laut.de-Kritik

Rückbesinnung auf alte Werte.

Review von

Vor über 30 Jahren beginnt die Erfolgsstory der rheinischen Provinzband Betontod. Mit ihrer stets authentischen und ehrlichen Mucke spielen sich Meister, Eule & Co. schnell in die Herzen der Punkergemeinde und feiern bald schon genreuntypische Erfolge. Spätestens mit "Schwarzes Blut" (2016) hat man sich endgültig gefunden und marschiert nahezu unaufhaltsam Richtung Rockolymp. Meister, Eule & Co. legen nun ihren dreizehnten Longplayer und zudem das nach Empfinden der Band zudem bisher stärkste Album in der Diskografie vor.

Das Besondere an "Zeig Dich" ist, dass das Album bereits vor der Pandemie im Kasten war und mit "Das Kapital" sogar schon eine Single auf die Welt losgelassen wurde. Als den Rheinbergern allerdings klar wurde, dass es zwischen den Lockdowns eher keine Liveshows geben werde, legte man das Album auf Eis und widmete sich mit "B-Seiten" (2020) und "Pace Per Sempre" (2021) anderen Ideen. "Diese Songs sind einfach geil. Und sie gehören auf die Bühne" meint die Band. Man sei auch wieder dazu über gegangen, die Songs ohne große Detailbesessenheit einzuspielen, "genauso, wie wir das früher auch gemacht haben". So sei das Konzept einstanden, "das Beste aus über 30 Jahren Betontod" auf ein Album zu packen.

Das Vorhaben, einen musikalischen Karrierequerschnitt abzubilden, ist weitestgehend gelungen, wobei man eigentlich eher noch von einer Rückbesinnung auf alte Werte sprechen könnte. Unter den Songs finden sich einige wunderbar druckvolle und recht aggressive Nummern, wie die umständehalber angestaubte Vorabsingle "Das Kapital" oder der wirklich grantige Opener "Brandstifter". In beiden Fällen überwiegen breite Gitarren und eine nicht allzu fröhliche Grundstimmung, während auf zu gefällige Melodiebögen verzichtet wird.

Einige der Songs bedienen sich aus dem bekanntermaßen überschaubaren Punksongbaukasten mit Déjà-Vu-Akkordfolgen, stadiontauglichen Ohohos, hymnenhaften Chorussen und kritischen Texten. Das recht moderne "Träumer Oder Tagedieb" mit seinem Offbeat und leichten Amipunk-Tendenzen oder die heimliche Scherben-Hommage ("Wir müssen hier raus ... wir sind zur Freiheit geboren") werden es sicherlich auf die aktuelle Setlist schaffen.

Ohne Gefühle kommt auch eine Punkband nicht aus, und so finden sich mit dem breitbeinigen "Zurück In Schwarz" und dem typisch dreckigen "Diese Liebe" auch echte Herzstückchen auf "Zeig Dich". Bei letzterem gastiert Tiger Lilly Marleen von der Berliner Band Bonsai Kitten am Mikrofon und macht dabei eine glänzende Figur. Leider sind die Texte recht platt und stellenweise etwas schlageresk geraten.

Für angenehme Abwechslung sorgt die Kiezgeschichte "Nie Mehr St. Pauli Ohne Dich", bei der man ein paar Bläser ins Studio gebeten hat. Musikalisch erfinden Betontod sicherlich kein Rad neu, inhaltlich erst recht nicht, das muss auch nicht zwingen sein, wenn das Gesamtpaket für Wallung sorgt.

Etwas experimenteller fällt "Tanz Im Algorithmus" aus. Kalte DAF- oder Kraftwerk-Synthesizer und Verneigungen vor dem britischen Post-Punk treffen auf karge, aber gut durchdachte Lyrics. Während "Barrikaden" eine eher unglückliche, leicht toxische Beziehung thematisiert und mit einem mächtigen, catchy Refrain veredelt, lebt das gut gelaunte "Totenkopf" von eher typischer Punkmucke nebst Ramones-Schlachtruf. Eine weitere Liebeserklärung, diesmal allerdings an einen gewissen Fußballverein.

Der höchstens mediokre NDW-Popper "Neonlicht" mit seinen aufgezählten 80s-Popsong-Zitaten (das hatte dieser Adel Tawil bereits vor einigen Jahren verbrochen. Scheußlich.) sorgt zwar gewissermaßen auch für Abwechslung, fällt aber weit hinter dem Rest der Songs ab. Die abschließende, leicht schiefe Halballade "Mehr Als Legende" hätte man sich besser gänzlich gespart. Pathetische Gossenromantik steht Betontod 2023 einfach nicht gut zu Gesicht.

Trackliste

  1. 1. Brandstifter
  2. 2. Zurück In Schwarz
  3. 3. Nie Mehr St. Pauli Ohne Dich
  4. 4. Träumer Oder Tagedieb
  5. 5. Neonlicht
  6. 6. Das Kapital
  7. 7. Barrikaden
  8. 8. Tanz Im Algorithmus
  9. 9. Diese Liebe
  10. 10. Wir Müssen Hier Raus
  11. 11. Totenkopf
  12. 12. Mehr Als Legende

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