3. August 2005

"Die zweitbeste Sache war, dass Zack ausstieg ..."

Interview geführt von

Die Fans erlebten die Geburt eines Klassikers. Wenn Tom Morello, Tim Cummerford, Brad Wilk und Sänger Chris Cornell Rage Against The Machines "Killing In The Name" abfeuern, reicht der Moshpit von der Bühne bis zum Mischerturm - und Zack De La Rocha scheint vergessen. Mit Cornell am Mic kam der Stadionrock in Reichweite der einstigen Polit-Aggros, stießen Audioslave mit "Be Yourself" doch die Tür zum Mainstream gewaltig auf. Wirklich angekommen sind sie dort aber nur bedingt. Denn Morellos Gitarrenspiel hat an Coolness und Kraft nichts eingebüßt.

In hektischer Backstage-Atmosphäre (die Band trudelte erst eine Stunde vor ihrer Stagetime auf dem Southside-Gelände ein, und für Kollege Friedrich stellte die mitgeführte Kamera vor Aufregung plötzlich ein tiefgreifendes Mysterium dar) trafen wir auf ein entspannt professionelles Duo: Tom Morello und Brad Wilk.

Vor einigen Wochen habt ihr in Havanna eine große Show gespielt, reagieren die Fans auf Kuba anders als in den USA oder Europa?

Tom Morello: Ja, natürlich. Sie haben zuvor noch keine Rock-Show von solchem Ausmaß in ihrem Land erlebt. Ich denke, da kamen Fans und Neugierige, die Show war ja kostenlos. Um die 70.000 Leute waren vor Ort, das war super. Wir sind sehr stolz und fühlen uns geehrt, als erste amerikanische Rockband überhaupt dort aufgetreten zu sein. Und die Leute waren wirklich dankbar, dass wir für sie gespielt haben. Einige Songs kannten sie besonders gut, andere weniger, aber sie haben das Konzerterfahrung genossen und aufgesogen. Es war toll.

War der Gig in gewisser Weise auch ein politisches Statement? Euer Präsident boykottiert das Land und Fidel Castro stellt die Vereinigten Staaten als eine große Gefahr für das kubanische Volk dar. Konntet ihr vielleicht ein Zeichen der Versöhnung setzen?

Brad Wilk: Wir haben definitiv ein Musik-Embargo zwischen den Vereinigten Staaten und Kuba beendet. Ich weiß nicht, ob es da um Versöhnung ging, aber es war ein musikalischer, kultureller Austausch.

Kommen wir zu eurem neuen Album. Mir scheint, als betont "Out Of Exile" eure melodische Seite deutlicher als das energetische Debüt ...

Brad Wilk: Mir scheint, du hast die neue Platte gar nicht ganz gehört? (Morello und Friedrich lachen)

Schon, ich meine vor allem einige ruhigere Stücke, die mehr gut funktionierendes Rock-Songwriting herausarbeiten als auf Power setzen.

Morello: Ich finde, wir bieten auf beiden Alben unterschiedliches Material. "Like A Stone", "I'm The Highway" oder "Getaway Car", ein Stück, das softer als jedes andere auf "Out Of Exile" ist. Und auf dieser Platte finden sich natürlich auch viele Rocker wie "Your Time Has Come", das Titelstück, "The Worm" ...

Wilk: "Man Or Animal" oder "Drown Me Slowly" ...

Morello: Die Platte ist vielseitig und wir haben sicherlich unsere melodischen Facetten erkundet. Aber wir wollen, dass die Leute wissen, dass wir sie jederzeit wegblasen können.

Habt ihr noch Stücke aus den Sessions zum ersten Album für "Out Of Exile" verwendet?

Wilk: Nein, es waren zwar noch Stücke übrig, aber wir haben ganz von vorne angefangen.

Tut sich Chris mit seinen Melodien und Vocals eigentlich leichter, wenn die Gitarren-Tracks schon stehen bzw. wie läuft euer Songwriting-Prozess ab?

Morello: Es passiert alles auf einmal. Er macht die Melodien zu den Songs, während die Musik entsteht.

Hat dich eigentlich irgendein Gitarrist während der Aufnahmen zu "Out Of Exile" besonders inspiriert?

Wilk: Ja! Oh, entschuldige. (Morello lacht)

Morello: Nein, nicht wirklich. Ich übe viel, bevor wir unsere Shows machen und meist verlasse ich mich auf meine Spontanität. Es passiert viel mehr intuitiv und live als nach Plan. Es gab daher keinen speziellen Einfluss auf mein Gitarrenspiel.

