laut.de-Kritik

Wie viel Power hat der 'Rolls Royce unter den Boygroups' noch?

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Wir sind der Rolls-Royce unter den Boygroups, lobte Robin Gibb sich und seine Brüder in einem kürzlich veröffentlichten Interview (LAUT berichtete). Ihnen gegenüber weniger gut gesinnten Menschen ist es natürlich ein Leichtes, die Gleichung in Sarkasmus umzuwandeln. Dass aber auch seitens Gibbs eine gute Dosis Ironie in dieser Behauptung steckt, scheint offensichtlich. Nicht nur wegen der gut 30jährigen erfolgreichen Karriere der Bee Gees; auch die neue Platte "This Is Where I Came In" ist ein erneuter Beweis für die Fähigkeit der Band, immer wieder zeitgenössische Einflüsse in ihre Musik einzubauen, ohne dabei die typischen Identifikationselemente zu vernachlässigen.

Auf Loops, vibrierende Bass-Beats und derartiges wird dabei bewusst verzichtet. Eher präsentieren sie mit neuem Material einen musikalischen Rückblick auf ihre Vergangenheit, die in den letzten Jahren immer wieder zur Gegenwart wurde. Angefangen mit unzähligen Coverversionen und 'Zitaten' ihres wohl berühmtesten Hits, "Stayin' Alive."

Robin Gibbs neuer Oasis-Look weist bei den ersten zwei Liedern den Weg. Akustikgitarrenlastiger Britpop - oder doch back to the roots? Jedenfalls kommen beim Titeltrack (und erster Singleauskopplung) "This Is Where I Came In" Lynyrd Skynyrd und Noel Gallagher in den Sinn, während "She Keeps On Coming" mit seinem beatleshaften Basslauf an die ersten Zeiten der Bee Gees in den 60ern erinnert.

Ist man bis hier hin noch recht (positiv) überrascht, vor allem durch die relativ tiefe Stimmlage des Gesangtrios, geht es anschließend in gewohntem Stil weiter. Auf "Sacred Heart" und "Wedding Day" findet man sie wieder: Synthie, Falsetto und Popschlagzeug. "Man In The Middle" ist netter Pop aus der Mitte der 80er Jahre, "Déja Vu" hört sich nach Ronan Keating an, "Technicolor Dreams" macht auf Dixieland, "Embrace" ist Discopop à la Marc Almond, bei "The Extra Mile" liegt mit Orchester die unabdingbare Schmalzhymne vor, das abschließende "Voice In The Wilderness" ist gar rockig und würde mit seinem Gitarrensolo Survivor neidisch machen.

Robin Gibb besitzt nach eigenen Angaben 'telepathische Fähigkeiten' und kann die Gedanken seiner Brüder auch aus großer Entfernung 'empfangen'. Da stellt sich natürlich die Frage, um was es sich dabei handeln könnte. Titel wie "This Is Where I Came In", "She Keeps On Coming" "oder "Man In The Middle" weisen möglicherweise auf dürftig verschleierte sexuelle Phantasien hin. "Sacred Trust" oder "Wedding Day" scheinen dagegen einer traditionellen Lebensgestaltung zu entsprechen. Von den Lyrics her gibt es jedenfalls keine Neuorientierung - sie handeln allesamt von (wohl monogamer) Liebe als treibende Kraft im Leben.

Kein Zweifel - die Gibbs haben sich Mühe gegeben und präsentieren mit "This Is Where I Came In" ein ausgewieftes und technisch makelloses Produkt. Bleibt nur die Frage, um welches Rolls-Royce-Modell es sich wohl handelt. Der von BMW angetriebene Silver Seraph mit eingebauten Notebook an der Rücklehne ist es jedenfalls nicht.

Trackliste

  1. 1. This Is Were I Came In
  2. 2. She Keeps On Coming
  3. 3. Sacred Trust
  4. 4. Wedding Day
  5. 5. Man In The Middle
  6. 6. Déjà Vu
  7. 7. Technicolor Dreams
  8. 8. Walking On Air
  9. 9. Loose Talk Costs Lives
  10. 10. Embrace
  11. 11. The Extra Mile
  12. 12. Voice In The Wilderness

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