12. Juni 2015

"Ich brech' die Schublade kaputt!"

Interview geführt von

Horrorkore-Hohepriester oder doch ein rettungsloser Romantiker? Für Basstard gar kein Widerspruch. Er erzählt, wie man Gefühle preisgibt und trotzdem eine Privatsphäre behält, vom Anecken und Ausbrechen, von alltäglichem Grauen (beim Zahnarzt) und einem Mütter-beleidigenden Vater.

Erst kürzlich beklagte der GZA, der im Rap die Lyrik vermisst, er habe die Bezeichnung "MC" schon allzu lange nicht mehr gehört. Mit der Wahl von Basstards Albumtitel dürfte sich der Wu-Tang-Genius also schon einmal einverstanden erklären:

"Meister Der Zeremonie" erscheint am 26. Juni und beendet die Funkstille seit "Zwiespalt (Weiss)". Was man davon schon hören und sehen durfte, liefert wahrlich Grund genug, in der Hauptstadt durchzuklingeln:

Mic Check. Hörst du mich?

Ja, aber es hat 'n bisschen Hall.

Da müssen wir durch. Technik stinkt.

Bisschen trocken machen, den Raum. Dann geht das schon. Ich hab' ja ein bisschen Akustik gelernt, hier, vor kurzem. (Lacht)

Ja, DU hättest so Soundprobleme wahrscheinlich ruckzuck im Griff.

Na, jaaaa! Akustik ist auf jeden Fall 'ne Wissenschaft für sich. Da haben wir die Grundlagen gelernt, aber das ist nochmal was ganz Eigenes. Aber zum Beispiel der Johannes, der jetzt mein Album produziert hat, der ist Akustiker, der studiert das irgendwie jetzt schon sechs Jahre lang. (Lacht)

In dem Album steckt demnach ganz schön viel Fachwissen.

Ja, das ist wieder 'ne ganz andere Welt. Viel Physik und so. Wie der Schall sich ausbreitet, im Raum, bei welcher Temperatur, hier und da ... Da gibts ohne Ende Formeln, die man berechnen kann.

Ich freu' mich saumäßig auf das Album. Eigentlich schon seit "Zwiespalt (Weiss)". Hat ja ganz schön gedauert.

Ja. Stimmt schon: Es hat ganz schön lange gedauert. Aber ich hab' ja in der Zwischenzeit auch ein paar andere Sachen gemacht.

Unter anderem deine Ausbildung.

Genau. Ich hab' das Audio Engineering-Studium an der SAE gemacht. Klar, in der Zeit konnte ich keine Musik machen, weil das echt viel Zeit in Anspruch genommen hat. Ich wollte das ja auch gut machen. Aber ich hab' da Leute kennengelernt, mit denen ich später fürs Album gearbeitet hab'. Zum Beispiel Timo Krämer, das ist ein Dozent von der SAE, der hat viel auf dem Album produziert. Und Sebastian Metzner, das war auch mein Dozent, bei dem hatte ich Audio-Unterricht. Der war lustigerweise auch Hip Hop-Produzent und hat damals für Leute wie Fler gearbeitet. Der kannte mich dann auch, hat sofort gesagt: "Ey, was machst du denn hier?" und sowas (lacht), da sind wir halt irgendwie ins Gespräch gekommen. Dann hat er mir irgendwann ein paar Beats gezeigt, und einer davon ist mir total im Kopf geblieben. Das wurde dann später "Mädchen Aus Dem Osten". Es hat auf jeden Fall für mich nicht nur technisch viel gebracht. Auch musikalisch und Connection-mäßig hab' ich viel mitnehmen können. Das war schon cool.

Glaubst du, dass die Zeit jetzt reif ist für ein Basstard-Album, das auch einmal außerhalb des Berliner Untergrunds ein bisschen Beachtung erfährt?

Definitiv. Das neue Album ist halt wieder so weiter, dass ich denke, das kann auch 'ne andere Masse an Leuten erreichen, als es bisher der Fall war. Da sind halt total witzige Sachen drauf. Zum Beispiel so ein Chanson-Song ...

Diese Swing-Nummer?

