laut.de-Kritik

Für Hirntot-Verhältnisse fast schon massenkompatibel.

Review von

Wenn es einem Label zusteht, sich den Ehrentitel "Zu Hart Für Den Staat" ans Revers zu heften, dann mit Sicherheit den Berlinern um Hirntot Records. Auseinandersetzungen mit der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien durchziehen ihre Historie. Bei mehr als 20 Alben des Unternehmens senkte die Behörde bereits den Daumen. Veröffentlichungen wie "Friss Oder Stirb", "1. Mai Steinschlag" oder "Schlachthof" unterliegen sogar einem absoluten Verbreitungsverbot.

Wie sich im Interview zeigte, sieht Blokkmonsta einige Songs rückblickend auch in einem kritischeren Licht. Selbstredend weicht er dennoch nicht fundamental von seinem Weg ab. Gemeinsam mit dem Teilzeit-Atzen Smoky präsentiert der Rapper eine Fortsetzung zur Kollaboration "Zu Hart Für Den Markt".

Mit dramatischen Bläsern und Chören gedenken sie zum Einstieg in "Copy Cat" den Trittbrettfahrern der Szene. Ihre Alleinstellungsmerkmale betonen sie erneut in "Gewaltbereit": "Die Hälfte aller Rapper produzieren Einheitsbrei." Neben der mörderischen Vorabsingle orientieren sich vor allem "Echt Oder Fake" und "Versuch Doch" am Südstaaten-Vibe des letzten Albums.

In "Der Apfel Fällt Nicht Weit Vom Stamm" befassen sich die beiden Rapper mit den problematischen Verhältnissen zu ihren Vätern. So klagt Smoky über dessen Abwesenheit: "Ich bin fast so wie mein Vater, ein Soldat in 'nem Panzer." Dabei steht die Panzerung eigentlich Blokkmonsta besser, dessen "Psychomacken" sich hinter der brachialen Fassade verbergen: "Wie mein Vater auch kämpf' ich mich durchs Leben durch. In den Bau rein, raus, ständig Lebensfurcht." "Wie der Vater, so der Sohn, sagt ein weiser Mann", klingt bei ihnen wie die Angst vor der selbsterfüllenden Prophezeiung.

Eine amüsante Note erhalten die Songs, wenn die Berliner auf Vorbilder Bezug nehmen. "Ich Zahle Auch Nix!" setzt ungefragt "Ich Zahle Gar Nix" aus "Der Holland Job" fort, ohne dabei die Eskalationsstufe von Haftbefehl und Xatar überflügeln zu wollen. "Rote Wolken" kommt wiederum als Horror-Parodie auf Marterias "Lila Wolken" daher. Während Blokkmonsta und Smoky die lebensbejahende Aussage des Rostockers in ihr Gegenteil verkehren, mimt Mona Mie Miss Platnum: "Wir bleiben wach bis die Wolken wieder rötlich sind. Guck', da unten ist ein neues Grab."

Ähnlich wie "Rote Wolken" durchschreitet auch "Nightrider" für Hirntot-Verhältnisse fast schon massentaugliches Terrain. Ein Synthie-Beat mit ansehnlichen Bässen und nervösen Hi-Hats trifft auf einen gesungenen Refrain von Puls. Diesem Highlight gegenüber stehen Songs wie "Zap-Za-Rap", "Rücken Brechen" und "Schwarze Maske, Rotes Tuch", die mit ihren minimalistischen Trap-Beats und eindimensionalen Inhalten als eher verzichtbar erscheinen. Auch "Waffen Im Club" mit Rako und Lucky Nuri lässt sich problemlos anhand seines Titels zusammenfassen.

Zum Abschluss wagen sich die Berliner in "Lass Sie Stecken" erneut an deutlich positiveren Vibes. Vor allem Smoky stellt die Zweckmäßigkeit von ausartenden Streitigkeiten in Frage ("Überlege zweimal: Lohnt es sich jetzt einzufahren?") und pocht stattdessen auf das Verantwortungsbewusstsein: "Kind ohne Vater ist auf jeden Fall ein Drecksziel." Blokkmonsta fällt die Impulskontrolle dagegen deutlich schwerer. Doch auch wenn er "untherapierbar" bleibt, übt er sich in kritischer Selbstreflexion: "Warum mach' ich den Scheiß, wenn ich weiß, Trauer und Leid für Familie der Preis?"

So endet das Kollaboalbum auf versöhnliche, fast schon pädagogisch wertvolle Weise. Über die ganze Spieldauer betrachtet, halten sich die akustischen Gräueltaten in Grenzen, sodass sich das Prädikat "Zu Hart Für Den Staat" nicht ganz bestätigen lässt. Diesen Punkt haben Blokkmonsta und Smoky aber ohnehin längst überwunden. Sie haben die Justiz durchgespielt und müssen ihre Scharfkantigkeit nicht länger belegen. Oder, um es mit einem aus dem Zusammenhang gerissenen Smoky-Zitat zu sagen: "Muss mich nicht beweisen, Kleiner. Bin zu alt für diesen Scheiß."

Trackliste

  1. 1. Copycat
  2. 2. Legenden Im Dschungel
  3. 3. Versuch Doch
  4. 4. Gewaltbereit
  5. 5. Der Apfel Fällt Nicht Weit Vom Stamm
  6. 6. Ich Zahle Auch Nix!
  7. 7. Echt Oder Fake
  8. 8. Nightrider (mit Puls)
  9. 9. Rote Wolken (mit Mona Mie)
  10. 10. Zap-Za-Rap (mit Crackaveli)
  11. 11. Rücken Brechen
  12. 12. Schwarze Maske, Rotes Tuch
  13. 13. Waffen Im Club (mit Rako und Lucky Nuri)
  14. 14. Lass Sie Stecken (mit Mona Mie)

Weiterlesen

LAUT.DE-PORTRÄT Blokkmonsta

Ruhm verteilt sich nicht immer fair. Nicht immer sind Kriterien wie Talent oder Fleiß schlagzeilengebende Faktoren. Manchmal reicht es auch, auf einer …

LAUT.DE-PORTRÄT Smoky

"Cuban Link, Kool G Rap, Three 6 Mafia: Wenn du nicht bei Smoky an der Wand warst, warst du aber auch wack." Bereits 1995 lernt der zwölfjährige Smoky …

5 Kommentare mit 9 Antworten