laut.de-Kritik

Schon gewusst? Azet braucht Geld.

Review von

Frage vorab an alle Produzent*innen da draußen: Wenn man ein ganzes Album produziert hat - muss man dann wirklich in jeden Track sein Producertag kleben? Lucry und Suena jedenfalls stellen ihre Egos erbarmungslos über den Gesamteindruck: Zu Beginn jedes einzelnen verdammten Songs lassen sie erst einmal unmissverständlich wissen, dass er auf ihrem Mist gewachsen ist. Gut, so bekommt das zwar auch noch der letzte Dulli mit. Es wirkt aber halt, als habe jemand ein wirklich edles Möbelstück entworfen und gebaut - und dann in die auf Hochglanz polierte Oberfläche mit dem Lötkolben "SCHREINEREI HALLMACKENREUTHER" eingebrannt.

Dabei hätte wirklich gereicht, einem dieser Beats seinen Stempel aufzudrücken. Die Produktionen ähneln sich in ihrer Machart über weite Strecken so stark, dass eigentlich klar ist, dass sie aus der gleichen Schmiede stammen müssen. Eröffnet wahlweise mit melancholischem Klimperklavier oder melancholischem Saitenspiel (und dem Brandzeichen "Lucry. Suena."), können wir runterzählen: In drei ... zwei ... eins ... JETZT setzt das galoppierende Afro-Getrappel ein.

Dieses Strickmuster hat sich offenbar bewährt. Warum sollte man daran dann etwas ändern? Wer ein Azet-Album kauft, kann ohnehin keinen besonders großen Wert auf Abwechslung legen. Mit beeindruckender Bandbreite hat der sich ja noch nie hervorgetan.

Der Albumtitel mag eine "Neue Welt" vorgaukeln, drinnen bleibt aber alles beim Alten. Bei Azet kreist immer noch alles um ein einziges Thema: "Ich brauch' Geld, ich hab' zehntausend Wünsche", teilt er gleich im ersten Song mit, und kein einziger dieser Wünsche, sofern Azet sich überhaupt die Mühe macht, einen auszuformulieren, klingt auch nur ein bisschen originell.

Azet rasselt Automarken herunter (gerne auch zwei oder drei verschiedene pro Track), erwähnt die eine oder andere Spirituose und ... das wars auch schon. Keine irre fantasievollen Investments, wenn ihr mich fragt. Ach, und an die Mama denkt Azet natürlich auch. "Heut' erfüll' ich alle ihre Wünsche", behauptet er zumindest in "Navigation".

Welche das sind, behält er leider auch hier für sich. Schade, es hätte mich wirklich schwer interessiert, mit welchem materiellen Scheißdreck Azet glaubt, die Tränen dieser Frau aufwischen zu können, die sicher wahnsinnig begeistert davon ist, dass sich ihr Sprössling als der große Dealerboss in Szene setzt, Konkurrenten mit Schüssen ins Bein droht, sich mit Typen umgibt, von denen "die Hälfte in Haft und die andere auf der Flucht" ist, und Frauen abkanzelt als "nicht mal eine von Hundert".

Es sei denn, es handelt sich bei der angejaulten Frau um "Meine Nana". Dann kann man sich auch mal gnädig zu einem "Heute bleib' ich bei dir, Baby" herablassen. My ass, wo gibts eigentlich das Selbstbewusstsein zu kaufen, das diese Typen haben? Als sei es irgendjemandes feuchter Fiebertraum, ein paar Krümel von jemandes Zeit abzubekommen, bei dem selbst, was wahrscheinlich ein Lovesong werden sollte, nur um einen kreist, nämlich: ich, ich, ich.

Nun, Azet scheint ja auch für ein Zeichen von Treue und Verbundenheit zu halten, "durch die alte Gegend im neuen Wagen" zu fahren, "weil ich nicht vergess', wer meine Freunde waren". Ich hoffe sehr für ihn, dass er wenigstens einen oder zwei hat, die nicht nur kommen, sobald es etwas zu holen gibt, und Azet ein bisschen Nachhilfe in Prioritätensetzung erteilen.

"Heute bin ich reich, aber irgendwas fehlt." Ach, was. Alter! Wenn sich deine ganze Existenz ums Geld dreht, "wir wollen Geld, schon seitdem wir klein waren", wenn Geld machen und Geld haben, "volles Portemonnaie, jeder in der Family", wenn das über allem anderen steht, wieso sollte das dann bei den Menschen, mit denen du dich umgibst, groß anders sein?

Im Ergebnis gerät Azets "Neue Welt" alles andere als neu, sondern absehbar as fuck. Die Tracks reihen die üblichen Straßenrap-Bauklötze aneinander: schnelle Autos, krumme Geschäfte, falsche Freunde, Suff, Drogen, die dicke Uhr am Handgelenk (gleich neben den klickenden Handschellen), die weinende Mama (deren einziger Daseinszweck offenbar darin besteht, auch noch zu nachtschlafener Zeit aufzustehen und für alle zu kochen) und "die Eine", die man ausnahmsweise nicht (wie alle anderen Frauen) wie einen Fußabtreter behandelt.

Für minimale Auflockerung sorgen eingestreute Textbrocken, stellenweise auch ganze Zeilen, auf ... Albanisch? Vermutlich kommen mir diese Stellen aber auch nur deswegen etwas frischer vor, weil ich der Sprache nicht mächtig bin. Die Gäste - zweimal Azets Bruder Albi, LaRose in der Hook des maximal egalen "Aventador" und Tanya - bleiben mit Ausnahme der letztgenannten ebenfalls blass. Die allerdings nimmt Azet "Ti Harro" (für das Lucry und Suena Oldfields "To France" wenn auch vielleicht nicht verwurstet, so doch zumindest gehört haben müssen) mit ihrem Vers komplett aus der Hand und präsentiert sich wesentlich mehr bad-ass.

Das wars dann auch schon, mit den Überraschungen. Produktionstechnisch bewegt sich alles auf gehobenem Niveau. Lucry und Suena (Habt ihr mitbekommen, dass diese beiden das waren? Lucry! Suena!) stricken aber immer nach demselben Muster. Nur "Une Jam" und "Bis Zum Ende" brechen mit deutlich finstererem Soundbild aus dem Schema aus. Leider verderben hier die schablonenhaften Gangsterfilm-Plattitüden den Spaß.

Finde übrigens schon ein bisschen süß, dass Azet warnt: "Alles, was du machst, kommt irgendwann auf dich zurück, Baby." Bin also gespannt, welche Retourkutsche das "Karma" für Dealerei, Drohgebärden und nicht zuletzt für diese sterbenslangweilige Platte vorgesehen hat.

Trackliste

  1. 1. Egal Wohin
  2. 2. Casa De Papel
  3. 3. Fluch
  4. 4. Karma
  5. 5. Ti Harro feat. Tanya
  6. 6. Freigang
  7. 7. Nicht Da
  8. 8. Cigare feat. Albi
  9. 9. Navigation
  10. 10. Une Jam
  11. 11. Aventador feat. LaRose
  12. 12. Meine Nana
  13. 13. Bis Zum Ende feat. Albi

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