Genau, und ich verrat' es jetzt einfach mal: Da macht die Indira Weis mit. Das ist zum Beispiel 'ne Nummer, das ist total Basstard-untypisch. Da hatte ich einfach Bock gehabt, drauf, und meinte zu Johannes, irgendwann in Düsseldorf, als wir da aufgenommen haben: "Ey, Johannes, lass' mal heute 'ne Swing-Nummer machen!" (Lacht) Er kuckt mich nur an: "Häää?" Und ich so: "Ich hab' halt Bock drauf, lass' es uns machen!" Und dann haben wir halt 'ne Swing-Nummer gemacht, die auch cool wurde. Ich glaub' einfach, das Album, so wie es ist, ist unglaublich abwechslungsreich. Der düstere Basstard ist dabei, genauso wie ... hach, "poppig" ist immer so ein doofes Wort, aber es ist schon irgendwie viel poppiger. Rock-Elemente sind wieder viel drin, aber alles halt auf einem neuen Niveau, würd' ich sagen. Wir haben zum Beispiel Geigen aufgenommen, und Gitarren und Schlagzeug und sowas alles. Wir haben Live-Instrumente aufgenommen. Das war zwar enorm viel Arbeit und Mühe, aber es hat sich am Ende gelohnt. Ich würde es auch immer wieder so machen, weil man einfach den Unterschied merkt. Wenn man sich zusammen mit dem Produzenten hinsetzt und die Sache von A bis Z gemeinsam angeht, statt dass man MP3s hin- und herschickt und irgendwie da Sachen aufnimmt. Das ist ein Riesenunterschied.

Früher hieß es noch: "Ich mach' alles allein, ihr Wichser!" Von der Vorgehensweise scheinst du inzwischen abgerückt zu sein.

Ja. Na, klar. Das ist natürlich die Wunschvorstellung, dass man als Ein-Mann-Fabrik irgendwie am besten noch ein Orchester ist. (Lacht) Aber es funktioniert halt leider nicht. Das musste ich auch irgendwann einsehen. Aber wenn man sich dann drauf einlässt, dann erreicht man halt auch einfach viel mehr. Man kann bessere Musik machen. Auch dieses Teamwork und so: Das ist auch immer 'ne schöne Sache, wenn das gut funktioniert.

Macht ja auch Spaß, wenn man unmittelbar ein Feedback kriegt, statt alleine vor sich hinzuwursteln.

Genau. Klar, auf jeden Fall. Vor allem mit so begabten Leuten wie Johannes oder Timo. Zum Beispiel Timo hat 'ne klassische Musik-Ausbildung, kommt eigentlich aus dem Black Metal, der hat ein unglaubliches musikalisches Know-How. Das ist ein anderes Level, wenn man mit solchen Leuten arbeitet, als ... Ja, jetzt nix gegen die alten Produzenten von mir. Die waren natürlich auch super, und das hat auch zu der Zeit gepasst und Spaß gemacht. Aber irgendwann ... Ich bin halt so ein Typ, ich bleib' ungern stehen. Ich will immer irgendwie eine Weiterentwicklung machen, sonst macht es mir keinen Spaß. Und mit den Leuten hat es halt richtig Spaß gemacht. Es gab eine super Weiterentwicklung, und darüber bin ich echt froh.

Timo Krämer ... kann es sein, dass mir der im Zusammenhang mit Vega zum ersten Mal bewusst über den Weg gelaufen ist?

Genau. Von "Nero" hat er einen Teil produziert, aber jetzt große Teile von dem neuen "Kaos"-Album.

Du hast erwähnt, dass das Album ziemlich abwechslungsreich wird. Das zeigen allein schon die Gäste: 'Ne Platte, auf der die alten Bass Crew-Typen und Sido und Prinz Pi und Indira Weis zu finden sind ... klingt nach einem ziemlichen Spagat.

Ja, auf jeden Fall. So ist das immer bei mir. Ich mach' immer so einen Spagat. Wenn du die alten Alben von mir kennst, dann ist dir bestimmt aufgefallen, dass die total zersetzt waren von Features. Jeder zweite Song hatte irgendwie ein Feature. Ich wollte das bei diesem Album anders machen. Ich hab' zuerst die Songs gemacht, und wenn ich mir dachte: Okay, das ist jetzt nicht wirklich so ein Solo-Song, da könnte jetzt noch jemand draufpassen, dann hab' ich mir wirklich Gedanken darüber gemacht: Wer könnte das sein? Wer könnte da perfekt draufpassen? Wer könnte das Thema einfach auch fühlen? Und so bin ich halt ganz anders an die Sache rangegangen als früher.

Wobei es ja schon nicht gerade wenige Features sind.

Ja. Aber für ein Basstard-Album ... (Lacht) Ja, du hast natürlich Recht, Man könnte auch noch weniger machen, natürlich. (Lacht)

Man könnte auch mal alles alleine machen, ihr Wichser!

(Lacht) Ja. Aber das macht ja keinen Spaß.

Darüber, dass auch ein Basstard Gefühle hat, sollte sich spätestens nach "Zwiespalt (Weiss)" eigentlich keiner mehr wundern. Du scheinst aber echt nicht zu fürchten, deine Fans mit Liebesliedern wie "Mädchen Aus Dem Osten" oder "Lass Nicht Los" zu verschrecken.

