5. Juni 2009

"Das pumpt im Kopf!"

Interview geführt von

Apl de Ap und Taboo über die neuen elektronischen Einflüsse im Sound von Black Eyed Peas und das Ende des Plattenladens um die Ecke.Im ungemütlich noblen Kölner Hyatt ist die Atmosphäre leicht angespannt: Ein gutes Dutzend besorgter Leute lungert auf dem Gang mit Telefonen und Schminktaschen herum, um sicherzustellen, dass die Interviews mit der Band reibungslos ablaufen, bevor die vier ein paar Häuser weiter zur Liveaufzeichnung von "Schlag den Raab" gekarrt werden. Apl de Ap und Taboo trafen sich davor noch mit schon laut knurrendem Magen mit laut.de, um kurz über das neue Album "The E.N.D." zu reden.

Muss ich eigentlich immer Apl de Ap sagen? Ich war schon unsicher bei der Aussprache.

Apl de Ap: Nee, nenn mich einfach Apl, wie Apple.

Woher kommt eigentlich dieser Name?

Apl: Das ist ein Akronym für Allan Pineda Lindo - so heiße ich - und "de Angeles, Papanga", da komme ich her. Clever, was?

Oha, und das E.N.D. im Albumtitel ist ja auch ein Akronym.

Taboo: Genau, das steht vor allem für "The Energy Never Dies".

Ihr seht ein bisschen wie versilbert aus, und du hast deine Dreads gegen diesen schnittigen Raver-Iro eingetauscht. Hört ihr selbst eigentlich noch gerne Hip Hop?

Taboo: Ja klar, aber vor allem ältere Sachen - A Tribe Called Quest, De La Soul, diese Ära ist unsere. Aber gleichzeitig hören wir gerne Sachen wie Crookers, Boys Noize, David Guetta und stehe auch auf auch Leute wie Kanye West und Empire of The Sun.

Das neue Album und das Video zu "Boom Boom Pow" machen einen sehr technisierten Eindruck. Wovon habt ihr euch dabei inspirieren lassen?

Taboo: Bei der Arbeit zu "The E.N.D." geht es auch um die Evolution von uns als Gruppe und als Individuen - wir haben uns alle Zeit genommen, um uns in Nebenprojekte zu stürzen, und als die Band sich wieder im Studio traf, waren Apl und Will stark beeindruckt von elektronischer Musik, beeinflusst vom gelegentlichen Deejaying und den Clubs. Wir alle wurden unter anderem massiv von der Elektroszene und ihren Akteuren inspiriert.

Will.i.am meinte kürzlich etwas bedeutungsschwanger über das neue Album: "It's analog life seen from a digital perspective". Das klingt schon ganz toll, aber könnt ihr mir das trotzdem kurz erläutern?

Apl: Sag das Zitat noch mal langsam...

Taboo: Naja, mit dem analogen Leben sind die Prozesse gemeint, an die wir gewohnt sind, die musikalische Arbeit, durch die wir gewachsen sind. Auf der anderen Seite ist eine nicht aufzuhaltende Evolution im Gange: Du kannst dir relativ erschwinglich eine gute Musiksoftware zulegen und dir das Wissen, wie man ein Stück bearbeitet und erschafft, selbst aneignen -oder dich darüber austauschen. Wir alle sind beeinflusst vom momentanen Zustand unserer digitalen Kultur.

"Da muss man rausgehen und abgehen!"

Für welches Ende steht denn das E.N.D. des Albumtitels noch?

Taboo: Also, zunächst mal ist es das Ende aller Gerüchte um unsere Auflösung. Da sind wir wieder! Aber hauptsächlich bezeichnet das "E.N.D." im Titel das Ende einer Ära.

Ich weiß nicht, wie das bei euch ist, aber bei uns in den USA gibt es bald keine Plattenläden mehr, die schließen reihenweise. Du bekommst deine Musik nicht mehr beim Typ mit dem Laden an der Ecke, sondern aus dem Internet. Genau dort landen auch wieder die Versionen, die du selbst aus deinen Lieblingsstücken machst, wenn du sie neu kombinierst und veränderst. Ich glaube, heutzutage ist der Hörer daher stärker in einen Track involviert und hat seit den letzten Jahren auch die Möglichkeiten, viel kreativer mit einer Produktion umzugehen.

Kreativ im Sinne von skizzenhaftem Pop, der sich immer wieder selbst zitiert?

Apl: Genau, viele neue Stücke leben von Mashups und Remixen und sind nie richtig fertiggestellt. Wir finden, man sollte diese Entwicklung feiern, die Geschwindigkeit und die Energie, die dadurch entsteht.

Ihr habt das Mashup auch ausgiebig als Stilmittel benutzt, man könnte sogar sagen, einige BEP-Singles wie "Mas Que Nada" und "Pump It" mit dem Dick Dale-Sample, das jeder spätestens seit Pulp Fiction kennt, waren Dancepop-Versionen alter Gassenhauer ...

Apl: Nein, wir haben schon immer explizit tanzbare Stücke gemacht, zum Beispiel schon auf dem ersten Album "Joints & Jams". Eine lupenreine Dancenummer!

Auf jeden Fall gibt es großartigen Breakdance am Ende des Videos...

Apl: Hehe, danke!

... aber da höre ich eher A Tribe Called Quest raus, während ich mir unter den ganzen Autotune-Passagen bei "Boom Boom Pow" nicht so viel vorstellen kann. Benutzt ihr Hip Hop nur noch als Element eurer Musik?

