5. April 2018

"Ohne Hits wirst du nie zum Sell-Out!"

Interview geführt von

Ende der Achtziger rekrutierte Ozzy Osbourne den damals 19-jährigen Zakk Wylde für seine Soloband und begünstigte damit dessen Aufstieg zu einem der ikonischsten Rockgitarristen überhaupt. Inzwischen ist Wylde 51 und nach längerer Pause wieder mit Ozzy vereint. Wir trafen den selbsternannten Berserker vor einem Konzert seiner Black Label Society.

Dass Zakk Wylde gut drauf ist, ist schon vor unserem Gespräch nicht zu überhören. Die verschlossene Tür des Interviewraums dämmt die dröhnende Stimme des Amerikaners nur mäßig, in schöner Regelmäßigkeit durchsetzt er seine Erzählungen mit lautem Gelächter. Dann geht die Tür auf, Wylde verabschiedet sich von der Vorrednerin mit einer Umarmung, stampft in voller "Black Label Society Germany"-Montur und mit breitem Grinsen im Bart auf dich zu, begrüßt dich ebenso herzlich. Dann latscht er zur Kaffeemaschine, besucht kurz die Bandkollegen im Nebenzimmer, kommt zurück und beginnt einen Monolog über Anal bleaching, Nagellack und Lippenstift.

Was treibst du eigentlich dieser Tage auf Tour? Nach all den Jahren hast du vermutlich schon alles gesehen oder?

Zakk Wylde: Ach, ich war heute schon schwer beschäftigt. Ich hatte einen Anal-bleaching-Termin, danach hab' ich mir noch die Beine rasiert. Später muss ich mir noch überlegen, welchen Nagellack ich für meine Zehen verwende. Er muss zu meinen Netzstrümpfen passen.

Klingt nach einer Hammer-Show heute Abend.

Tanz, Tanz und noch mehr Tanz! Wir werden tanzen ohne Ende. Wenn du denkst, du könntest nicht noch heftiger tanzen, legen wir noch eine Schippe drauf.

Wie das Video zu "Room Of Nightmares" belegt, in dem ihr bei einem Kindergeburtstag auftretet, etabliert ihr euch gerade als Partyband. Solltest du eines Tages aus welchem Grund auch immer nicht mehr durch die Welt touren können, könntest du dir vorstellen, deinen Lebensunterhalt als Partymusikant zu verdienen und zum Beispiel von Hochzeit zu Hochzeit zu tingeln?

Zweifellos. In diesem Video spielen wir auf der Geburtstagsfeier eines 11-Jährigen. Es existieren auch noch Aufnahmen von uns bei Bar Mitzwas, Beschneidungen, Sweet Sixteens, Abschlussbälle, Hochzeiten .. that's what we do!

Was kostet ihr pro Abend?

Ach, das hängt immer von der individuellen finanziellen Situation ab. Für die Geburtstagsfeier des 11-Jährigen bekamen wir 100 Kröten. 100 Kröten sind gutes Geld. Davon kann ich mir neue Feinstrumpfhosen fürs nächste Black Label-Konzert kaufen.

Oder Nagellack.

Ganz genau!

Humor spielte in deiner Musikerkarriere immer eine große Rolle. Aber es ist ja nicht alles Friede-Freude-Eierkuchen. Deine Texte klingen bisweilen auch recht düster.

Wir haben einfach gern 'ne gute Zeit. Du kannst nicht immer alles bierernst angehen. In den Texten schreibe ich lieber über die Realität des Lebens, das hat für mich mehr Gewicht und geht tiefer als Zeilen über Einhörner und Zuckerwatte. Die traurigen Lyrics balancieren wir aus, indem wir ein Haufen idiotischer Knalltüten sind. So hält sich das ganz von selbst im Gleichgewicht.

In der Öffentlichkeit gibst du dich eigentlich immer gut drauf. Gibts etwas, das dich wirklich wütend macht?

