laut.de-Kritik

Inhaltsreiches Storytelling mischt sich mit Füllstücken.

Review von

In den frühen 1970ern schwamm Albert Hammond auf einer Softpop-Welle. Er war bei weitem kein Trittbrettfahrer jenes Trends, sondern beflügelte auch als Songwriter das Genre maßgeblich. Spuren davon prägen ein Drittel des neuen Albums "Body Of Work". Wo sich früher Evergreens wie "It Never Rains In Southern California" verselbständigten, erklingt heute "Anything You Want Me To" im 1970er-Stil: Im Weichspül-Modus von Smokie und Konsorten geschleudert, blutleer gewaschen, anschmiegsam und ein bisschen lahm.

Nachdem Compilations, Coverversionen und Radio-Einsätze Hammonds alte Lieder oft noch viel bekannter werden ließen als ihn selbst, hat sich insbesondere das deutsche Publikum eine starke Bindung zu ihm bewahrt. Hier hatte er in den 2010ern auffallend viele Gigs.

Auch veröffentlicht der Senior auf einem deutschen Label. Das freut sich, dass er in Berlin einen Teil des Albums abmischen ließ, einen Teil in Zürich, und "moderne" Produktionsmethoden übernahm. Zu seiner Stimme passen sie nicht. Eine gute Idee sind sie - so weit man sie heraus hört - sowieso nicht. "Looking Back" riskiert abgegriffenes Synth-Schlager-Programming, zu textbausteinhaften Zeilen wie "I see a million stars". Blecherne Drum-Machine ("Looking Back") oder Clap- und Schnipseffekte aus der Loop-Anlage ("Knocking On Your Door") - musste das wirklich sein? Das seifig-hymnisch gestaltete "Somebody's Child" weist nicht mal handwerklich ein gutes Mastering auf. Mit der Hammond-Orgel oder entsprechend satten Sounds hat Albert diesmal also leider wenig am Hut.

Hinzu kommt, dass einige Kompositionen an sich schon schwächeln: "Young Llewelyn" darf zwar ohne aufgebrezelte Beats durchlaufen, punktet aber als konventionelle Formatfunk-Ballade im Chris de Burgh-Stil kaum und bleibt lediglich ganz nett. "Gonna Save The World" schleicht als laues Friedensbewegungs-Lied frei von Feuer und Magie weit unter seinem thematischen Potenzial. "Both Ways" pluckert paralysiert in Jammer-Tonfall, "Let It Go" ist Pathos pur, "Bella Blue" Plüschpop mit Akkordeon und Opa-Stimme. Rundherum um dieses zähe Aufgebot ertönen schnulzige Texte, die sich im Kreis drehen, jedoch zum bauchfreien Jeansjackenträger auf dem Cover nicht recht passen und die wir im Deutschen eher mit Schlagern von der Stange verbinden: "Cry the tears / that are on my mind / that are on my mind / and I'm standing here / to cry the tears" oder "I was spending all my whole life / given you anything you want me too".

Formelhafte Füllsel beiseite genommen, kristallisieren sich aber eine ganze Reihe Songs heraus, die dann doch erkennbar was mitteilen wollen oder Laune machen. So rollt "Like They Do Across The River" rückwärts durch die Rock'n'Roll-Geschichte und landet bei Skiffle, Alberts Slogan hier: "Where the music's high and the lights are low." In "Gonna Be Alright" reitet er dann in einem fetzigen Rockabilly mit Galopp-Gitarre aus, in einer abgeschliffenen Variante des Jobs, den die Stray Cats machen.

Kontrastreiche Distortion-Töne überraschen um so mehr, sobald sie in "The American Flag" dazwischen funken. Die fragile und schattenreiche Schönheit der USA scheint wohl die Essenz des assoziativen Textes, dessen Protagonist eine Reise von New York über Chicago nach Kalifornien beschreibt und Patriotismus mit der Wirklichkeit abgleicht: "I went up to Chicago / to see if I'd get shot", "Ich fuhr nach Chicago hoch, um zu sehen / ob ich erschossen werde."

