laut.de-Kritik

Eine knackige Hommage an die Heimat.

Review von

Man stelle sich die Szenerie vor: Mit Kindheitsfreunden in einer warmen Sommernacht an einem Lagerfeuer zusammensitzen und die alten Zeiten Revue passieren lassen. Toni packt die Gitarre aus, Nadine und Paul holen schon einen neuen Kasten Bier, Tom steckt sich in der Ecke eine ordentliche kubanische Zigarre an. Die Sonne verschwindet langsam hinter dem Horizont. Genau nach diesem Gefühl klingt Blackberry Smokes siebtes Studioalbum "You Hear Georgia". Nach 20 Jahren Bandgeschichte kehrt das Quintett um Frontman Charlie Starr zu seinen Wurzeln zurück und hat dabei den bandtypischen Genremix aus Southern-Rock, Country, Blues, Rock'n'Roll und ordentlich viel Groove im Gepäck.

Der Opener "Live It Down" liefert einen arenareifen Chorus, der sich spätestens nach dem zweiten Hören ins Gehirn brennt und einen fulminanten Einstieg in die klangliche Welt der Gruppe bereithält. Schon die erste Line des Titeltracks "You Hear Georgia" rechnet hingegen in zynisch lässiger Cowboy-Manier mit dem weit verbreiteten Klischee des ungebildeten Südstaatlers ab: "You hear Georgia when I open my mouth, don't make no difference what I'm talking about." Spätestens die vorab erschienene Single "Hey Delilah" löst mit Hilfe von entfesselten Gitarrenparts und stakkato gespieltem Honky-Tonk-Geklimper jegliche Verspannungen im ganzen Körper.

Bereits im ersten Drittel des Albums zeichnet sich ab, dass sich die Zusammenarbeit mit dem ebenfalls aus Georgia stammenden Produzenten Dave Cobb gelohnt hat. Dass Southern Rock zu Cobbs Spezialitäten gehört, spiegelt sich deutlich in der technischen Qualität der Songs wider. Gerade seine Vorliebe für analoge Aufnahmen kommt dem Sound des Albums zugute. Von beißenden E-Gitarren bis hin zu satten Drums und klaren Gesangsharmonien ergibt sich ein kohärentes Gesamtbild, das zu keinem Zeitpunkt seinen roten Faden verliert und die verschiedenen Genreeinflüsse stimmig miteinander vereint.

In der Folge findet deshalb auch endlich die zu erwartende Country-Abzweigung ihren Platz. Die Umsetzung ruft dabei allerdings eher gemischte Gefühle hervor. "Lonesome For A Livin'" tölpelt bis zum finalen Duett von Starr und Southern-Rock-Gefährte Jamey Johnson ziellos vor sich hin und lässt das gewisse Etwas einer derart hochkarätigen Zusammenarbeit vermissen. "Old Enough To Know" kreiert wiederum mit gefühlvoll gezupfter Akustikgitarre, punktuellen E-Gitarren-Slides und tiefsinnigen Lyrics eine intime Atmosphäre, die nicht nur jedem Wort eine packende Bedeutung zuschreibt, sondern auch zum Nachdenken über das eigene Leben anregt.

"Morningside" entpuppt sich schnell als heimliches Highlight, nicht zuletzt durch das wohl ambitionierteste und beste Gitarrensolo der gesamten Platte. Der Roadtrack "All Over The Road" verspricht hingegen genau das, was der Titel bereits vermuten lässt. Der Breakdown in der Mitte des Songs schaltet dann aber unerwartet zwei Gänge runter, jedoch nur am im Finale noch einmal richtig Gas zu geben. "Ain't The Same", die Warren-Haynes-Kollaboration "All Rise Again" sowie der Abschlusstrack "Old Scarecrow" stechen zwar nicht als Besonderheit aus der Masse heraus, tragen aber trotzdem solide ihren Teil zum einheitlichen Bild des Albums bei.

Während die Band in ihren Anfangsjahren noch Probleme hatte, einen etablierten Platz in der Musikwelt zu finden, holt sie mit "You Hear Georgia" inzwischen alte Fans ab und hält die Tür für neues Publikum zugleich aber weit offen. Lediglich gegen Ende der 40-minütigen Zeitreise fühlt man sich ein bisschen wie die eine außenstehende Person, die in anfangs genannter Szenerie aus Zwang mitgeschleppt wird, niemanden kennt und eigentlich überhaupt nicht weiß, worüber gerade noch philosophiert wird. Zumindest sofern man nicht zufällig ein Georgia-Local ist.

Blackberry Smoke genießen es aber dennoch, Vorurteile über die Menschen aus Amerikas Süden wie ein Schwamm aufzusaugen und in hochwertige Songs zu verwandeln, die Stereotypen keine Chance lassen. Nostalgie gepaart mit ordentlich Wumms und dazu eine simple, wenn auch durchdachte lyrische Qualität, die viele einer Southern-Rock-Band auf Anhieb wahrscheinlich nicht zutrauen würden. Viel mehr ist "You Hear Georgia" letztendlich nicht, will es aber auch gar nicht sein. Und das ist in diesem Fall genau richtig so.

Trackliste

  1. 1. Live It Down
  2. 2. You Hear Georgia
  3. 3. Hey Delilah
  4. 4. Ain't The Same
  5. 5. Lonesome For A Livin' (feat. Jamey Johnson)
  6. 6. All Rise Again (feat. Warren Haynes)
  7. 7. Old Enough To Know
  8. 8. Morningside
  9. 9. All Over The Road
  10. 10. Old Scarecrow

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