14. April 2004

"Nicht für viel Geld mit 50 Cent"

Interview geführt von

"Der Ort, an dem mehr Weed verbrannt wird als irgendwo sonst auf dieser Welt" rappt Samy DeLuxe in der "Grünen Brille" über die Eimsbush-Lokalitäten, und dass die mobil sind, bewies der Geruch im Backstage-Bereich des Clubs. Dementsprechend gemütlich war die Atmosphäre in den Räumlichkeiten, wo uns neben den Beginnern auch der Supportact Main Concept und die halbe Crew empfing.

Als langjähriger Genreprimus ist Eimsbush im vergangenen Oktober pleite gegangen. Wie seht ihr die weitere Entwicklung des Deutschrap, ein halbes Jahr danach?

DJ Mad: Da geht gar nix mehr.
Denyo: Das läuft unabhängig voneinander. Man kann nicht so egomanisch denken, Eimsbush sei deutschraptechnisch der Nabel der Welt. Das war vielleicht mal, aber das ist Vergangenheit.
Eißfeldt: Es war auch schon nicht mehr so, als Eimsbush noch da war.
Denyo: Ne, also bundesweit hat das keine großartigen Auswirkungen. Eher für kleine Künstler, die jetzt halt selbst versuchen müssen, sich über Wasser zu halten und Sachen rauszubringen. Charnell und Illo beispielsweise. Eigentlich ist die Pleite letzten Endes nur ein Spiegel dafür, was eigentlich allen längst klar war: Die Leute chillen nicht mehr zusammen, es gibt nicht mehr die Unity, dieses "Hamburg Ding". CD-Brennerei, Belanglosigkeit, hier und da zu wenig Output, das kommt halt alles zusammen. Letzten Endes war das nur der letzte Offenbarungseid.

Die Kolchose ist tot, Eimsbush pleite. Müssen Stuttgart und Hamburg ihren Rang als Hip Hop-Hauptstädte nun an Berlin abtreten?

Denyo: Das ist mir eigentlich scheißegal. Ich würde nicht sagen, dass Berlin jetzt die neue Hip Hop-Hauptstadt ist.
Eißfeldt: Eher Rostock.
Denyo (lacht): Ja, genau, oder Dresden.
Eißfeldt: Düsseldorf. Da soll's auch abgehen.

Was meint ihr generell zum Aufstieg der ganzen "Gangsterrapper" aus Berlin?

Eißfeldt: Ich weiß nicht, ob das Gangsterrapper sind. Aber ein paar von denen haben echt Talent. Und denen gönne ich auch den Aufstieg, denn die haben auf jeden Fall was Neues in die Sache reingebracht. So was finde ich dann gut.
Denyo: Man hört das mit zwei Ohren. Das eine Ohr sagt genau das, was Jan eben meinte, das andere sagt aber, ich hab keinen Bock, mir das anzuhören. Manche Sachen sind natürlich auch dabei, die richtig rocken. Und wenn etwas rockt, finden wir es auch cool, das war schon immer so. Da kann man dann ruhig auch mal 'Bitch' oder so was sagen und auf die political correctness scheißen.

Ihr habt auf eurem aktuellen Album einen heftigen Diss gegen den ehemaligen Senator Schill drauf. Wird nach der jetzigen Wahl in Hamburg alles besser?

Eißfeldt: Das ist wie Pest und Cholera. Also die Krankheit, die uns jetzt regiert, ist auf jeden Fall nicht so aggressiv und ein bisschen schleichender (lacht). Und tritt auch nur bei Männern auf. Es ist trotzdem eine Krankheit. Ich will aber auch gar nicht sagen, dass die vorhergehenden 50 Jahre SPD Regierung das derbste waren. Letzten Endes war das auch eine Krankheit. Die haben da über 40, 50 Jahre ihre krasse Klüngel-Vetternwirtschaftsscheiße aufgebaut. Damit wird die CDU halt auch nicht aufräumen, die werden das für sich nutzen. Eigentlich ist das alles der leise Tod.

Wart ihr in eurer Jugend selber 'revolutionär'?

Denyo: 'Revolutionär' ist ein richtiges Scheißwort (lacht). Das gibts doch heute gar nicht mehr. Also wir waren früher auf jeden Fall die autonomen Kriss Kross, dafür waren wir auch bekannt. In die Schublade sind wir schon damals vor 10 Jahren gesteckt worden. Da gab's das übliche, was man jetzt als naiv abstempelt. Antifazeiten, Steine schmeißen, links sein, ohne eigentlich zu wissen warum. Bis wir halt irgendwann gemerkt haben, dass die linke Szene genauso eine Ellenbogengesellschaft ist wie alle anderen auch. Vielleicht auch noch verstockter, noch dogmatischer. Revolutionär sind wir nicht, aber als Menschen auf jeden Fall gesellschaftskritisch. Weil wir Rap machen und sagen, was wir denken, kommt das halt auch so deutlich raus. Und weil alle anderen zu dumm sind, um mal über ihren Tellerrand zu sehen, kommt es allen so vor, als wären die Beginner die einzige richtig politische Rapgruppe. Das liegt aber großteils daran, dass die Anderen einfach doch sehr unpolitisch sind.
Eißfeldt: Wir sind eher evolutionär (lacht).

