerlein.

"Drogen sind die Hölle"

Keine Exzesse mehr? Keine Drogen mehr?

Natürlich feiern wir hin und wieder noch gerne. Da fließt dann auch mal das eine oder andere Bier zu viel. Aber mit härteren Sachen haben wir nichts mehr am Hut. Ich hatte jahrelang Depressionen und wusste an manchen Tag nicht einmal mehr wo und wer ich überhaupt bin. Rückblickend steigt in mir eine regelrechte Wut auf mich selbst auf, wenn ich an all die verlorenen Stunden und Tage denke, die ich mit Drogen kaputt gemacht habe.

Im Grunde genommen gibt es eigentlich nichts Schlimmeres als das eigene Ich zu verlieren. Wenn man nicht mal mehr in der Lage ist, die Sonne vom Mond zu unterscheiden, dann ist man ganz unten angelangt. Ich war ganz unten. Ich war sogar ziemlich lange ganz unten und habe dabei nicht nur mich, sondern auch viele Menschen in meinem Umfeld verletzt. Drogen sind die Hölle. Erst locken sie dich mit heißen Versprechungen und dann kochen sie dich bei lebendigem Leib. Diese Zeiten sind zum Glück vorbei. Ich habe meine Meth-Abhängigkeit überwunden und fühle mich besser denn je.

Das merkt man auch, wenn man dein neues Album hört. Trotz diverser Rotz-Passagen versprüht es doch einen sehr positiven Vibe – zumindest im Vergleich zu deinen älteren Werken.

Ja, absolut. Ich hinterfrage sehr viel auf diesem Album, wenngleich auch auf sehr subtile Art und Weise. Inhaltlich geht es oftmals um Stehaufmännchen-Situationen. Es geht um das Leben an sich, mit all den Rückschlägen und Tiefpunkten, vor denen man nun mal nicht so einfach davonlaufen kann. Auch ohne Drogen in der Blutbahn kann das Leben mitunter sehr schwer und hart sein. Ich wollte einfach einige Kapitel meines Lebens schließen und mir ein musikalisches Paket schnüren, das mich ein Stück befreit. Das habe ich geschafft. Wenn es jetzt auch noch Leuten da draußen gefällt, wäre das natürlich noch schöner.

Wie haben deine Berliner Fans denn gestern auf die neuen Stücke reagiert?

Oh, super. Ich glaube, wir hatten vier oder fünf Songs vom neuen Album mit im Set, die allesamt toll aufgenommen wurden. Bei "Rat Race" sind die Leute richtig gut abgegangen. Auch "Don't Mess With Me" und "Meet The Foetus/Oh The Joy" kamen gut an. Es war einfach schön zu sehen, dass die Leute nicht nur da waren, um alte Distillers- oder Spinnerette-Klassiker abzufeiern. Sie hatten auch Lust auf Neues. Sie waren neugierig. Das war toll.

Ich würde zum Abschluss nochmal gerne auf deinen Gatten zurückkommen. Seit Jahren warten eure Anhänger auf die Veröffentlichung einiger Cover-Songs, die ihr vor geraumer Zeit in eurem hauseigenen Studio zusammen aufgenommen habt. Wie schaut's dahingehend aus?

Das ist momentan überhaupt kein Thema bei uns. Josh ist permanent mit den Queens unterwegs und ich starte gerade mein eigenes Ding. Da bleibt nicht viel Zeit für andere Sachen.

Kommt aber noch?

Ich denke schon. Ich kann nur noch nicht sagen, wann. Es sind einige sehr schöne Stücke entstanden, über die ich allerdings nicht im Einzelnen sprechen möchte.

Schade.

Vorfreude ist doch bekanntlich die schönste Freude. Wie gesagt, ich denke schon, dass wir die Stücke irgendwann einmal veröffentlichen werden. Im Moment stehen aber andere Dinge an erster Stelle.

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1 Kommentar

  • Vor 6 Jahren

    dieses "früher war ich ein böses mädchen und dass ich drogen genommen hab, oh jee , die waren schuld dass ich ganz unten war" gesülze KANN ich mir nicht mehr reinziehen , ich muss kotzen, Dalle ! und dein lieber Josh ? ich hab ihn voll auf koks gesehn - und das is noch keine paar monate her. ich bin ne alte, drogen-bitch mit nem geilen musikgeschmack. viel spass noch mit deiner ehe & blagen - der punk brennt noch immer in den venen was ? verarsch dich doch nicht selbst, babe.