Nee, nicht wirklich. Politik, der Zustand der Welt, was auch immer gerade los ist – ich lasse mich von diesem dummen Zeug nicht runterziehen. Lieber konzentriere ich mich auf die wichtigen Dinge im Leben: Lipgloss muss zum Nagellack passen. Du musst einfach Priorität setzen.

"Ich war geschockt, als ich von Nick Catanese hörte."

Deine neue Platte heißt "Grimmest Hits". Sie ist zwar keine Compilation, aber stell dir mal vor, du müsstest eine unter diesem Titel zusammenstellen – mit Hits von anderen Künstlern. Welche Tracks müssen auf jeden Fall drauf?

Na, natürlich Hits, die keiner kennt. "Stairway To Heaven", "Free Bird", "White Christmas" zum Beispiel. (lacht) Unsere Devise für den Albumtitel war nämlich: Wir haben keine Hits, also können wir kein Greatest Hits-Album zusammenstellen. Auch auf der neuen Platte gibts keine Hits, deswegen heißt sie "Grimmest Hits" und nicht "Greatest Hits", haha! Das Gute daran, keine Hits zu haben ist: Du wirst niemals zu einem Sell-Out werden. Wir bleiben lieber Underground – Keller-der-Eltern-Style!

Stimmt es, dass du heutzutage hauptsächlich "Deadline-Songwriting" betreibst? Sprich, sobald du z.B. die Vorgabe hast, dass in drei Wochen Songs für ein Album fertig sein sollen, fängst du erst an?

Ja, ich glaube jeder arbeitet effektiver auf diese Weise. Sonst hast du ja permanent Urlaub. Ich schätze mal, das ist bei dir dasselbe: Ein Magazin setzt dir eine Deadline bis Dienstag, du weißt: "Okay, bis dahin muss ich das fertigkriegen." Also haut man das Zeug bis zur Deadline raus und schwups geht's zurück zu Pornos und Genitalzerstörung – dem Wichtigen im Leben. (lacht)

Das heißt, du sammelst keine Riffs mehr, zum Beispiel auf Tour?

Doch, klar. Wenn ich über was Cooles stolpere, zum Beispiel beim Soundcheck, versuche ich schon etwas draus zu machen, experimentiere zum Beispiel ein bisschen im Klang. Inspiration ist immer gut. Die Grundlagen für "Trampled Down Below", "All That Once Shined" und "The Only Words" entstanden in einem Hotelzimmer. Aber du entwickelst auf Tour auch eine gewisse Routine, bist im Show-Modus und versuchst eher vom Schreiben wegzukommen. Der Großteil der Songs entsteht erst, wenn der Studiotermin steht. Dann habe ich vielleicht 20 Tage Zeit, bis die Jungs zum Aufnehmen kommen, also hocke ich mich fortan jeden Tag hin und arbeite an Stücken.

Seit wann handhabst du das so?

Das lief bisher bei allen Black Label-Platten so. Ich gehe immer mit fast leeren Händen in den Prozess. Sobald du drin bist, kommt die Inspiration von ganz allein – alles klingt geil mit Kopfhörern auf dem Schädel: Die Gitarren wummern, das Schlagzeug donnert...

Black Label Society war schon immer etwas mehr als eine Band. Du behandelst es wie einen Lifestyle und durch die Kuttentradition erinnert das Ganze an einen Motorradclub – obwohl es das ausdrücklich nicht sein soll, wie du mehrfach betont hast.

Dafür spielen wir Bowling und Ping Pong. Wir sind schlecht in beiden, aber was solls... Für mich ist die Black Label Society einfach eine riesige Versammlung Gleichgesinnter. Sie ist größer als nur eine Band oder ein Typ – wie bei The Grateful Dead!

Hast du Fans getroffen, die das Ganze etwas zu ernst nehmen?

