16. September 2008

"Araya darf auch im Kleid auf die Bühne"

Interview geführt von

Eigentlich waren die Vorzeigewikinger Amon Amarth in den vergangenen Jahre ständig auf Tour und eilten von einem Erfolg zum nächsten. Wo sie die Zeit hergenommen haben, ein neues Album aufzunehmen, bleibt ihr Geheimnis. "Twilight Of The Thunder God" ist dennoch alles andere als ein Schnellschuss.Entsprechend entspannt tönt Sänger Johan Hegg auch us dem Telefonhörer. Und zu meiner großen Überraschung begrüßt er mich nicht nur in fast akzentfreiem Deutsch, sondern auch mit einer so tiefen und volltönenden Stimme, wie ich sie eigentlich nur vom Beloved Enemy-Sänger Ski-King kenne.

Hallo Eddy, hier ist Johan von Amon Amarth. Wie gehts dir?

Bestens! Sprichst du so gut deutsch, dass wir das Interview auf deutsch machen können?

Überhaupt nicht, das eben und "Ich spreche kaum deutsch" ist eigentlich alles, was ich sagen kann (lacht). Ich verstehe deutsch ganz gut, aber mit dem Sprechen ist es nicht so weit her.

Na die zwei Sätze reichen doch eigentlich aus, um den Rest zu faken.

Da hast du wohl recht (lacht), aber wenn einer dann nachhakt, steh ich mit herunter gelassenen Hose da.

Auch wieder wahr, aber wir machen hier ja keinen Deutsch-Test, sondern wollen über eure neue Platte sprechen. Wenn das dritte Album gern als das 'Make it or break it'-Ding hingestellt wird, was ist dann das achte Album?

Gute Frage (lacht). Ich hab keine Ahnung, aber ich denke mal, dass es ein hoffentlich weiteren Schritt nach vorne in unserer bisherigen Bandkarriere darstellt. Bislang konnten wir uns mit jedem Album steigern - sowohl was die Verkaufszahlen als auch was unsere Fähigkeiten als Musiker und Songwriter angeht. Ich glaube, dass uns das auch dieses Mal wieder gelungen ist. Zumindest fühlt es sich gut an, und wir sind alle davon überzeugt, ein starkes Album abgeliefert zu haben. Die bisherigen Reaktionen drauf sind zumindest durchwegs euphorisch.

Das wird sich mit meiner Aussage nicht ändern, die Scheibe ist wirklich bärenstark. Vor allem gibt sie in Verbindung mit dem verdammt coolen Coverartwork ein richtig geiles Package her. Das war bei der letzten Scheibe ja ein wenig schlicht ausgefallen.

Vielleicht, aber ich muss sagen, dass ich das Cover von "With Oden On Our Side" doch sehr mag. Wie du sagst, es ist ein wenig schlichter aber trotzdem sehr geschmackvoll und vor allem auch ausdrucksstark. Allerdings muss ich zugeben, dass wir ursprünglich ein anderes Cover geplant hatten, das aber leider ganz und gar nicht unseren Vorstellungen entsprach, als es uns endlich vorlag. Dann war die Zeit bis zur Veröffentlichung aber zu knapp, um noch mal drüber zugehen. Wir haben uns schließlich für dieses schlichtere Cover entschieden. Die neue Scheibe kommt nun wieder mit einem sehr detailreichen und bunten, aber auch sehr düsteren Cover.

Ja, und nicht nur das, es gibt auch einen Comic dazu. Ist das sozusagen die bebilderte Geschichte zum Album?

Nein, der Comic erzählt eher die nordische Mythologie in Grundzügen. Wer sich damit noch nicht so gut auskennt, bekommt so eine kleine Einführung. Der Comic wird aber nur einer sehr begrenzten Edition beiliegen, der Bobblehead Edition. (Dabei handelt es sich um die fünf Wikinger in Wackel-Dackel-Ausgabe. Dazu gibt es die neue Scheibe, das Comic, ein Poster, eine Bonus-CD und eine zusätzliche DVD mit dem Auftritt auf dem letztjährigen Summer Breeze, Anm. d. Verf.) Ich fand die Idee ziemlich cool, und auch die Umsetzung ist verdammt gut geworden. Wer also seine Kohle in diese stark limitierte Auflage investiert, bekommt wirklich was für sein Geld. Das alles war auch entsprechend zeit- und kostenaufwändig.

