laut.de-Kritik

Lässiger Laptop-Pop vom Deerhunter-Sänger.

Review von

Sein Label 4AD hat es nicht leicht mit Bradford Cox. Nicht nur, dass der Deerhunter-Sänger pausenlos auf seinem Blog frisch aufgenommene Songs veröffentlicht, ohne das jemand auch nur einen Penny damit verdient. Im August 2008 verlinkte er auch noch aus Versehen auf das neue Album seines Soloprojekts Atlas Sound, das noch ungemastered auf einem Filehoster lag. Kostenlos und 14 Monate vor dem jetzigen Release waren die Songs im Netz.

Für Label und Cox eine um so größere Katastrophe, da sein Schlafzimmer-Solodebüt "Let The Blind Lead Those Who Cannot Feel" und Deerhunters Geniestreich "Microcastle" ihn bei der Presse zur großen Shoegazer-Hoffnung gemacht hatten. Ein Webcam-Bild mit ausgestrecktem Mittelfinger für die Follower seines Blogs, ein wüste Fluchbotschaft und die angedrohte Einstampfung des gesamten Albums waren Cox erste Reaktion.

Er hat sich letztlich für dieses Fehlverhalten entschuldigt und "Logos" doch fertiggestellt. Es ist ein Album, dass auf Tour parallel zu "Microcastle" entstanden ist. Mit Animal Collective bereiste Cox Europa, wo mit Gastgesang von Noah Lennox "Walkabout" entstand. Ein großartiger Song, der mit altem Dovers-Sample und verhalltem Beach-Boys-Appeal an Lennox nostalgische Soloarbeiten erinnert und – wie Pitchfork herausfand – tatsächlich von Cat Stevens Titeltrack zum Soundtrack von "Harold und Maude" beeinflusst zu sein scheint.

Die Kollaboration mit der von Cox seit Jugendtagen verehrten Laetitia Sadier von Stereolab ist nicht weniger gelungen. "Quick Canal", dass auf dem geleakten Album noch ohne die frei schwebenden Vocals daherkam und mit seinen knapp neun Minuten allein die Anschaffung lohnen dürfte, klingt, als würden Belle And Sebastian (oder natürlich Stereolab) sphärischen Dream-Pop mit einer sachte anrollenden Wall Of Sound spielen.

Auch wenn Cox in einem Interview beteuert, "Logos" sei ohne autobiographische Lyrics weitaus weniger introspektiv geraten: Gerade mit den neun verbleibenden Songs, die nahezu alle in nur einem Take aufgenommen wurden und nicht offensiv auf Beat oder Melodie gebürstet sind, macht er – ganz der "Digital Native" - seine musikalische DNA frei zugänglich.

Dieser mit Anti- und Psych-Folk kokettierende Laptop-Pop fußt auf repetitiven Gitarren-Pickings und breitet darüber sein fein gesponnenes Soundkleid aus, dass sich mit plätschernden Loops und kratzfreien Samples, aufschimmernden Beatles-Harmonien und dosierter Indie-Coolness sehr sanft an die Ohren schmiegt. Schon "Microcastle" hatte zwischen seinen exponierten Hits dieses ruhende Momentum, hier wird es von dem Shoegazer-Crooner zur eigentlichen Königsdisziplin erhoben.

Gleichwohl, es bleiben nur Schnappschüsse des kreativen Outputs von Bradford Cox. Klingt das abschließende "Logos" mit seinem rumpelnden Rhythmus nicht fast nach der Broken Social Scene? Und hat Atlas Sound nicht neulich gar Fleetwood Mac gecovert und gleich wieder online verschenkt? Einzig beim Dateien-Upload wird Cox in Zukunft zweimal hinschauen, so viel ist sicher.

Trackliste

  1. 1. The Light That Failed
  2. 2. An Orchid
  3. 3. Walkabout (w. Noah Lennox)
  4. 4. Criminals
  5. 5. Attic Lights
  6. 6. Shelia
  7. 7. Quick Canal (w. Laetitia Sadier)
  8. 8. My Halo
  9. 9. Kid Klimax
  10. 10. Washington School
  11. 11. Logos

Videos

Video Video wird geladen ...