Nein. Überhaupt nicht. Warum denn auch? Das war schon immer ein Teil von mir. Ich glaube, der erste, dem das so aufgefallen ist, war übrigens Mach One. Damals im Bassboxxx-Studio. Der hat damals zu mir gesagt: "Ey, der Basstard, der macht immer diese harten Horrortexte und so. Aber eigentlich, eigentlich ist das, was er macht, sehr romantisch." Der hat vollkommen Recht gehabt, ne? Das ist schon immer ein Teil von mir gewesen, dieses ... ja ... vielleicht ist das auch ein bisschen schnulzig. Ein bisschen ist es schon so. Klar, auch damals: "Schwarze Witwe" ... Ich mein', das war ein total irres Lied, aber es war trotzdem irgendwie 'ne Ballade, 'ne Liebesballade, auf seine Art und Weise. Genau so werd' ich das auch weiter machen. Ich mach' gerne Liebesballaden, und ich denke, die haben trotzdem noch genug Basstard, dass es unverkennbar ich bin.

"Es gibt Rammstein, das gibt mir Hoffnung"

Weil du das Bassboxxx-Thema ansprichst: Die Liebesgrüße, die dir Isar kürzlich per Interview übermittelt hat, hast du gesehen?

Ja!! Hat mich sehr gefreut. Ganz großes Herz zurück an Isar.

Diese Bassboxxx-Nummer war so ein Schützenfest für mich. Hab' ich ihm schon erzählt: Ich hab' die Ankündigung gesehen und nur gedacht: Ohgott, bittebitte, lass' es gut sein! Ich wollte es einfach nicht nur aus alter Verbundenheit mögen müssen. Ich hab' mich total gefreut, dass es wirklich gut geworden ist.

Ja, wir haben uns alle total gefreut. Das war ein Riesenspaß.

So sah es auch aus. Isar hat gesagt, er finde total cool, was er von deinem Album schon gehört hat. Freut einen Lob von Kollegenseite mehr als von Kritikern oder Fans?

Ja, auf jeden Fall. Aber meistens ist es mit Lob von Kollegen immer so ein bisschen schwierig, weil meistens gibts da keine negative Kritik. Ab und zu schon. Dann bin ich, ehrlich gesagt, auch sehr dankbar, weil immer nur "Ey! Voll cool! Voll gut gemacht!" und so, damit kann ich nicht viel anfangen. Das ist zwar nett gemeint, aber ich brauch' halt immer eher konstruktive Kritik. Damit kann ich viel mehr anfangen, weil so entwickle ich mich auch weiter. Ich bin, ehrlich gesagt, immer sehr dankbar für ehrlich gemeinte, konstruktive Kritik. Das ist das beste Feedback, denk' ich, das man mir geben kann.

Du kannst gut mit Kritik umgehen?

Ja, definitiv. Klar, es gibt auch Sachen ... Ich war ja letztens bei "Disslike" (lacht), da gibts so Sachen, da kann man nix zu sagen. Das ist halt einfach doof. Aber sobald die Kritik irgendwie Substanz hat, Hand und Fuß, und man merkt, derjenige hat sich wirklich Gedanken gemacht, meint das ernst und will dir was mitgeben, dann nehm' ich das sehr gerne an.

Die Feststellung bei "Disslike", dass du in Wirklichkeit Savas bist, fand ich schon sehr aufschlussreich. Dass mir das nicht schon vor zehn Jahren aufgefallen ist ...

Ja, mir ja auch nicht! Da hab' ich die ganze Zeit dieses Doppelleben geführt, ohne es selbst zu merken. (Lacht)

Sachen gibts. Du hast bei "Disslike" jedenfalls relativ entspannt gewirkt. Steckst du so Haterkommentare mühelos weg?

Ich hab' mich, ehrlich gesagt, mental schon gut drauf vorbereitet. (Lacht) Ich hab' mir viele "Disslikes" angekuckt und ... jaaa, ich wollte halt nicht so unvorbereitet hingehen und hab' mir immer gedacht: Egal, was da kommt, bleib' einfach ruhig und mach' dein Ding. Das hab' ich dann auch ganz gut gemacht, denk' ich.

Das heißt, du hast vorher quasi Hausaufgaben gemacht und Kommentare gelesen?

