laut.de-Kritik

Auf dem schmalen Grat zwischen Poet und Prolet.

Review von

Selten hat man einem Album so sehr angemerkt, dass sein Urheber nebenbei als umtriebiger Ghostwriter tätig ist: Auf eine Promophase, die wahrlich keine Wünsche offen ließ – abgesehen vielleicht von einem baldigen Ende – folgt mit "Euphoria" ein vierzehn Tracks starker Langspieler, der mannigfaltiger kaum ausfallen könnte. Und den geneigten Hörer unter Umständen ein wenig ratlos zurücklässt.

Dass Ali As sowohl technisch als auch textlich zur A-Liga des Landes gehört, steht spätestens seit "Amnesia" keineswegs zur Debatte. Die hohe Messlatte verwandelt sich nun aber ein ums andere Mal in eine kleine Stolperfalle: Als hätte er bei Kumpel MoTrip gesehen wie Radio-Airplay galore die Karriere aufs übernächste Level hieven kann, bekommt seine Don't-give-a-Fuck-Attitüde spürbar kleine Risse.

So schielt nicht nur das bereits veröffentlichte "Lass Sie Tanzen (Square Dance)" mit Chart-Lieblingsmensch Namika Richtung Massengunst, sondern auch "Jetzt Komm' Wir" mit Kinderchor-Refrain zum Abgewöhnen und "Was Für'n Leben", in dem sich sommerliche Reggae-Anleihen mit einer Turn Up-Ohrwurm-Hook abwechseln, die ein Bourani nicht besser hinbekommen hätte.

Doch Ali As wäre nicht Ali As, seines Zeichens Modeikone und Twittervirtuose, ohne sympathische Selbstbeweihräucherung, die nicht nur dank des "Shabba"-Refrains von "Farid Bang" an die Attitüde des Mobs erinnert. Trotz des schlichtweg dämlichen Parts der Banger-Obernase handelt es sich, ebenso wie bei dem von Vergleichen und Wortspielereien durchzogenen "Silber Oder Blei", "Comeback/Bombtrack" und "Monstertruck" mit wummernder Bassline um exzellente Kopfnicker-Posse. "Ich fahre durch die City in 'nem Monstertruck, Mittelfinger aus dem Fenster und ruf' 'Bomboclat', Da kommt die Polizei, fragt: 'Na, sonst noch was?' Ich fahr' nur durch die City in 'nem Monstertruck."

Dass sich selbst thematisch ähnliche Tracks musikalisch deutlich voneinander unterscheiden, liegt nicht nur an den Rapskills des Münchners, sondern an dessen enger Zusammenarbeit mit den Produzenten Elias und David, deren Detailverliebtheit und kreativer Einsatz von Samples Lust auf die rein instrumentale Version von "Euphoria" macht. Und das, obwohl Ali As selbst es einzig im abschließenden "Erpresserbrief" so weit treibt, dass man ihn gerne vier Minuten zuvor abgewürgt hätte.

Während das ruhige "1 Mio Psychos" nämlich zu den stärksten Momenten des Albums gehört, kann etwa "Ferienhaus" bei weitem nicht mit den nachdenklich-reflektierten Tracks des Vorgängers à la "Deutscher/Ausländer" oder "Ingrid" mithalten, und auch "Stempel Im Pass" mit erwähntem MoTrip erreicht nicht das Level von "Richtung Lichtung".

Schon klar: Das ist Meckern auf hohem Niveau. Doch dadurch, dass Ali As so krampfhaft wie erfolgreich versucht, sich in jede erdenkliche Ecke auszustrecken, sticht "Euphoria" zwar deutlich aus dem grauen Einheitsbrei heraus und bietet zuweilen mehr Überraschungsmomente als man verdauen kann, doch gleichzeitig verbaut diese Vorgehensweise die inhaltliche Tiefe und Stringenz, die "Amnesia" – natürlich immer gepaart mit überdurchschnittlichen Skills – so ausgezeichnet hat.

So wandert Ali As in seinen "Belgravia High Tops" und mit "Dope In Der Denim" auf dem Grat zwischen Prolet und Poet, ist mal mehr das eine, mal das andere und irgendwie trotzdem immer beides. Hin und wieder anbiedernd, häufig mit der Nase in den Wolken, und dabei trotzdem stets sympathisch. Wie gesagt: die Ratlosigkeit bleibt.