Zwischen den Zeilen offenbart der Text Hintersinn, ist lakonisch und sarkastisch, weil er vorführt, wie oberflächlich Leute in den USA leben, die alles Unpassende zur Seite weg ignorieren, sobald der Profit für sie stimmt: "Rich dudes think they got it in the bag". Konkret die Leute, die in den großen Tech-Imperien für Google, Elon Musk oder Mark Zuckerberg arbeiten oder deren Plattformen als Heavy User unreflektiert nutzen. "The grinning kid from Twitter / Destruction on parade / The busy boy from Facebook / Only wanted to get laid / The Google guys don't give a damn / As long as they get paid. / I've seen it all", resümiert "The American Flag". Es ist ein wichtiges Lied, weil es den Finger in die Wunde legt, dass sich das Demokratieverständnis durch Social Media verschiebt, die nicht sozial, sondern börsennotiert sind. Während politische Ränder dort sehr präsent sind, findet die soziale Frage der Working Poor in den Apps der hastigen Likes und kommerzgesteuerten Algorithmen überhaupt nicht statt, schon gar nicht die der passlosen Latinos, die von Trump diskreditiert werden, während sie das Wirtschaftswachstum ankurbeln. Hammonds unaufgeregtes und ein bisschen kryptisches Stück regt zum Nachdenken an. Der Text ist so verschachtelt, dass man Albert selbst dazu fragen müsste, welche Stoßrichtung der Track hat. Der von der gefragten Session-Bassistin Alison Prestwood aus Nashville veredelte Song sticht musikalisch heraus und macht einige halbgare Nummern des Albums wett.

In "Shake A Bone" funktionieren die harten Claps der Berliner Produktion dann mal ganz gut. Hammond singt mit der Trockenheit des mitgealterten John Watts. Brüchigkeit legt sich in die Stimme, der Charme der silbermelierten Haarsträhne und erzählt von der Gerüchteküche in der Nachbarschaft, die sowieso nie Gutes verheiße, und von "the muddy waters of the changing times". Wenn er will, beherrscht Hammond die Klaviatur der Metaphern hervorragend.

"Don't Bother Me Babe" handelt von einem Traum von einer Stadt aus Gold, über einen Geldzähler, der gestohlene Scheine durchblättert. Musikalisch herrschen Schärfe, Düsternis und Southern-Riffs, als träfe John Fogerty auf David Eugene Edwards, also ein Schritt, der in jedem Fall überrascht und auf einen gänzlich anderen Kontext referiert. Allerdings, siehe "Free Electric Band", hatte Albert selbst auf seinen soften Alben schon früher gerne eine schroffe, perkussive, vehement stompende Seite.

Ein drittes Gesicht zeigt das neue Album vor allem gegen Ende: Rustikale Instrumentierung mit Schwerpunkt auf der Akustikgitarre. Auch wenn die letzten drei Tracks technisch wie Demo-Recordings wirken, kehren sie die Kernkompetenz von Albert senior heraus: Als Geschichtenerzähler in reduzierten, schlichten Arrangements eine heimelige Stimmung zu verbreiten. Im Zuhör-Storyteller-Tune "Another Heart To Break" über ein Waisenmädchen entfaltet sich das Feingefühl überzeugend. Auch mit tränenbelegter Näselstimme im Akustik-Abschiedslied "Goodbye LA", live eingespielt in L.A., gelingt dieser Ansatz, zwar nicht überragend, aber doch ganz gut.

Trackliste

  1. 1. Don't Bother Me Babe
  2. 2. Shake A Bone
  3. 3. Gonna Save The World
  4. 4. Both Ways
  5. 5. Like They Do Across The River
  6. 6. Somebody's Child
  7. 7. Knocking On Your Door
  8. 8. Young Llewelyn
  9. 9. Gonna Be Alright
  10. 10. Let It Go
  11. 11. The American Flag
  12. 12. Bella Blue
  13. 13. Anything You Want Me To
  14. 14. Looking Back
  15. 15. Another Heart To Break
  16. 16. Living In The Universe
  17. 17. Goodbye LA

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