Nee. Es gibt ja so unendlich viele Kommentare! Klar, ich hab' natürlich versucht, vorher Kommentare zu finden, die besonders schlimm sind. Aber im Endeffekt kamen dann ganz andere Sachen, als die, die ich da gesehen hab'. Und das ist auch besser. Sonst hätt' ich mich vielleicht zu sehr vorbereitet, und dann wäre das vielleicht auch ein bisschen auswendig gelernt gekommen. Es ist immer besser, wenn du spontan reagierst. Ich als Zuschauer merk' auch sofort, wenn jemand nur schauspielert. Und ich denk', viele Fans von mir, die merken das auch. Die merken das sofort. Deswegen immer lieber ehrlich sein und spontan reagieren, als irgendwie versuchen, was zu kreieren.

Unter normalen Umständen: Liest du Kommentare, etwa unter Videos, überhaupt?

Ja. Na, klar. Ich glaub', jeder, der irgendwie erzählt: "Ich kuck' da gar nicht, das interessiert mich nicht!", der lügt. (Lacht) Irgendwie interessiert es einen immer, was die Leute schreiben und denken. Darauf wartet man ja auch, wenn man so ein Video rausbringt oder so. Als Künstler will man ja Resonanz haben. Ich mach' das ja auch nicht nur für mich, die Musik. Ich mach' das ja auch für die Leute da draußen und will natürlich auch wissen, was die davon halten. Klar.

Du bist jetzt schon vergleichsweise ewig im Geschäft. Ändert sich da die Sichtweise auf solche Beschimpfungen?

Joaaa ... pffff ... Ich weiß es nicht. Klar, man wird auf jeden Fall gelassener. Aber eigentlich hat mich das jetzt nie so großartig gestört. Ich kenn' Leute, die regen sich richtig über sowas auf. Die sagen dann: "Ich treff' mich mit dem YouTube-Wichser!" und so. Mich hat das aber noch nie so großartig gejuckt. Das sind halt irgendwelche Kids, die sitzen zu Hause vorm Rechner und kommen sich ganz wichtig vor, wenn sie irgendjemanden dissen können und so. Das ist halt so. Das akzeptier' ich auf jeden Fall auch und find' das auch teilweise echt witzig. Manche Kommentare sind auch einfach echt lustig. Und das ist ja auch gut so.

Mich wundert immer ein bisschen, wie empfindlich manche deiner Kollegen reagieren. Wenn ich mich als Künstler mit einem Werk an die Öffentlichkeit traue, dann hab' ich doch vorher so lange dran rumgeschraubt, bis ich es für gut genug befinde. Dann kann mich die Meinung irgendwelcher Kinder doch nicht so aus der Bahn werfen.

Genau. Das gehört doch auch dazu. Da kriegt man auch mal was ab, und das ist auch normal. Wenn man sich mit irgendwas in die Öffentlichkeit stellt, gibt es immer Leute, denen das nicht gefällt. Is' halt so.

Du gehörst jetzt aber schon immer zu denen, die ziemlich stark polarisieren. Zwischen "Basstard geht gar nicht" und "Basstard? Jööööh!" gibts kaum was. Woran, glaubst du, liegt das?

In Deutschland ist es halt schwierig. Du siehst Leute, die wirklich erfolgreich sind, wie Cro: Die ecken halt überhaupt nicht an. Die haben keine Ecken und Kanten, die flutschen halt durch, weil die so ein schönes, weiches, wattiges Produkt sind. Das bin ich halt nicht. Ich hab' total viele Ecken und Kanten. Deswegen ist das für die Leute auch ein bisschen schwierig, mich einzuordnen. Ich hab' ja diese Schublade selber aufgemacht, dass die Leute sagen: "Okay, das ist der Horror-Rapper." Dann brech' ich diese Schublade wieder kaputt, indem ich auf einmal Liebesballaden mache. Das ist natürlich schwierig für die Leute, das irgendwo zu fassen. Aber ich hoffe, ich kann mich da irgendwann einfach durchsetzen, damit. Dass ich irgendwann so stark polarisiere, dass mich die Leute gar nicht mehr ignorieren können. Das wär' natürlich ein Traum, wenn das irgendwann so weit wäre. Aber da bin ich noch dabei, darauf hinzuarbeiten.

Wenn man auf Verkaufszahlen und Chartsplatzierungen kuckt, könnte man den Eindruck bekommen, als herrschten gerade echt gute Zeiten für deutschen Hip Hop. Siehst du das auch so?