Mord, Tod, Brandschatzung? Ohne uns!

Ihr habt ja schon vor "With Oden On Our Side" eure normalen Jobs aufgegeben. Wie haben sich dadurch die Arbeiten an "Twilight Of The Thunder God" gestaltet?

Hm, natürlich ein wenig entspannter, aber im Allgemeinen haben sie sich nicht von unseren bisherigen Herangehensweisen unterschieden. Wir haben ja nicht alle zur gleichen Zeit unsere Jobs aufgegeben, sondern das hat sich nach und nach so entwickelt. Dennoch haben wir "Twilight Of The Thunder God" nicht über die vergangenen zwei Jahre hin geschrieben und daran gearbeitet, sondern das Ganze in einem relativ begrenzten Zeitraum über die Bühne gebracht. Amon Amarth ist eine sehr zeitaufwändige Band, schließlich sind wir viel und oft auf Tour, und es gibt genügend andere Ding zu tun.

Außerdem kann man Kreativität nicht herbei zwingen und irgendwann muss man seine Batterien mal wieder aufladen. Trotzdem musst du dich dann auf deine Arbeit konzentrieren und was Anständiges aufs Band bringen. Wir haben dieses Mal versucht, uns nicht so sehr an unserem eigenen Sound zu orientieren, nicht zu sehr nur auf die bekannten Trademarks zu setzen, sondern einfach auf das zu hören, was aus uns raus kommt. Bevor jetzt aber jemand in Panik ausbricht, wir klingen natürlich immer noch wie Amon Amarth. (lacht)

Das kann ich nur bestätigen. Was mich aber interessieren würde: Hast du nicht manchmal das Gefühl, dass ihr in Interviews immer nur auf zwei Dinge reduziert werdet? Nämlich Wikinger und das jeweilige, neue Album?

Ja verdammt, das stimmt schon. (lacht) Aber ich hab damit eigentlich kein Problem, denn die Wikinger sind nicht nur ein kulturelles Erbe unseres Landes, sondern für uns als Band enorm wichtig und vor allem nach wie vor interessant. Ich kann mir zumindest nicht vorstellen, dass mich die Thematik und die Mythologie jemals langweilen werden, und an Textmaterial werden mir die Ideen damit bestimmt auch nicht so schnell ausgehen.

Das würde mich auch wundern. Euer Drummer Fredrick hat mal gesagt, dass jeder eurer Albumtitel auf irgendeine Weise eure Situation reflektiert. "Versus The World" als Reaktion darauf, dass ihre es allen mit der Scheibe beweisen wolltet. "With Oden On Our Side" als ihr von einem Erfolg zum nächsten eiltet und euch keiner was anhaben konnte. Wie passt da "Twilight Of The Thunder God" rein?

Gute Frage, wir sollten Fredrick das Maul verbieten (lacht). Nein, im Prinzip hat er da schon recht. Mit den bisherigen Titeln kann man das so stehen lassen. Bei "Twilight Of The Thunder God" trifft das aber nicht unbedingt zu. Der Titel war erst nur ein Songtitel, und der Track ist einfach großartig. Außerdem klingt der Titel ungemein kraftvoll und verdammt ausdrucksstark. "Twilight Of The Thunder God", lass dir das mal auf der Zunge zergehen, das ist doch ein richtig cooler Ausspruch, oder?

Aber auf uns als Band kann man das wirklich nicht beziehen. Wer sich ein wenig mit der Mythologie auskennt, weiß ja, dass Thor aus dem Kampf mit der Midgardschlange zwar als Sieger hervorgeht, an ihrem Gift aber nach wenigen Schritten zugrunde geht. Würde man das auf uns als Band münzen, würde das ja heißen, dass wir uns nach der Scheibe auflösen, aber davon sind wir meilenweit entfernt.