Ihr wart auch schon mit den Beastie Boys auf Tour. Wie ist das Gefühl, mit solchen Legenden unterwegs zu sein?

Eißfeldt: Es war auf jeden Fall ein Flash, weil wir das erste Mal an der Weltliga geschnuppert haben. Wie das hinter den Kulissen abläuft. Wie man sich als Band, die über die Jahre gesund gewachsen ist, alles leisten kann. So ein Luxus, alles seinen Idealen folgen zu lassen. Da ist einfach alles am Start, auch für die Crew, die mitkommt. Wie die miteinander umgehen, das war schon richtig derbe. Das hatte gar nix mit Arschrockmegageilostyloluftgitarrenstadionkonzerten zu tun, aber trotzdem waren viele Leute da. Wir haben halt während des Einlasses gespielt, da gab's natürlich nicht die Möglichkeit, zu rocken, aber trotzdem war es ne geile Erfahrung.

In England gibt es bald eine Hip Hop-Schule, in Amerika werden Rapper gecastet. Ist die kommerzielle Ausschlachtung des Hip Hop jetzt endgültig im Gange?

Denyo: Diese Begriffe wie kommerzielle Ausschlachtung gibt es eigentlich nicht mehr. Hip Hop hat halt sehr viel mit Business, mit Geld verdienen zu tun. Deshalb gibt es auch so viele Produzenten, die natürlich auch geile Musik machen, aber damit Geld verdienen wollen. Dieses Ausverkaufding gibt es nicht mehr. Warum sollte man etwas verteufeln, nur weil es sich gut verkauft, verstehst du? Und zu diesem 'Making The Band'-Ding: Es ist okay, so lange jemand wie Puff Daddy das macht. Letzten Endes kann man ihm natürlich auch Ausverkauf und Popstar und so was vorwerfen, aber das ist halt ein Typ, der einfach derbe viel für Hip Hop getan hat. Wenn das in Deutschland jetzt von DJ Tomekk gemacht würde, wäre das halt traurig.
Eißfeldt: Wir haben uns das auch gerne angeschaut. Es ist schon interessant, diese ganze Produzenten, die sonst nur in den Booklets auftauchen, auch mal da sitzen, produzieren und Beats mischen zu sehen.
Denyo: Es gibt keinen Ausverkauf mehr, nur noch die Frage, ob du innovativ bist, oder nicht. Rockt das, was du machst, oder rockt es nicht. Ist es gut, oder nicht. Solche Sachen. Ausverkauf oder nicht Ausverkauf, pfft. Letzten Endes sind so viele Leute, die sich ausverkaufen wollten, so derbe gescheitert. Man regt sich ja auch nicht über 'Deutschland Sucht Den Superstar' auf, das sind halt so Dinge, die es einfach gibt. Ein Phänomen. Sollen die Deppen das doch machen, ist doch egal. Viele denken sich: Boah, Ausverkauf, die arme Musik leidet. Dann merkt man, dass man auch was verkaufen kann, wenn man einfach gute Musik macht, und ist glücklich.
DJ Mad: Es is halt eine Sache, die du über die Jahre lernst: Es ist einfach unmöglich, so etwas wie Kontrolle über eine Musiksparte oder einen Musikbereich auszuüben. Du kannst nur die Kontrolle über deinen eigenen Kram haben. Sich ständig über jeden Scheiß aufzuregen, macht es auch nicht besser. Wir nutzen halt die Möglichkeit, bessere Musik zu machen, das ist unsere Ansage zum Thema. Wenn die Anderen nur Scheiß machen, machen wir halt das gute Zeug.
Denyo: Ausverkauf ist ja auch widersprüchlich. Die Band von P. Diddy ist letztlich ja auch derbe gescheitert, weil es ja keinen mehr interessiert hat. Statt dessen ist jemand wie Kanye West als Produzent auf einmal der derbste Hype als MC, und das passiert einfach so, wie es halt passiert. Viel Kalkül, böses Kalkül, steckt da auch nicht dahinter.

Warum habt ihr euch vom Grand Prix wieder abgemeldet?

Eißfeldt: Haben wir gar nicht. Wir waren doch da! Ich habe doch dieses "Wait until tonight" gesungen, hast du das nicht mitbekommen?

Ach du warst das?

Eißfeldt: Ja ja (nickt). Ist bis auf Platz Eins in den Charts gegangen!

Damit ist es ja sicherlich dein erfolgreichstes Soloding bisher.

Eißfeldt: Ja.
Denyo: Ja, ist ganz cool. Ich bin auch ein bisschen neidisch auf ihn.
Eißfeldt: Und Mad hat's geschrieben.
Mad: Ich hab ihn dann aber nicht gewählt, weil ich fand's dann eigentlich doch wieder scheiße.

Wenn ihr euch einen nicht-deutschen Featuringpartner aussuchen könntet, wer wäre das?

Denyo: Bob Marley.

Und aus dem Hip Hop-Sektor?

Eißfeldt: Biggie Smalls.
Denyo: Biggie. Obwohl, mit Tupac würd ich auf jeden Fall auch was machen.
Eißfeldt: Ich nicht.
Denyo: Doch, auf jeden Fall. Schon ein krasser Typ. Mit 50 Cent würde zum Beispiel niemals was machen, nicht mal, wenn ich dafür 10.000 Euro bekommen würde.

Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Philipp Gässlein

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