laut.de-Kritik

Mit wuchtigen Gitarren und Electronica gegen die Ostalgie.

Review von

Schon das etwas schief tönende Sendezeichen, des Openers von Black Cabs drittem Werk "Call Signs" erzeugt eine schauerliche drückende Stimmung, die sich unmerklich übers Gemüt legt. Eine beunruhigende Beklemmung erwacht, ein unaussprechliches Unbehagen, das das komplette Album durchzieht.

Das Cover im Stil einer verbleichten Fotografie befeuert die mulmige Atmosphäre. Mit ihrer Mischung aus Krautrock, Shoegaze und Postrock versetzen uns Black Cab mühelos in eine dunkle Epoche deutscher Geschichte: Die sozialistische Diktatur der DDR in den 70ern, unter der zahllose Menschen leiden mussten. Das Konzeptalbum erzählt von der Düsternis, der Trostlosigkeit und dem leisen Horror dieser Zeit.

Vehemente Schlagzeugarrangements, drohende Akustik- und E-Gitarren wabern noisig unter der dunklen Stimme von Andrew Coates. Wie aus der Ferne, hinter der Wand einer anderen Wohnung, hinter der Mauer zu einer anderen Welt ("Church In Berlin"). Coates melancholischer, kaum verständlicher Gesang schallt wie im Chorraum einer ausgestorbenen Kapelle durch das Holzgebälk.

Black Cab experimentieren mit melodiösen Gitarrenwänden, schwelgen in dichten elektronischen Effekten mit Drone-Anleihen und drehen an den Reglern, bis die verzerrte und hallende Stimme My Bloody Valentine-mäßig mit der üppigen Instrumentierung verschmilzt. Die Wall of Sound, die die Australier hochziehen, geht in die Tiefe und Breite.

Energetische, treibende Drums und eine einfache Melodieabfolge tragen dazu bei, dass "Rescue" ins Ohr geht. Folgerichtig veröffentlicht das Duo den Track im Doppelpack mit dem nicht minder eingängigen "Black Angel" als Single. Der Song ist eine Hommage an die amerikanische Singer/Songwriterin Judee Sill, die in den frühen 70ern mit engelsgleicher Stimme bezauberte und jung den Drogentod starb. Die Dame inspirierte die Australier wohl zu dem Folklore-Ton des Songs, inklusive mundharmonika-artiger Einlagen und countryrockigem Geklampfe.

Mit düsteren Industrial-Klängen und verstörend unverständlichen Stimmensamples, hängt "Dresden Dynamo" postrockig im Raum. "Ghost Anthem" ist eine gewaltige Hymne, die Gitarren und Schlagzeug aufeinanderschichtet und unter den Gesang von Albumgast und Died Pretty-Frontmann Ron Peno wuchtet.

Vorsichtig beschreiten sie den Weg auf der "Sonnenallee" zu Störgeräuschen und Morsecodes, bis man vor der großen, grauen Mauer steht, die den Weg versperrt. Es folgt ein mit Sirenen unterlegter Upbeat, der den Track clubtauglich macht und in seiner Düsternis fast schon an die Acid Techno-Version des New Order-Smashers "Confusion" erinnert. Das ist die Untergrundparty in den stillgelegten U-Bahnschächten der Hauptstadt.

Wie im Video zu "Church In Berlin" ist die Welt, die Black Cab auf ihrer Platte atmosphärisch nachzeichnen, schwarz-grau, die Menschen schwarz-weiß. Wer sich ein Happy End wünscht, ist an der falschen Adresse. Hier gibt es keine Erleichterung durch Mauerfall, kein "Wir sind das Volk" und auch keinen David Hasselhoff, der die Wiedervereinigung herbeiträllert.

Auch lässt die Platte keine Spreewaldgurken-Ampelmännchen-Ostalgie zu, die den Niedergang angeblich guter, alter Zeiten betrauert. Hier sitzt man mit engem Herzen in der dämmrigen Stube des Plattenbaus, versinkt in Träume an die Annehmlichkeiten des konsumverfallenen Westens und wartet - vergeblich - auf das Ende von Verfolgung und Unterdrückung.

Trackliste

  1. 1. Call Signs
  2. 2. Church In Berlin
  3. 3. Rescue
  4. 4. Fates
  5. 5. Black Angel
  6. 6. Dresden Dynamo
  7. 7. Lost & Falling
  8. 8. Sonnenallee
  9. 9. Wires
  10. 10. Ghost Anthems
  11. 11. After The War
  12. 12. Wires 2
  13. 13. Sword & Shield

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