Oh ja. Aber dadurch entstehen auch coole Dinge. Ich hab' ein Paar getroffen, das dank Black Label Society geheiratet hat. Er trug einen Black Label-Patch, sie ein Black Label-Shirt, darüber kamen sie ins Gespräch und schwuppdiwupp standen sie vor dem Altar. Gehst du in eine Bar und siehst einen Typen mit Black Label-Stuff hast du sofort ein Gesprächsthema. Wir bringen Leute an allen Orten der Welt zusammen. Im Crackhaus, in der Kirche, im Pub, im Puff – good times, Freundschaften für die Ewigkeit, Black Label brachte uns zusammen!

Bei dir hats mit dem Heiraten auch schon ohne Black Label Society geklappt, nicht wahr?

Oh ja, ich kenne meine Frau seit der sechsten Klasse. Seitdem betäube ich sie gewissenhaft. Sie hat weder eine Ahnung, dass sie mit mir zusammen ist noch, welcher Tag heute ist, da ich die Dosis immer schön hoch halte. Aber sie wirkt stets glücklich – immerhin ist sie total stoned, hehe. Würde sie aufwachen, würde sie sich wahrscheinlich fragen: "Was zur Hölle habe ich mit meinem Leben angestellt?"

Du hast mir gerade ziemlich den Übergang versaut, jetzt wirds geschmacklos... Ein alter Black Label-Bruder – Nick Catanese – stand kürzlich im Zentrum der #metoo-Bewegung.

Oh, scheiße. Ja, das stimmt.

Stehst du eigentlich noch in Kontakt mit ihm?

Nein, ich habe nicht mehr mit ihm gesprochen, seit er die Band verlassen hat. Er schnitt mich komplett ab und ich hatte seitdem keinerlei Kontakt mehr zu ihm. Als die Nachricht kam, war ich genauso geschockt wie alle anderen. Nick war fast 17 Jahre lang Teil der Band und so wie ich ihn kannte, hätte ich nie gedacht, dass es einmal so enden würde. Er behandelte jeden mit Respekt. Als ich zum ersten Mal von dem Vorfall hörte dachte ich: "Du verarschst mich doch?" Nicht gut, Mann, gar nicht gut.

In der Musikindustrie ist Sexismus immer wieder ein Thema. Du bist seit Dekaden mittendrin, siehst du eine Veränderung über die Jahre?

Ich glaube, das ist mehr ein Thema des Lebens an sich. Verrückte Scheiße passiert – ob du in einer Rockband spielst oder nicht. Genauso kann sich plötzlich herausstellen, dass dein Nachbar wegen dreifachen Mordes gesucht wurde. Damit rechnest du auch nicht, wenn er fünfzehn Jahre lang neben dir wohnte – doch eines Tages nimmt man ihn hoch. You never know...

"Wenn wir pleite gehen, gibts noch eine dritte Abschiedstour"

Lass uns noch kurz über Ozzy Osbourne sprechen. Du bist wieder in der Band, seine Abschiedstour startet im April, bis kurz vorher bist du noch mit Black Label Society unterwegs. Wie laufen denn die Vorbereitungen?

Naja, wir spielten ja vor nicht allzu langer Zeit schon ein paar Shows zusammen. Ehrlich gesagt ist es ein Wunder, dass wir überhaupt ein Konzert zustande kriegen – wir kugeln uns ständig vor Lachen bei den Proben! Häng zwei Minuten mit Ozzy ab und du kriegst dich nicht mehr ein. Er macht sich ständig über sich selbst lustig. Ozzy ist super. Und auch mit Blasko (Rob Nicholson, Bass; Anm. d. Red.), Adam (Wakeman, Gitarre/Keyboards) und Tommy (Clufetos, Schlagzeug) kann man jede Menge Spaß haben. Jeder im Camp Ozzy ist supercool. Ich freue mich riesig drauf. Aber klar, zwischen den Shows mit dem Boss werden wir mit Black Label Society rausfahren. Und Zakk Sabbath gibts auch noch. Außerdem darf ich natürlich meine Anal-bleaching-Termine nicht verpassen und meine Nagelpflege nicht vernachlässigen. Es wollen Bar Mitzwas gespielt werden und Beschneidungspartys. Ich würde meine Situation gegen nichts in der Welt eintauschen wollen!