12 Kommentare

  • Vor 14 Jahren

    scheint mir eine erwähnung wert zu sein, der mann.

    hinter atlas sound steckt bradford cox, frontmann von deerhunter. sein soloprojekt ist vom sound her ganz ähnlich, zumindest was "logos"(sein zweites album - das erste kam letztes jahr raus unter dem titel "let the blind lead those who can see but cannot feel") betrifft.

    wer sich über das album-cover (http://www.albumoftheyear.org/album/covers…) wundert...habe irgendwo gelesen, dass es sich um cox selbst handelt (seine birne glüht selbstverständlich nicht so, aber zumindest was die 'delle' am oberkörper betrifft), der am marfan-syndrom leidet.

    "logos" konnte ich schon hören und es ist wieder ein gelungenes psychdelic-(folk)pop album geworden. :cool:

    einen sonnigen hit gibt es mit panda bears noah lennox. der song heißt "walkabout" und ist so unglaublich unbefangen...und mitreißend. :phones:

    gibt's als gratis mp3:
    http://www.4ad.com/ (in der seitenleiste links)

    außerdem anhören:
    Shelia (http://www.youtube.com/watch?v=Zg1I0FOtE4c…)

    ein weiterer favorit(neben den genannten) ist das neunminütige "quick canal" mit laetitia sadier.

    1 The Light That Failed
    2 An Orchid
    3 Walkabout [ft. Noah Lennox (Panda Bear)]
    4 Criminals
    5 Attic Lights
    6 Shelia
    7 Quick Canal [ft. Laetitia Sadier]
    8 My Halo
    9 Kid Klimax
    10 Washington School
    11 Logos

    ist glaube ich auch schon draußen...

  • Vor 14 Jahren

    Danke für den Tip, werds mir mal anhören.

  • Vor 14 Jahren

    Wow. Ich hatte schon die ganze Zeit überlegt diesen Thread zu eröffnen. Aber ich dachte das interessiert hier sowieso niemanden. Das fantastische erste Album wurde hier ja auch komplett ignoriert.

    Außerdem wundert es mich, dass du hier nicht den offensichtlichen Überhit des Albums verlinkt hast.
    http://www.youtube.com/watch?v=vcMGACqsg5A
    Für mich - bei aller Vorsicht mit Superlativen - der bisherige Song des Jahres.

  • Vor 14 Jahren

    muss ich doch nicht, wo es bei laut eine rezension gibt.

    schöne review von dorner.@laut-review (« Dieser mit Anti- und Psych-Folk kokettierende Laptop-Pop fußt auf repetitiven Gitarren-Pickings und breitet darüber sein fein gesponnenes Soundkleid aus, dass sich mit plätschernden Loops und kratzfreien Samples, aufschimmernden Beatles-Harmonien und dosierter Indie-Coolness sehr sanft an die Ohren schmiegt. »):

    der satz bringt es in der tat gut auf den punkt. :sekt:

  • Vor 14 Jahren

    @Screwball («
    sag mal, hast du dir den ersten beitrag in diesem thread überhaupt durchgelesen? :trusty:

    "walkabout" habe ich doch oben verlinkt!
    direkt-link als mp3
    http://4ad.beggarspromo.com/files/walkabou… »):

    Ich hatte den Fehler doch bereits kurze Zeit später eingestanden! :trusty:

    Heute abend live!!! :)

  • Vor 14 Jahren

    Ich find den Albumnamen "Logos" recht interessant. In der Bibel wird dieser Begriff im griechischen auch für Jesus Christus gebraucht. Es bedeutet einfach nur "Das Wort" oder "Wortführer". Ob hier wohl ein Bezug besteht? Ich glaube eher nicht. Trotzdem eine interessante Parallele.