laut.de-Kritik

Vom Satanist zum Edgelord.

Review von

"Das ist das nachdenklichste, das durchdachteste, das erwachsenste Werk, das wir bisher geschaffen haben", lallt Nergal vollmundig die üblichen Neues-Album-Floskeln herunter. Kopf ausschalten wäre rückblickend vielleicht besser gewesen, denn "Opvs Contra Natvram" ist die schwächste Behemoth-Platte seit Langem. Die Extreme Metal-Superstars dekonstruieren sich im Selbstzitat und machen sich dabei auch noch lächerlich.

Es beginnt schon beim Titel. Mehr Edgelord als sein Album "Opvs Contra Natvram" – ein Werk gegen die Natur, nur echt mit 'v' statt 'u' – zu taufen, geht kaum. Nergal inszeniert sich hier als "neuer Spartacus", Revolutionsführer gegen eine unbestimmte Herrschaft, gegen Cancel Culture, gegen alle, die gegen ihn sind. Nergal lässt sich nämlich nicht verbieten, weiterhin Shirts mit der Aufschrift 'Black Metal Against Antifa' zu tragen! Dafür schreibt man dann schon mal ein dreiminütiges Bombast-Intro namens "Post-God Nirvana", das ohne Nergals satanische Anrufung (aber inklusive Heilung-Geflüster) auch so auf einem Warkings-Album stehen könnte und in dem genau gar nichts passiert.

Subtil war der erste schwarzmetallische Gala-Coverheld der Welt in seinen Texten zwar noch nie, sein Glück bisher war, dass er plakative Titel wie "The Satanist" dann aber auch mit entsprechender musikalischer Kraft untermauerte. "Opvs Contra Natvram" krepiert schon im Ansatz. Denn was hier vor allem gegen die Natur geht, ist der Sound, obwohl mit Daniel Bergstrand (Meshuggah) und Joe Barresi (Queens Of The Stone Age) zwei ausgewiesene Experten mitarbeiteten. Das Schlagzeug scheppert und ist zu laut, die Gitarren matschen, der Bass klingt dünn. Nergal hört das zwar anders und vergleicht seine Produktion mit der David Bowies, doch gepaart mit teils chaotischem Songwriting ergibt das eine wirklich teuflische Kombination – im negativem Sinne.

Bei "Malaria Vvlgata" ploppt deplatziert ein Solo auf, "The Deathless Sun" wirkt – repräsentativ für das gesamte Album – planlos zusammengesetzt aus Versatzstücken, die man so ähnlich schon an anderer Stelle der Behemoth-Diskografie in schlüssigerem Kontext gehört hat. "Ov My Herculean Exile" entpuppt sich als erschreckend schwacher Abklatsch der Großtaten "Blow Your Trumpets Gabriel", "Bartzabel" und "O Father O Satan O Sun".

Freilich ist nicht alles schlecht. Ein gewisses Grundniveau an Qualität unterschreiten die wegen vergangener Errungenschaften durchaus zurecht an der Speerspitze extremen Metals stehenden Polen nie. Das abwechslungsreich arrangierte, pfeilschnelle "Neo-Spartacvs" zum Beispiel bietet beste Black-Death-Unterhaltung.

"Off To War!" baut (auch dank effektvollen Spiels von Bassist Orion), Atmosphäre auf, "Disinheritance" punktet mit interessanten Streicher-Einfällen, und wenn er nicht gerade dramatisch palavert ist Nerval immer noch ein vortrefflicher Frontmann, Gitarrist und Riffschmied. Doch die herausragenden Momente fehlen komplett. Ein Großteil der Songs mag zwar solide gezimmert sein, ist aber einfach ... langweilig. Selbst das Rausschmeißer-Experiment "Versvs Christvs" lässt Spannung vermissen. Dabei verspricht die Kombination von Klavier und Nergals Growls auf dem Papier genau das. Auch die in den Strophen angedeutete Melodie hätte Potential gehabt, doch außer ein paar bösen Tremolo-Attacken und holprigen Transitions fällt Behemoth wenig ein, um den Track dynamisch und dramaturgisch zu erweitern und aufs nächste Level zu heben.

Hörenswert macht "Opvs Contra Natvram" trotzdem etwas: Drummer Inferno sorgt in seinem Verantwortungsbereich durchgehend für Highlights, garniert die Stücke mit schier endlosen Fills, hangelt sich virtuos an halsbrecherischen Riffs entlang. Für Schlagzeug-Fans ein Must-Listen – abgesehen davon leider ein ziemlicher Reinfall.

Trackliste

  1. 1. Post-God Nirvana
  2. 2. Malaria Vvlgata
  3. 3. The Deathless Sun
  4. 4. Ov My Herculean Exile
  5. 5. Neo-Spartacvs
  6. 6. Disinheritance
  7. 7. Off To War!
  8. 8. Once Upon A Pale Horse
  9. 9. Thy Becoming Eternal
  10. 10. Versvs Christvs

Videos

Video Video wird geladen ...

Weiterlesen

LAUT.DE-PORTRÄT Behemoth

1991 formiert sich im polnischen Danzig ein Trio, das einige Jährchen später zu den bekanntesten Vertretern des extremen Metal aus dem Osten zählen …

8 Kommentare mit 16 Antworten

  • Vor einem Jahr

    "Wer hört solchen DRECK?"

    Es wirkt leicht ironisch wenn ein HipHop-Konsument diese Frage stellt.

  • Vor einem Jahr

    Warum wird in der Rezension so getan, als sei Nergal jetzt neuerdings zum Edgelord mutiert? Das war doch schon seit jeher sein Ding und die Provokation stand bei ihm schon immer vor der Musik an erster Stelle.
    Diese albernen evil-Satan-Halloween-Kostüme und ulkig klingenden lateinischen Texteinwürfe wurden ganz berechnend gewählt, um die Erzkonservativen in den ländlichen Regionen Polens zu triggern und das hat ja auch unterhaltsamerweise allerbestens funktioniert aber ansonsten finden das wohl auch nur Kiss-Fans noch edgy.
    Er vermarktet sich halt echt gut, denn durch Celebrity-Beziehungen, die in der Klatsch&Tratsch-Presse stattfinden, durch seine ehemalige Tätigkeit als Juror in The Voice und ähnlichen albernen TV-Shows sowie durch seine öffentlichen Auseinandersetzungen mit der Kirche ist er in ganz Polen auch Leuten ein Begriff, die überhaupt nichts mit Metal am Hut haben.

  • Vor einem Jahr

    Ist halt Rotz wie immer, aber nach über 20 Jahren zu Behemoth zu kommen, und sich über die "edgyness" zu beschweren, kommt schon etwas dümmlich rüber