Trackliste

  1. 1. Denkmäler
  2. 2. Silber Oder Blei
  3. 3. Lass Sie Tanzen (Square Dance)
  4. 4. Was Für'n Leben
  5. 5. Farid Bang
  6. 6. Dope In Der Denim
  7. 7. Monstertruck
  8. 8. Jetzt Komm' Wir
  9. 9. Ferienhaus
  10. 10. Euphoria
  11. 11. Comeback/Bombtrack
  12. 12. Stempel Im Pass
  13. 13. 1 Mio Psychos
  14. 14. Erpresserbrief

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LAUT.DE-PORTRÄT Ali As

München als Homebase, ein 1,8er-Abitur und ein Studium in Theaterwissenschaften. Auch wenn der 1979 geborene Zulfiqar Ali Chaudhry letzteres nach bereits …

9 Kommentare mit 29 Antworten

  • Vor 7 Jahren

    Gehört 4/5
    Amnesia (5/5) war schlüssiger und hatte astreine Thementracks Songs. Kann die Kritikpunkte verstehen, aber ist für mich immernoch weit über Durchschnitt.

    Favoriten, Denkmäler, Comeback, 1 Mio Psychos, Euphoria

  • Vor 7 Jahren

    "Ich fahre durch die City in 'nem Monstertruck,
    Mittelfinger aus dem Fenster und ruf' 'Bomboclat',
    Da kommt die Polizei, fragt: 'Na, sonst noch was?'
    Ich fahr' nur durch die City in 'nem Monstertruck."

    Auf dem Beat von 3 Chinesen mit dem Kontrabass?
    1/5, Ali As war schon immer ziemlich wack.
    Die Produzenten von D-Rap Alben könnten mit Instrumental-CDs tatsächlich deutlich erfolgreicher sein.

  • Vor 7 Jahren

    Nachdem "Amnesia" von Ali As bei mir an den 5/5 gekratzt hatte, war ich sehr gespannt auf das neue Werk "Euphoria".
    Gerade auf die Features mit Kollegah und Motrip habe ich mich gefreut.
    Leider wurden meine Erwartungen weitestgehend enttäuscht.
    Technisch ist Ali As nach wie vor ein überdurchschnittlich starker Rapper und auch die, verglichen mit "Amnesia" etwas reduzierten ,Wortspiele wissen zu gefallen.

    Jedoch überzeugt mich der gesamte Sound der Platte gar nicht. "Amnesia" kam mit einem Brett nach dem anderen um die Ecke, das vermisse ich bei "Euphoria" größtenteils.
    Irgendwie klingt das Album für mich zu "brav".

    Auch die Features gehen für meinen Geschmack komplett unter, ganz grausam finde ich "Lass sie tanzen" mit Namika.

    Insgesamt unterhält das Album zwar über weite Strecken, richtig was hängen geblieben ist bei mir aber nicht.

    Anspieltipps: Euphoria, Comeback/Bombtrack/Ferienhaus/Monsterhaus/Denkmäler.
    Die restlichen Tracks würde ich ohne weiteres skippen.

    3/5

  • Vor 7 Jahren

    Für mich der Mann der Stunde, again.

    Mein Deutschrap Highlight 2016. Auch wenn Amnesia nen Stück besser war. Ich geb 5 Junge.

  • Vor 7 Jahren

    Wenn Ali As sich konsequent in der Richtung der Songs Was für'n Leben, Jetzt komm' wir und Ferienhaus weiterentwickelt, sollte er für das nächste Album ein Auge auf Julia Engelmann als Feature haben.

  • Vor 7 Jahren

    Genau wie beim Vorgänger "Amnesia" geschehen spendiert Ali As seinem aktuellen Album jetzt auch eine 5 Tracks starke Euphoria EP, die sich thematisch vielseitig präsentiert. Von nachdenklichen Tracks ("Upper & Downer") bis hin zu reinen Einheizern ("Fahnen im Staub") erstreckt sich die Bandbreite. Die Atmosphäre ist durchgängig düsterer als beim Hauptwerk und sorgt gekoppelt mit unterhaltsamen Texten für ein kurweiliges Hörvergnügen.

    DAVID x ELI kümmern sich weiterhin um die hochwertige Beatuntermalung, die mittlerweile immer mehr herausstechende Elemente besitzt. Besonders auffällig ist das breite Spektrum an eingesetzten soundtechnischen Versatzstücken.

    Ali As beweist auch mit dieser EP, dass er kein Hochstapler wie Tetrisspieler ist, sondern Ankündigungen Taten folgen lässt und liefert ein stimmiges Dessert, das den Hauptgang in manchen Punkten locker übertrifft.

    4/5