laut.de-Kritik

Afrikas Antwort auf "Dark Side Of The Moon"?

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"Das wahrscheinlich wichtigste südafrikanische Album der letzten 20 Jahre", "Afrikas Antwort auf 'Dark Side Of The Moon'", "Beispiel eines neuen kulturellen Impulses des Post-Apartheid-Staats" – es haben sich unter dem Druck so gewaltiger Erwartungshaltungen schon Bands noch vor dem ersten Album aufgelöst. Die BLK JKS hingegen werfen selbst zu gern Kohlen ins Feuer.

Nach der Fertigstellung von "After Robots", das in New York unter den Produzentenhänden von Brandon Curtis (Secret Machines) entstand, hat Gitarrist Mpumi Mcata bei sich gedacht, dass "es gar nicht darauf an kommt, was die Leute von der Musik halten, denn es ist allein ob seiner Existenz ein wichtiger kultureller Moment".

Klingt zunächst stark nach Selbstbeweihräucherung, entpuppt sich aber schon auf dem Papier als Statement mit innerer Logik: Welches schwarzes Quartett, das zur Hälfte aus dem innerstädtischen Johannesburg, zur Hälfte aus den umliegenden Townships stammt, hat es seit dem Ende der Apartheid gewagt, sich ohne Vorbehalt dem Rock zu verschreiben? Wer hatte den Mut, sich das einst verschmähte Genre, die Musik der unterdrückenden Weißen, zu Eigen zu machen?

"Als wir anfingen, wurden wir mit einer Menge Feindseligkeit konfrontiert", bestätigen die vier. Heute sind die BLK JKS in Südafrika die einzige Combo von grenzüberschreitender Relevanz, die Zulu-Kultur und westliche Rockhelden wie Jimi Hendrix zusammendenkt. Von Diplo auf Tour entdeckt und mittlerweile beim hippen Antony Hegarty-Label unter Vertrag, rekombinieren Lindani Buthelezi (Gesang & Gitarre), Mpumi Mcata (Gitarre), Molefi Makananise (Bass) und Tshepang Ramoba (Drums) vermeintlich determinierte Genre-Modelle völlig neu.

Sie zehren mehr von Fela Kuti als vom modernen, beatlastigen Kwaito. Doch ist es vor allem ihre Liebe für Psychedelic- und Progressive Rock, ganz konkret für TV On The Radio und The Mars Volta, aus der die "After Robots"-Fassade besteht. Die typischen Stilmittel der Inspiratoren wechseln sich regelmäßig ab: Häufig beschreiben TOTR-Bläser, Harmoniegesänge und synkopierte Rhythmen das Referenzsystem, und genauso oft ergehen sich die beiden Gitarristen in orgiastischen Riffings, bis man Omar Rodriguez als Strippenzieher zu erhören glaubt. Übrigens huldigt auch das Cover-Artwork "Frances The Mute".

Allein Lindani Buthelezis Stimme wiederum vereint zwischen Gelegenheitsfalsett und expressiver Eindringlichkeit diese beiden Vorlagenlieferanten. Buthelezis Organ übernimmt allerdings zu keinem Zeitpunkt die dramaturgische Führungsrolle. Stattdessen fügen sich polyrhythmische, abwechslungsreiche Drumpatterns, Dub-Bässe und repetitive Gitarrenmuster gemeinsam zum kakophonischen Wirbelsturm. Bevor zurückgenommenere Momente wie "Standby" wieder einen regulären Adrenalinpegel zulassen, raubt insbesondere der Albumeinstieg mit rasenden, sich überschlagenden Offbeats jede Klarsicht.

Dort verschießen BLK JKS bedauerlicherweise zu viel ihres hochexplosiven Gemischs. Der eigentliche Fixpunkt des Debüts, das achtminütige "Kwa Nqingetje", verliert sich später in fahriger Beliebigkeit, wie auch der sprechgesungene Schlusspunkt (auf isiZulu?) dem überwältigenden Beginn nicht auf Augenhöhe begegnet. Ihrem fraglos progressiven Werk fehlt somit eines der prägenden Stilmerkmale des Progressive Rock: die kittende Gesamtkonzeptionalität. Trotz der historischen Bedeutung für schwarze südafrikanische Rockmusik besitzen die BLK JKS also noch Wachstumspotenziale in Richtung zwingende Album-Dramaturgie.

Trackliste

  1. 1. Molalatladi
  2. 2. Banna Ba Modimo
  3. 3. Standby
  4. 4. Lakeside
  5. 5. Taxidermy
  6. 6. Kwa Nqingetje
  7. 7. Skeleton
  8. 8. Cursor
  9. 9. Tselane

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