Ja, klar. Definitiv. Ich denke, dass Hip Hop in Deutschland noch nie so groß war. Wenn man mal zehn Jahre zurückkuckt: Da war das halt nicht so. Da war Rap in Deutschland total überschaubar und klein, irgendeine kleine Community, nicht viele Fans, und so. Wenn man damals nach Frankreich gekuckt hat, war da der Teufel los. Da gings richtig ab. Da gabs jede Woche Chartsplatzierungen von französischen Rappern, deren Zeug lief in Frankreich im Radio rauf und runter. Da hat man immer so ein bisschen neidisch rübergekuckt und sich gedacht: Boah, da gehts ja ab! Sogar die Amis interessieren sich dafür, was da passiert, und hier für Deutschland interessiert sich keine Sau. Ich glaube, das hat sich jetzt total geändert. Inzwischen sagen sogar Franzosen: Es ist voll interessant, was da gerade in Deutschland abgeht. Das find' ich echt cool. Es ist auch teilweise verdient, weil aus Deutschland kommt halt verdammt viel innovatives Zeug, zur Zeit. Darauf kann man echt stolz sein, find' ich.

Denkst du, du kannst von diesem Deutschrap-Hype auch ein bisschen profitieren? Willst du das überhaupt?

Klar! Warum nicht? Ich hoffe natürlich, dass ich meine Musik jetzt auch mal einer größeren Hörerschaft nahe bringen kann. Wie gesagt: Es ist halt nicht so einfach bei mir. Weil ich eben diese Ecken und Kanten habe, was in Deutschland immer so ein bisschen schwierig ist. Aber ich mein' ... ey! Es gibt auch Rammstein! Sowas gibt mir halt immer Hoffnung. (Lacht)

Du hast vorhin die Schublade "Horror-Rapper" angesprochen. Ich hab' das Gefühl, dass du zwar noch mit okkulten Bildern und Symbolen spielst, aber dass dieses Thema über die Jahre doch ziemlich in den Hintergrund gerückt ist. Richtig?

Ja. Klar, das ist nach wie vor etwas, das zu mir passt und das ich gern nutze. Aber wie du schon sagst: Es ist eher 'ne optische Sache, die dieses Konstrukt "Basstard" so ein bisschen am Leben hält. Aber wirklich wichtig ist mir eher das Inhaltliche. Und das ist ja nicht mehr wirklich so Horror, das geht eher in den alltäglichen Horror. Ich red' da über ganz reale Themen. Das hat sich auch ein bisschen geändert. Früher war das oft mit viel ... ja ... Fantasy verbunden. Heutzutage ist das nicht mehr so. Das, was ich auf dem Album anspreche, sind alles Sachen, wo sich jeder ein Stück weit drin wiederfinden kann. Es war mir auch ganz wichtig, diese Entwicklung zu machen.

Dir ist die Realität inzwischen brutal genug?

Hm. Die war schon immer brutal, oder? Ich glaub', das war eher andersrum: Dass die Realität immer schon so brutal war, dass ich mir dachte, in meiner Phantasiewelt ist es viel schöner.

Au weia.

(Lacht) Dieser Film, "Pans Labyrinth". Kennste den? Das ist einer meiner Lieblingsfilme, weil der diese Atmosphäre sehr schön beschreibt, die ich auch mit meiner Musik zu machen versuche. Diese beklemmende Märchenatmosphäre. Ich glaube, meine Musik hat das auch. Wenn ich es irgendwann schaffe, das mit dieser puren Realität zusammenzubringen, wie das auch bei "Pans Labyrinth" so schön geklappt hat, dann hab' ich, glaub' ich, mein Ziel erreicht, die Musik zu machen, die ich immer machen wollte.

Ich fand' schon immer, dass du vielleicht nicht der Wahnsinns-Techniker bist, sondern dass bei dir immer die Atmosphäre den Reiz der Tracks ausgemacht hat. Legst du da tatsächlich mehr Wert drauf?

Genau. Klar, Technik ist mir auch wichtig. Ich versuch', mich da auch immer weiterzuentwickeln und Neues zu lernen. Es gibt in Deutschland halt auch viele krasse Leute. Kollegah ist zum Beispiel ein Paradebeispiel für unglaubliche Technik. Was der da an Silben zusammenhaut, das ist unfassbar. Klar, da will ich natürlich auch anschließen und nicht wie vor zehn Jahren klingen. Aber viel wichtiger als die technische Seite sind mir immer der Inhalt und die Atmosphäre, wie ich etwas rüberbringe. Ich denke, das ist, was meine Musik ausmacht. Dass die so krass atmosphärisch ist und, dass der Inhalt so tief geht und stark ist. Das versuche ich natürlich auch zu erhalten.

Viele deiner früheren Tracks, aber auch bei "Antimaterie" ist mir das wieder aufgefallen, empfinde ich beim Hören als echt unangenehm, aber eben auch beeindruckend intensiv. Steckt da der Gedanke dahinter, dass man nicht nur sich selbst für die Kunst quälen muss, sondern auch den Konsumenten?

