laut.de-Kritik

Urlaub vom Cyberspace.

Review von

Als Aespa ihre erste EP "Savage" veröffentlichten, war die Girlgroup von SM Entertainment sofort ein frischer Wind in der Szene. Nicht nur, weil sie dieses verrückte Cyberpunk-Konzept mit AI, Parallelwelt und Sci-Fi-Garnitur am Start hatten, sondern auch, weil sie diese ganzen Vorstöße auch passend musikalisch untermalten. Bis heute gibt es kaum eine K-Pop-Mini, die so klanglich kohärent wirkt wie dieser Erstling. Ihr Folgewerk "Girls" kam als eine etwas kompromissbereitere Variante her und enttäuschte gerade in den B-Seiten. Der Drittling "My World" lenkt in die richtige Richtung zurück.

Das fängt vor allem damit an, dass in Aespas Universum eine ganz interessante Wendung geschieht. In ihrer Storyline passiert gerade folgendes: Der digitale Erzbösewicht Black Mamba ist besiegt, die vier Frauen kehren zurück aus der digitalen Welt und leben ihr normales Leben mehr oder weniger weiter. Natürlich muss man in der Regel nichts von diesen Backstorys wissen oder verstehen, um die Musik mitnehmen zu können, aber die Leadsingle und das Intro "Welcome To My World" ist einer der Songs, die die Synergie zwischen Story und Musik immens ausschöpfen.

Der Song mit dem unterschwelligen, warmen und analogen Instrumental baut sich nämlich langsam auf und zielt darauf ab, das Gefühl zu vermitteln, dass die echte Welt nach langer Abwesenheit auf einmal wie ein seltsamer, schwer zu greifender Ort ist. Ein hehres Ziel für einen K-Pop-Song, aber sowohl der Aufbau als auch das Songwriting wirken Wunder, diesen Song wirklich direkt aus dem Uncanny Valley aufzunehmen. Der Refrain klingt magisch, die Verses verloren und dann diese Bridge: "This city's so pretty with the lights on", vor sich hingesungen, dann von einer Roboter-Stimme nachgesungen.

Es sind diese kreativen Side-Tracks, die Aespa seit je her zu einer der interessantesten Girlgroups machen. Würde das ganze Tape auf "Welcome To My World" aufbauen, hätte es Instant Classic-Potential. Leider wird das "Echte Welt"-Konzept danach ein bisschen als Vorwand vorgeschoben, das Quartett auch mal normale Sachen machen zu lassen. Und keine Frage, einen klassischen K-Pop-Sommerbanger wie "Spicy", den offiziellen Titeltrack der EP, können sie auch. Das klingt dann catchy, und man freut sich, dass die charakteristischen Saw-Synthesizer nicht ganz aus dem Bild verschwunden sind. Die Harmonien, das Wechselspiel der Refrains und der solide Groove stimmen ebenfalls mehr als versöhnlich. Es ist nicht so bahnbrechend und verrückt wie "Next Level", aber Sound und Stil lassen an f(x) denken. Und jeder, der etwas Ahnung von K-Pop hat, weiß, dass man gerne an f(x) zurückdenkt.

Danach folgen noch einmal zwei Songs übers Essen, nämlich "Salty & Sweet" und "Thirsty". Ersterer hält es noch treu mit dem Hyperpop-Sound, den sie immer noch relativ für sich gepachtet haben, zweiterer spielt ein bisschen mehr in Richtung R'n'B. Das Songwriting ist da, aber im Vergleich zu "Savage" wirken die Songs doch eher wie gute Sidetracks als wie eine Exploration des ursprünglichen EP-Konzeptes. Erst "I'm Unhappy" kehrt dann zur Linie zurück und platziert Gen Z-Frust mit einem fäustehebenden "hell yeah, I'm unhappy" gegen den Backdrop einer Sci-Fi-Sage. Nicht uninteressant, wirklich schön gesungen und perfekt minimal produziert, definitiv die beste B-Seite hier. Übrig bleibt noch die solide Ballade "'Til We Meet Again".

"My World" siedelt sich deutlich über dem K-Pop-Mini-Durchschnitt an. Vielleicht ist es ein bisschen frustrierend, dass die angedeutete Kühnheit von "Welcome To My World" nicht komplett verfolgt wurde. Aber es fühlt sich dennoch richtig an, dass sie nach dem eher durchwachsenen "Girls" wieder in ihre eigene Welt zurückgekehrt sind. Worldbuilding und ein diegetisches Konzept gab es im K-Pop noch nie und auch in anderen Genres selten. Um so erfreulicher, dass wir diesen kurzen Gegenpol erleben dürfen, bevor sie eines künftigen Tapes hoffentlich in noch viel absurdere Sci-Fi-Abenteuer aufbrechen.

Trackliste

  1. 1. Welcome To MY World (feat. Naevis)
  2. 2. Spicy
  3. 3. Salty & Sweet
  4. 4. Thirsty
  5. 5. I'm Unhappy
  6. 6. 'Til We Meet Again

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