Die kommende Tour ist tatsächlich schon die zweite Abschiedstour, die du mit Ozzy spielst.

Jawohl, "No More Tours" haben wir schon hinter uns, die jetzige heißt "No More Tours 2". Und hoffentlich kriegen wir unsere Spielsucht in den Griff, sonst müssen wir bald noch "No More Tours 3" anberaumen, weil wir pleite sind, haha. Ich kanns mir schon genau vorstellen: Ozzy hat irgendeine Insider-Info, bringt mich dazu die ganze Kohle auf ein Pferd zu setzen und wir verlieren dabei alles. Dann werden wir wohl oder übel weiter touren müssen.

Konkrete Recording-Pläne gibts nach wie vor keine?

Nee, das liegt alles bei Oz. Kann sein, dass er mich auf einmal fragt: "Zakk, hast du ein paar Riffs rumliegen? Oder vielleicht ein paar ruhige Sachen, Klavierzeug?" Wie früher. "No Rest For The Wicked" entstand so: Ich spielte mal zufällig "Miracle Man", Ozzy spitzte die Ohren und meinte plötzlich: "Hey, ich will dazu singen." Ich machte Da-daggadagga-da, er stieg ein und schwups hatten wir einen Song.

Es kann also passieren, dass du auf Tour beim Soundcheck ein bisschen rumnudelst und Ozzy sagt: "Hey, lass ein Album machen!"?

Yeah. So war es immer. Ich jamme, plötzlich fragt Ozzy: "Was war das? Spiel weiter!", und er fängt an zu singen. Es ist keine Raketenwissenschaft. Du hockst dich hin und haust was raus. Ozzy sagt dir dann schon, was er mag und was nicht. Ganz einfach und im Grunde dasselbe Prinzip wie beim Abstimmen von Nagellack und Lippenstift: Glüht es, passt es! Damit gehst du selbstbewusst auf die Bühne. Pink und Magenta sind quasi Teil derselben Familie, aber du musst mit dem einen entweder noch näher an Pink oder noch näher an Magnet ran, damit es wirklich zusammenpasst. Du musst dich entscheiden, in welche Richtung du gehen willst. Verstehst du was ich meine? (lacht)

Ich glaube schon.

Niemals die beiden mischen!

Du hast vorhin kurz Zakk Sabbath erwähnt. Vor einer Weile hast du außerdem die "Experience Hendrix"-Tour veranstaltet. Was bedeutet es für dich, Coversongs zu spielen?

In erster Linie ist es einfach eine tolle Ausrede für uns, zusammenzukommen und Spaß zu haben. Wir können Klebstoff schnüffeln, Pink Chips fressen und abhängen. Das Witzige ist doch: Ich spielte schon als 16-Jähriger Black Sabbath-Songs auf Cake-Partys vor acht Kumpels. Jetzt bin ich 51 Jahre alt, spiele immer noch Sabbath-Songs auf Cake-Partys, allerdings vor etwas mehr Leuten. Ziemlich cool oder?

Hast du zum Abschluss noch eine Ozzy-Story für uns?

Klar. Relativ am Anfang unserer Zusammenarbeit kam er bei den Proben mal zu mir und sagte: "Spiel mit dem Herzen." Dann piekste er mich in die Augen und meinte: "Und jetzt mach' mir ein Schinkensandwich und spare nicht mit dem Senf.“ Das passierte wirklich. Und als wir neulich wieder für Proben zusammenkamen, hat er genau dieselbe Masche wieder abgezogen, haha.

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