(Überlegt). Ja. Das ist ein echt interessantes Thema. Ich krieg' oft Nachrichten von Fans, die schreiben mir: "In richtigen Scheißsituationen, wenn mein Leben keinen Sinn mehr hat und alles den Berg runterfährt, dann gibt mir deine Musik voll Kraft und ich kann weitermachen." Ich hab' nie verstanden, warum das so ist. Weil irgendwie ist die Musik, die ich mache, halt doch sehr beklemmend, wie du sagst, und depressiv, manchmal. Das hat mir aber auch wieder Kraft gegeben, weiterzumachen. Wenn ich so ein Feedback hab', von Leuten, die dann sagen: "Ey, das gibt mir Kraft, was du da machst", dann ist das für mich total schön. Das ist das beste Feedback, das man kriegen kann.

Hat man, wenn man solche Reaktionen bekommt, nicht auch manchmal Schiss, dass man jemanden, der gerade in einer labilen Situation steckt, mit so einem beklemmenden Ding vielleicht noch über die Kante schubst?

Ja, natürlich. Darüber hab' ich auch schon sehr, sehr lange nachgedacht. Ich glaub' aber nicht, dass die Musik ausschlaggebend ist für eine psychische Krankheit. Ich glaub' eher, dass sie jemandem, der labil ist, vielleicht sogar Halt gibt. Weil er sich dann vielleicht auch ... ja ... nicht so allein fühlt, in dem Moment, in dem er sowas hört. Ich glaub', das ist viel wertvoller als der Gedanke, dass ich mit dieser Musik Leute negativ beeinflussen könnte.

Einer deiner Vorsätze lautet: "Nicht So Depressiv Sein". Klappt das denn?

Ey, der Song, muss ich ehrlich sagen, der hat mir selbst immer viel Kraft gegeben. Vor allem der Refrain. der ist sehr eingängig und einfach. Ich hatte jetzt schon mehrere Situationen, in denen mir dieser Refrain den Arsch gerettet hat. Zum Beispiel gestern! Gestern war ich beim Zahnarzt. Ich hasse Zahnärzte wie die Pest. Dann mussten sie bohren, ich hab' 'ne Spritze bekommen, und mein Rettungsanker war die ganze Zeit dieser Refrain. (Singt) "Nicht so depressiiiiv sein!" (Lacht) Ich hab' diesen Refrain im Kopf mitgesummt, und dann war alles halb so schlimm. (Lacht) Da kann ich das teilweise doch nachvollziehen, wie solche Musik einem in doofen Situationen auch helfen kann.

Mit deiner "Einblicke"-Serie hast du ... äh, ja ... eben Einblicke in den Entstehungsprozess deines Albums gestattet. Findest du, dass Künstler ihre Fans möglichst nah an sich ranlassen sollten?

Ja, warum nicht? Auch, wenn ich Konzerte mache, dann bin ich voll gerne davor oder danach noch mit den Fans zusammen und quatsch' mit denen. Das ist für mich total interessant, weil das oft Leute sind, die mir sehr ähnlich sind. Das ist immer wieder erstaunlich, Leute kennen zu lernen, die ähnlich denken wie ich und die wahrscheinlich auch deswegen die Musik so mögen. Weil ich denen aus dem Herzen spreche. Das ist immer wieder supergeil, so Leute zu treffen.

Über deine Musik gibst du eine Menge von dir als Privatperson preis.

Es geht. Ich find' das gar nicht, weil: Die Musik, die ich mache, ist überhaupt nicht autobiografisch. Es gibt ja Leute, wie zum Beispiel Mach One, die alles, das sie rappen, auch wirklich gelebt haben müssen. Ich bin ja überhaupt nicht so. Ich erzähl' halt viel von meinen Gefühlen, aber ich glaube, die Leute wissen von meinem Privatleben so gut wie gar nichts. Das ist auch völlig okay, das muss man nicht wissen.

Demnächst werden sie wissen, dass du gestern beim Zahnarzt warst.

"Basstard beim Zahnarzt! Hat Angst!" Hmm. Ohje, was red' ich denn da. Machst du bestimmt die Überschrift draus. Aber Zahnärzte sind echt fiese Motherfucker. (Lacht) Wobei meine Zahnärztin echt nett ist. Schöne Grüße.

Das heißt, du ziehst bewusst Grenzen um dein Privatleben?

Ja. Ich denk', dieses ganze Boulevard-Ding, von wegen jedes Fiddelchen aus deinem Privatleben ist irgendwie Futter ... Ich find', das ist zu viel. Wieso sollte man das machen? Es gibt ja auch Leute, bei denen es anders klappt. Zum Beispiel Stefan Raab, über den weiß auch keiner was. Der macht halt erfolgreich sein Ding, das ist doch völlig okay.