Brad, hältst du eigentlich Drum-Workshops ab, oder bist in irgendeiner Weise in der Drummer-Szene aktiv?

Wilk: Nein, ich habe damit nicht viel zu tun.

Für mich funktioniert die Fusion der RATM-Riffs und -Grooves mit den Siebziger-Rock-Vocals von Chris Cornell hervorragend. Einge RATM-Fans kritisieren aber das neue Line-up und sind der Meinung, dass mit dieser Backline allein der frühere Sänger Zack De La Rocha harmoniert. Sind das alles Ignoranten? (Morelllo und Friedrich lachen)

Morello: Ich lasse ihnen natürlich ihre Meinung. Sie müssen aber einsehen, dass Zack die Band verlassen hat. Musikalisch gesehen war es für Tim, Brad und mich wahrscheinlich die beste Sache, die uns passieren konnte, mit Zack Musik zu machen. Und die zweitbeste war, dass er die Band verlassen hat, so konnten wir mit Chris Cornell Musik machen. Als Zack ausstieg, hatten wir mit Rick Rubin gerade "Renegades" produziert, hingen gemeinsam ab und diskutierten, wie es weiter gehen soll - und haben eine Menge Soundgarden-CDs gehört ... Der Rest ist Geschichte.

Wilk: Außerdem haben wir "Badmotorfinger" schon gehört, als es mit Rage gerade erst richtig los ging. Mit Chris Cornell und Soundgarden sind wir also schon lange vertraut.

Wisst ihr eigentlich, was Zack von den Audioslave-Platten hält?

Morello: Das weiß ich genauso wenig wie du.

Wilk: Ich denke, er liebt sie. Wirklich, ich glaube, er mag Audioslave.

Wenn ihr jetzt Rage-Tracks live performt, ist da Zack nicht irgendwie ständig präsent?

Morello: Nein, überhaupt nicht. Sicherlich denkt man manchmal zurück. Es fühlt sich unglaublich an, Rage-Songs zu spielen. Aber wir hatten vor kurzem glücklicherweise eine Nummer-eins-Platte in Amerika und es ist zehn Jahre her, dass wir mit Rage Against The Machine dort standen. Und Konzerte mit zwei Audioslave-Platten und ein paar anderen Stücken zu spielen und mitzuerleben, wie die Leute ausflippen, das ist schon Wahnsinn. Ich glaube, die meisten Leute haben uns drei nach Zacks Ausstieg ausgezählt. Aber wir sind mittendrin und genießen es, Musik zu machen.

Fällt euch das heute leichter bzw. hat sich für euch da irgendetwas verändert?

Morello: Manches ist leichter. Rage Against The Machine war musikalisch immer umstritten. Auf die Musik, die wir gemacht haben, bin ich stolz und unsere Shows waren großartig. Der Entscheidungsprozess war aber immer sehr schwierig. Jetzt haben wir, was den Sound und das Touren angeht, viel weniger Stress.

Bei euren Platten legt ihr immer Wert darauf, zu betonen, dass sie allein mit Bass, Drums und Gitarren, also ohne Samples oder Keyboards, produziert sind. Mögt ihr elektronische Musik nicht besonders?

Morello: Nein, nein. (lacht)

Wilk: Natürlich nicht. Wir alle lieben elektronische Musik. Aber wenn wir unsere Platten machen, findet sie eben nicht statt.

Morello: Manche Sounds klingen elektronisch und wir wollen nicht, das jemand glaubt, sie seien tatsächlich so entstanden.

Wilk: Wir lieben Bands wie The Prodigy oder die Chemical Brothers ...

Wäre es vielleicht nicht interessant, elektronische Elemente zu integrieren?

Wilk: Die Gitarre ist doch ein elektronisches Instrument, oder? (Morello lacht) Wenn du einen Gitarristen wie Tom und einen Basser wie Tim hast, kommt das Bedürfnis gar nicht auf.

Morello: Außerdem finden wir es aufregender, unsere Vorstellungskraft zu nutzen, um Sounds in einem Led Zeppelin- oder Sex Pistols-Line Up zu kreieren, die du in diesem Kontext noch nicht gehört hast, als in den nächsten Musikshop zu gehen und entsprechendes Equipment zu kaufen. Das ist der einfache Weg. Wir fordern lieber unsere Kreativität und schauen, wie weit wir kommen.

Das Interview führte Eberhard Dobler

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