Genau das wollte ich hören, denn in die Richtung hätte ich das sonst ausgelegt. Seid ihr eigentlich während der Aufnahmen immer noch alle im Studio zugegen?

Auf jeden Fall. Das ist sehr wichtig für uns und den Zusammenhalt der Band. Wir sind zwar nicht alle immer im Aufnahme oder Produktionsraum anwesend, aber doch meist in unmittelbarer Nähe. Das hat allerdings auch rein praktische Gründe, denn während gerade einer von uns am Aufnehmen ist, kümmern sich die anderen eben um andere Dinge, kaufen etwas ein oder machen was zu essen. Dann muss sich der im Aufnahmestudio keinen Kopf darum machen, was er sich nachher reinhaut, sondern kann sich voll und ganz auf die Aufnahmen konzentrieren. So sind wir alle bei jedem Schritt der Aufnahmen und der Produktion zugegen, und das hat sich einfach bewährt.

In den Chats auf eurer Seite schaut ihr auch immer mal wieder vorbei. Ist das ähnlich wichtig?

Klar, aber wirklich nur gelegentlich. Wenn wir zu allen Themen da unsere Kommentare abgeben oder uns an jeder Diskussion beteiligen würden, dann wäre das ein Fass ohne Boden. Wenn Fragen an uns direkt gestellt werden, bemühen wir uns schon diese zu beantworten. Aber solche Sachen sind immer verdammt zeitaufwändig. Wir versuchen allerdings, uns diese Zeit so oft wie möglich zu nehmen, denn sind wir mal ehrlich: Die Fans sind ja nicht für uns da, sondern wir für unserer Fans.

Wir sind wirklich jedem einzelnen verdammten Fan da draußen dankbar, dass er uns unterstützt und uns immer noch die Möglichkeit gibt, Platten zu veröffentlichen und auf Tour zu gehen. Also können wir uns auch mal die Zeit nehmen und bei ein paar Diskussionen mitmischen - und darauf achten, dass es da nicht zu Ausschreitungen kommt und sich keiner verletzt. (lacht)

"Das ist schließlich Tom Araya!"

Wenn du gerade von Verletzungen sprichst: Ich hab auf eurer Homepage gesehen, dass ihr da zu einem Viking Video Contest aufruft. Was zur Hölle ist das und hast du da schon irgend was gesehen?

(Lautes Lachen) Nein, bislang nicht, und ich weiß auch nicht so genau, was dabei im Endeffekt rumkommt. Das war auch so eine verrückte Idee, wie die Sache mit dem Bobbleheads, aber ich finde das ganz lustig. Bin echt mal gespannt, was da für Videos letztlich eintrudeln.

Hast du keine Angst, dass da ein paar Knallköppe mit irgendwelchen abgedrehten Axt-Hühner-Hack-Videos ankommen?

Na das wollen wir doch nicht hoffen. (lacht) Aber mal im Ernst, ich habe bislang die Erfahrung gemacht, dass unsere Fans sehr relaxte Zeitgenossen sind, die sich für die Wikingerthematik zwar sehr interessieren, es aber damit nicht übertreiben oder zu ernst nehmen. Das ist bei uns ja nicht anders. Wir stehen auf jeden Fall zu dem, was wir in unseren Texten und auf der Bühne aussagen, aber ein Religion oder ein Dogma macht da keiner draus.

Die Wikinger-Thematik ist ein wichtiger Teil unseres Lebens, aber man muss schon zwischen Realität und Phantasie unterscheiden. Und das attestiere ich unseren Fans jetzt einfach auch. Die haben schließlich auch Hirn in der Rübe. Unsere Texte sind nicht von der Art, dass man sie wörtlich nehmen sollte, wir rufen auch nicht zu Mord und Totschlag oder Brandschatzung auf.

Davon geh ich doch aus, noch ist es ja nicht wie in den Staaten, wo man auf alles drauf schreiben muss, was man nicht damit machen soll. Apropos Amerika, ich habe gesehen, dass ihr da noch vor Europa auf Tour geht. Ist das inzwischen der größere Markt für euch?