Apl: Wir kommen nun mal aus einer Ära des Hip Hop, in dem die prägenden Hits alle von Dance inspiriert wurden: "I'll house you" von den Jungle Brothers oder Technotronix' "Pump Up The Jam", das waren ja vor allen Dingen geile Dancefloor-Monster mit einem dominanten Beat. Clubmusik eben. Und die haben wir im neuen Album in unsere Arbeit einbezogen und gleich einen neuen Sound kreiert, den "Electro Static Funk".

Ach was?

Taboo: Das hat was mit Statik zu tun, wie bei Elektrizität!

Apl: Heißer Scheiß.

Äh, verstehe...

Taboo: Schließlich sind wir ja Tänzer, wir brauchen die Energie der Musik wie Lampen ihren Strom!

Was ist für euch persönlich das momentan Faszinierendste in der Elektroszene?

Apl: Ich finde es einfach unglaublich, dass ein DJ mit einem Beat zum richtigen Zeitpunkt Tausende von Leuten zum Ausrasten bringen kann. Die Geschwindigkeit, der Rhythmus bei elektronischer Musik ist wie ein beschleunigter Herzschlag, und gerade wir als Hip Hop-Crew stehen natürlich auf beatlastige Musik. Im Studio haben wir versucht, diese kontinuierlichen, energetischen Beats selbst zu machen. Das pumpt im Kopf, da muss man rausgehen und abgehen, Boom! Pow! Verstehste?

Könnt ihr euch vorstellen, in Zukunft auf rein elektronisch ausgerichteten Festivals zu spielen, bei denen die physische Bühnenperformance ja meist eher nebensächlich ist?

Taboo: Ja klar, haben wir sogar schon getan! Wir waren neulich beim Western Festival in Miami (eigentlich Ultra Music Festival, d. Red.), eines der größten in den USA. Da konnten wir mal antesten, ob uns das liegt.

Und, wie war's?

Apl: Unglaublich. Ich meine - in einem Line-Up mit David Guetta und Tiesto, beides Künstler, die uns tief beeindruckt haben - das war schon ziemlich abgefahren. Eine geile Sache.

"Manche brauchen eben etwas länger"

Könnt ihr es trotz aller Euphorie und Energie nachvollziehen, wenn Fans von früher dem vergleichsweise unprätentiösen Hip Hop aus "Bridging The Gap"-Zeiten nachtrauern?

Apl: Naja, manche brauchen eben etwas länger ... uns war es immer wichtig, aufgeschlossen in alle Richtungen und Stile zu bleiben, und wir haben unser Hip Hop-Verständnis eben diesmal noch um unsere Vorstellung von innovativem Dance erweitert.

Ihr habt schon mit unheimlich vielen bekannten Künstlern gearbeitet - gibt es denn in der Elektroszene jemanden, den ihr unbedingt mal für eine Zusammenarbeit näher kennenlernen möchtet?

Taboo: Irgendwen?

Ja.

Apl: Hm, dann... würde ich gerne mal mit Stevie Wonder zusammenarbeiten. Oder Coldplay.

Taboo: Und ich hätte gern Sade, das hat leider bisher nicht geklappt.

Die genannten sind jetzt wiederum nicht gerade Technogötter ...

Apl: Das stimmt, aber sie sind auch einfach so über-cool.

Fergie hat kürzlich in einem Interview gesagt, "Wir waren immer die Außenseiter". Würdet ihr da zustimmen?

Taboo: Naja, wir waren schon Außenseiter in dem Sinne, dass wir niemals mit dem Strom geschwommen sind. Ich komme zum Beispiel aus einer hauptsächlich mexikanischen Nachbarschaft - und machte Hip Hop, da wurde ich schon blöd angeguckt.
Mit Apl war es genauso, als er von den Philippinen nach Amerika kam und kein Englisch konnte. Trotzdem hat er seine Karriere verfolgt und Chancen genutzt. So ist er eben nicht Briefträger, Krankenpfleger oder sonst etwas geworden, was seinem Stereotyp entsprach.

Apl: Auch Will kam auch aus einer mexikanischen Community, er ist aufgewachsen in einer der wenigen schwarzen Familien dort und überhaupt nicht der "typical black guy" - was auch immer das amerikanische Klischee dafür vorsieht.

Taboo, du hast indianische Wurzeln und du, Apl, bist Filipino-Amerikaner. Inwiefern spielt in eurer Musik und auf dem neuen Album eure Herkunft eine Rolle? Habt ihr das auf der neuen Platte eingebracht?

Apl: Es spielt eine große Rolle für mich und tatsächlich habe ich auch auf diesem Album einen Song, den ich in meiner Muttersprache Tagalog verfasst hab. Aber auch der ist ein Hybrid, ein Stückchen Tradition in einer Dance-Verpackung. Ist auch nicht das erste Mal, ich finde es wichtig, sich regelmäßig seiner Herkunft zu besinnen, um den Kontakt nicht zu verlieren.

Taboo: Was mich betrifft - ich kam diesmal nicht so richtig dazu, einen Song auf Spanisch zu machen, aber es gab einen auf "Bridging The Gap" und auf "Elephunk". Auch für mich ist es enorm wichtig, mein Erbe zu pflegen, sei es nun in Form von Songs oder Hilfsprojekten. Man muss wissen, woher man kommt.

Apl: Tut mir leid, wir müssen jetzt los und Spaghetti essen und danach in diese Fernsehsendung.

Oh, natürlich, dann viel Spaß und danke für eure Zeit!

Taboo: Danke... sag mal, wir wollen danach noch weggehen. Hast du einen Tipp?

Es gibt so ein Festival im E-Werk, da kommen Simian Mobile Disco und Gossip.

Apl: (überlegt) Gossip ...

Die Sängerin ist dick, hat eine gute Stimme und zieht sich oft aus.

Apl: Ah, na klar! Cool! Und wie heißt das Festival?

Electronic Beats.

Beide: Perfekt!

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