Find' ich vor allem für die Angehörigen angenehm, die sich den Job in der Öffentlichkeit ja nicht ausgesucht haben.

Genau, das auch. Vor allem: Ich wurde ja schon früh damit konfrontiert. Ich hab' sehr früh angefangen, Sachen zu veröffentlichen, mit 18 oder so. Damals wurde irgendwie mein bürgerlicher Name publik. Mein Vater stand im Telefonbuch. Der hat dann die ganze Zeit irgendwelche blöden Anrufe bekommen und hat sich total darüber aufgeregt. Er war halt so ein Typ, er war sehr impulsiv und (lacht) hat dann auch den einen oder anderen Fan und seine Mutter beleidigt. Zurück-beleidigt, sozusagen. Irgendwann wächst man da halt auch rein und wird mit der Zeit ein bisschen vorsichtiger, was das angeht.

Du hast dein Talent demnach vom Papa?

(Lacht) Das wär' jetzt gemein. Ich hab' mein Talent definitiv von meinem Vater, aber nicht, was Beleidigungen angeht. Er war Kunstmaler und war auch sprachlich sehr begabt. Er hat sieben Sprachen gesprochen, darunter - als Iraner! - akzentfreies, fließendes Japanisch. Das war total irre, wenn irgendwelche japanischen Touristen in Berlin waren und er dann so ein paar Sätze ausgepackt hat, dann ist denen halt die Kinnlade runtergefallen. Das war für die total gruselig, auch: "Hilfe! Wieso kann der Typ jetzt so perfektes Japanisch?" (Lacht)

Da bin ich neidisch. Mit Sprachen wär' ich auch gerne gut.

Wär' ich auch gerne! Da bin ich auch neidisch, weil: Ich kann das halt leider nicht. Ich hab' mich auch, ehrlich gesagt, kaum damit befasst. Trotzdem war mein Vater eine große Inspirationsquelle. Alleine seine Bilder waren für mich immer sehr, sehr inspirierend. Ich glaube, vieles in seinen Bildern hat sich mit der Zeit auf meine Texte übertragen. Er hat viele surreale Sachen gemalt, Postmoderne und Surrealismus. Ich denke, meine Texte sind irgendwie auch so.

"Metal zu machen, hab' ich mich nicht getraut"

Deine Texte und besonders auch die Videos zu "MDZ" und "Nur Ein Basstard" machen einen extrem cineastischen Eindruck. Man bekommt schon das Gefühl, dass du ein visueller Typ bist, der Wert auf die Optik legt.

Ja, definitiv. Das hab' ich früher sehr vernachlässigt, muss ich sagen, weil ich auch nicht die Möglichkeiten hatte. jetzt hab' ich ein gutes Team um mich herum. Die arbeiten mit mir, die kümmern sich um mich. Viele gute Filmleute, die auch verstehen, was ich transportieren will, und die das filmisch gut mit mir umsetzen können. Das ist eine wirklich sehr, sehr gute Teamarbeit zwischen diesen Leuten und mir. Wir setzen uns zusammen, und im Endeffekt entsteht das Video gemeinsam. Die Idee zum Video, die Umsetzung, alles entsteht gemeinsam. Das ist ein supercooler Prozess. Der muss auch sein. Ich bin halt so speziell in meiner Musik, dass es sonst auch schwierig wäre, das umzusetzen, was ich da mache. Denk' ich.

Hast du jetzt Blut geleckt? Juckt es dich, auch mal einen Film zu machen?

(Lacht) Jaaaa ... also ... ja. Ich würd' supergerne einen Film machen. Natürlich. Ich hab' auch schon mal an einem Drehbuch gearbeitet, zusammen mit einem Freund, Antonio Wannek, der spielt übrigens auch in meinem nächsten Musikvideo mit, zu dem Song "Antimaterie". Der ist extrem filmisch, da spielen auch zwei Schauspieler mit. Da geht es noch mal 'ne Nummer filmischer zu als in den vorherigen Videos. Klar, ich hab' auf jeden Fall Bock drauf. Aber das ist auch sehr zeitaufwändig. Ob man dafür jetzt Förderung bekommt? Wie finanziert sich der Film? Das sind halt immer so Fragen, da muss man sich mit beschäftigen. Und da hab' ich jetzt noch nicht die Zeit dafür gehabt.

Wäre das dann ein Horrorfilm?

Ich denk' nicht, nee.

Timo Krämer hat den Beat zu "Nur Ein Basstard" beschrieben als "ein bisschen wie Filmmusik". Wäre Filmmusik eine Option für dich?