Das ist inzwischen tatsächlich der Fall. Zum letzten Album waren wir insgesamt dreimal in den Staaten auf Tour. Zweimal im Vorprogramm von anderen Bands und zum Schluss als Headliner. Dieses Mal starten wir direkt als Headliner. In Europa sind wir im Herbst mit der Unholy Alliance-Tour unterwegs, was für uns eine absolute Ehre ist. Slayer hab ich schon mit 15 gehört, als ich noch zur Schule ging, und den anderen Jungs geht es da nicht anders. Wir waren schon als Kids riesige Fans und jetzt mit ihnen auf Tour gehen zu können, ist einfach nur ein wahr gewordener Traum. Da spielen wir gern noch mal im Vorprogramm.

Falls Tom Araya immer noch aussieht, wie Saddam Hussein, als sie ihn aus dem Loch gezogen haben – rasier ihn!

Bist du verrückt? Tom Araya kann von mir aus aussehen, wie er will. Ich bewundere diesen Kerl total, und er ist einer meiner größten Einflüsse. Und wenn er im Abendkleid auf die Bühne geht, das ist mir egal. Das ist schließlich Tom Araya.

Na wegen mir … aber ich gehe mal davon aus, dass auch noch hier in Europa Headlinershows folgen werden. Was habt ihr euch denn als Stageset ausgedacht? Auf dem Summer Breeze hattet ihr 2007 ja ein Drachenboot.

Ja, das war schon eine geile Sache mit dem Drachenboot. So ganz ist das noch nicht raus, was wir für ein Stageset auf der Bühne haben werden. Da wir in den Staaten als Headliner touren, wollen wir auch ein gewisses Entertaining mitbringen. Allerdings dürfte das nicht so ganz billig werden, aber wir wollen den Fans in den Staaten dasselbe bieten können wie hier. Das sind ja nicht Fans zweiter Klasse oder was in der Art. Aber wie gesagt, ist noch nicht ganz raus.

Fredrick ist nach wie vor auch bei This Ending aktiv. Hat das auf Amon Amarth irgendwelche Auswirkungen positiver oder negativer Art?

Hm, ich würde sagen, wenn, dann positiver Art. Fredrick ist ein unglaublich kreativer Mensch, und er hat einfach viele Ideen, die bei Amon Amarth nicht so ganz reinpassen, die er dann aber bei This Ending einbringt. So bleiben meist irgendwelche Frusterlebnisse aus, wenn bestimmte Sachen nicht bei uns verwendet werden, und das ist für ihn zunächst mal positiv, und die daraus resultierende Einstellung somit auch für uns. Ich weiß allerdings ehrlich gesagt gar nicht so genau, wie bei denen der Stand der Dinge ist, und ob Fredrick da noch groß dabei ist. (Ist er allerdings, denn die Drumspuren zu deren neuen Album sind fertig aufgenommen und eine Veröffentlichung ist auf Ende des Jahres geplant, Anm. d. Verf.)

Wie sieht es denn bei dir aus? Hast du auch schon mal über ein Nebenprojekt oder eine weitere Band nachgedacht?

Eigentlich nicht. Amon Amarth sind schon ziemlich zeitaufwändig, und ich fühle mich in musikalischer Hinsicht vollkommen ausgelastet. Eine weitere Band macht ja nur Sinn, wenn sie sich musikalisch von dem unterscheidet, was man mit seiner Haupttruppe macht, und da würde mir spontan nichts einfallen, was mich interessieren könnte. Außerdem ist es ja nicht so, dass ich mich langweile, wenn ich gerade nicht mit Amon Amarth auf Tour bin oder sonst irgendwelche Businesssachen für die Band erledige. Man sollte es kaum glauben, aber ich genieße meine freie Zeit doch tatsächlich auch. (lacht).

Was machst du denn in deiner Freizeit?

Computerspiele zocken. (lacht) Nein, war nur Spaß. Wenn ich mal nichts zu tun habe, dann genieße ich es tatsächlich, einfach daheim eine ruhige Kugel zu schieben und Zeit mit meiner Freundin zu verbringen. Die Möglichkeit dazu hab ich selten genug, und deswegen brauche ich dann nichts anderes.

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