Ich würde meine Musik sehr gerne anbieten, um Filme damit zu unterlegen. Aber ich könnte mir auch sehr gut vorstellen, für Filme Musik zu machen. Bisher war da aber noch nix. Obwohl, jetzt vor kurzem ... Es gibt so einen Kurzfilm, der geht so ein bisschen in die Tim Burton-Richtung. Als ich das gehört hab' - ich bin ein riesen Tim Burton-Fan! - da wollte ich unbedingt mitmachen. Dann hab' ich die Leute kontaktiert. Die haben sich meine Songs angehört und haben sich auch zwei vom neuen Album ausgesucht. Ich weiß aber nicht, wann der Film kommt. Das ist halt ein bisschen so ein Studentenprojekt, das dauert bestimmt noch 'ne Weile. Aber was die da gemacht haben, das sah sehr geil aus. Ein Animationsfilm, so typisch düsterer Tim Burton-Style, mit Ouija-Board und Dämonen und so ... (lacht) Also perfekt. "Weenland" heißt das Ding. Die haben auch eine Seite, da kann man spenden, für den Film. So 'ne Crowdfunding-Geschichte, glaub' ich. Da kann man sich auf jeden Fall mal informieren.

Filme, Filmmusik ... da wäre der nächste logische Schritt die Schauspielerei.

Ja, klar. Hätt' ich auch Bock drauf. Ich hab' sogar mal ein Angebot für 'ne Rolle bekommen, aber hab' dann kurzfristig abgesagt, weil was dazwischen kam. Die Rolle war aber auch ein bisschen schräg. Ich sollte einen behinderten Priester spielen. (Allgemeines Gelächter) Nee! Der tut nur so, als sei er behindert, und am Ende ist er der Mörder. Die Rolle war cool. Ich hätte das auch gerne gemacht, aber leider hat das nicht geklappt. Aber ich bin da auf jeden Fall offen. Wenn es irgendwo Leute gibt, die denken, ich könnte in ihren Film reinpassen: Sagt Bescheid!

Halten wir fest: Basstard macht alles.

(Lacht) Genau. Das ist dann die Überschrift.

Nö. Das war ja schon "Basstard hat Angst vorm Zahnarzt". Aber wenn Basstard alles macht, gibts demnächst bestimmt auch Klamotten, Trainingsprogramme und irgendwelches Proteinpulver.

Woah, nee! da ist dann irgendwo die Grenze erreicht. Ich mach' zwar auch ab und zu Sport und geh' ins Fitnessstudio, und sowas, weil ich denke, man muss sich schon irgendwo so 'n bisschen fit halten. Aber ich bin jetzt nicht so der Fitness-Nerd.

Die Basstard-Transformation steht also nicht zu erwarten?

Na, ja. Vielleicht die Transformation in ein über-humanoides Wesen. (Lacht)

Hilfe! So, irgendwo hab' ich noch gelesen, du hältst dich im Grunde deines Herzens eigentlich für einen Metaller, der rappt.

Auf jeden Fall, klar.

Was hat dich dann davon abgehalten, Metal zu machen?

Ich weiß es nicht. Ich glaub', ich hab' mich nur nicht so richtig getraut. Ehrlich gesagt, hatte ich auch noch nicht so die Möglichkeiten. Ich hab' halt keine Band, in der ich richtig arbeite, und auch nicht so den Draht zu Rock-Produzenten.

Den hättest du ja jetzt.

Ja. Ja, Timo Krämer. Es ist ja noch alles offen. Wer weiß? Ich hätte auf jeden Fall Riesenbock darauf. Ich hab' auch schon in meiner Studienzeit teilweise was in der Richtung gemacht. Was mir auch wirklich Riesenspaß gemacht hat. Die Ergebnisse sind auch richtig geil. Ich hoffe, irgendwann demnächst damit einfach weitermachen zu können. Ich hab' Riesenlust drauf.

In dem Fall müsste ich das Thema Basstard dann an meine Metal-Kollegen abtreten.

Na, aber das, das ich machen werde, wird, glaub' ich, auch wieder sehr einzigartig sein. Das wird bestimmt auch kein purer Metal. Das wird schon wieder, denk' ich, eher ein Crossover. Vielleicht passt es dir ja doch.

Auf "Zwiespalt (Weiss)" hieß es: "Irgendwann zeig' ich dir, wer ich wirklich bin." Löst du dieses Versprechen mit "Meister Der Zeremonie" jetzt ein?

(Überlegt) Ja. Ein Stückchen weit. Aber noch nicht ganz. (Lacht) Ich glaub', das kommt dann auf dem Metal-Album, irgendwann. Da kommts!

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