2. Dezember 2011

"Natürlich war ich neidisch auf meinen Vater"

Interview geführt von

Adam Cohen hatte bis dato nie das Bedürfnis, musikalisch einfach in die Fußstapfen seines omnipräsenten Vaters Leonard Cohen zu treten. Damit ist jetzt erst mal Schluss. Im Zuge seines aktuellen Albums "Like A Man" entledigt sich der Kandaier der selbst angelegten Ketten und bekennt sich zum Familien-Stammbaum.Besser spät als nie. Adam Cohen wehrte sich jahrelang. Die Fußstapfen des übermächtigen Vaters waren ihm eher zuwider. Ehrfurcht, aber auch Neid – wie er selbst einräumt - hielten das tiefe Timbre seiner Stimme jahrzehntelang im Keller versteckt. Stattdessen versuchte sich Cohen junior wahlweise als Chansonnier und rockender Poet - immer mit dem Ziel vor Augen, sich soweit wie möglich vom künstlerischen Schaffens seines Erzeugers zu entfernen.

Auch wenn das Vater-Sohn-Verhältnis nie wirklich zerrüttet war, und Papa Leonard dem Sohnemann stets mit Rat und Tat zur Seite stand, war eine musikalische Annäherung bis vor kurzem undenkbar. Doch manchmal bedarf es lediglich Momente des Alltags, um zu begreifen, dass Blut dicker ist als Wasser.

Im Interview verrät uns der kanadische Sänger, warum sein aktuelles Album "Like A Man" klingt, als hätte es die musikalische Verleumdung der Vergangenheit nie gegeben, was es bedeutet der Sohn eines der größten Singer/Songwriters unserer Zeit zu sein und wie das Vatersein das Leben verändern kann.

Das letzte halbe Jahrzehnt hast du dich rar gemacht. Plötzlich erscheint wie aus dem Nichts ein neues Album, gefolgt von einer umfangreichen Tour. Wie fühlt sich das an?

Adam: In erster Linie bin zutiefst dankbar, dass ich das alles gerade erleben darf. Es fühlt sich fantastisch an, wieder zu spielen, die Luft in den Clubs zu atmen und Teil des Ganzen zu sein.

Die Venues sind voll, teilweise ausverkauft. Hast du einen derartigen Zuspruch erwartet?

Adam: Nein. Um ehrlich zu sein, habe ich gar nichts erwartet. Ich wusste, dass ich gutes Material im Gepäck habe, aber hatte keine Ahnung, wie die Resonanz aussehen würde. Es ist wirklich unglaublich. Wir sind jeden Tag unterwegs, die Leute sind toll, alles passt zusammen. Wir haben eine Menge Spaß.

ie Tour endet in Tel Aviv, Israel, ein doch eher ungewöhnlicher Ort für ein Tourfinale. Gab es besondere Gründe dafür?

Adam: Nein, nicht wirklich. Irgendwo muss halt Schluss sein, und der ganze Vorbereitungs- und Organisationsapparat entschied sich letztlich für Tel Aviv. Um genau zu sein, endet die Tour auch erst einen Tag später in Toronto, wo wir in einer großen TV-Show auftreten werden.

Lass uns über dein aktuelles Album sprechen. Viele der Songs auf "Like A Man" schlummerten bereits seit zwanzig Jahren in deinem Archiv. Plötzlich wird die Schatulle geöffnet. Warum?

Adam: Nun, ich habe mich seit Karrierebeginn geweigert zu akzeptieren, wer ich wirklich bin. Versteh mich nicht falsch, ich hatte und habe ein wundervolles Verhältnis zu meinem Vater, und es vergeht kein Tag, an dem ich nicht zu ihm aufblicke. Aber dennoch hat sich in mir immer etwas dagegen gesträubt, meine Herkunft und meine Gene anzunehmen. Natürlich war ich auch neidisch auf den Erfolg meines Vaters. Ich wollte unbedingt meinen eigenen Weg gehen und nicht als Klon meines Vaters durch die Welt ziehen.

Man wird aber älter und sieht die Dinge im Laufe der Jahre differenzierter. Mir wurde einfach klar, dass es nichts gibt, wofür ich mich schämen müsste, wenn ich genau das nach außen trage, was eigentlich seit Jahrzehnten in mir verborgen blieb wurde. Sich mit seinen Wurzeln auseinanderzusetzen und sich sein wahres Ich vor Augen zu führen fiel mir jahrelang unheimlich schwer. Mittlerweile denke ich anders darüber. Es gibt nichts Schöneres, als morgens in den Spiegel zu gucken und dabei Authentizität zu erkennen. Ich bin unheimlich stolz auf das Album, denn es trägt mein wahres Ich nach draußen.

"Ich bekam es mit der Angst zu tun"

Ein Ich, das musikalisch an den jungen Papa Cohen erinnert. Die Parallelen sind kaum von der Hand zu weisen, oder?

Adam: Das sehe ich genauso, denn genau darum ging es bei "Like A Man". Ich wollte mich befreien von all den Schutzpanzern, die ich mir über die Jahre angelegt hatte, und mich einfach gehen lassen. Ich wollte ich sein, ohne Rücksicht, ohne Ego und ohne Plastik. Einfach nur Adam Cohen, verstehst du? Ich liebe die Musik meines Vaters. Ich bin mit seinen Werken, seiner Poesie und seiner Magie aufgewachsen. All das kommt jetzt zum Vorschein, und ich schäme mich nicht dafür, ganz im Gegenteil. Ich habe mich mit einem Album noch nie so wohl gefühlt.

Gibt es für dich persönlich einen bestimmten Song auf dem Album, der dein neues "musikalisches Ich" besonders zum Ausdruck bringt?

Adam: Ich denke, es gibt viele Songs, die, obwohl sie schon sehr lange bestehen, meine jetzige Einstellung zum Leben und zu meiner Profession repräsentieren. Nimm beispielsweise den Song "Out Of My Bed". Es geht um die Frage, bis wohin man für bestimmte Dinge oder Personen gehen würde, was unheimlich viel mit meiner ganz persönlichen Gegenwart zu tun hat.

Dein Sohn soll 'unbewusst' großen Anteil an deiner musikalischen Veränderung gehabt haben ...

Adam: Ja, wobei er selber davon wohl am wenigsten mitbekommen hat (lacht).

Du warst irgendwann mit ihm und deinem Vater essen, richtig?

Adam: Genau. Wir saßen zu Tisch und plötzlich fing ich an, beide zu beobachten. Ich bekam es plötzlich mit der Angst zu tun, denn ich stellte mir vor, dass mein Sohn irgendwann einmal vielleicht auch anfangen würde, Musik zu machen, und wie schlimm es für mich wäre, wenn ich wüsste, dass er ein ähnlich schweres Paket wie ich mit sich rumschleppen würde. Ich fand diesen Gedanken unerträglich.

Dieser Moment öffnete mir die Augen. In dieser Sekunde fasste ich den Entschluss, ein neues Album aufzunehmen, mit dem ich mich für - und nicht gegen - meine Herkunft entscheide. Ich hoffe, dass ich damit auch meinem Sohn ein Zeichen geben kann, wenn es denn wirklich soweit kommen sollte, dass er sich irgendwann mal in derselben Situation befindet wie ich.

Wie hat denn dein Vater reagiert, als er von deiner 'Rückbesinnung' erfuhr?

Adam: Mit Stolz und Freude. Wir haben uns schon immer intensiv mit der Arbeit des jeweils anderen beschäftigt, doch dieses Mal war es schon etwas anders. Er ist sehr glücklich über die Entwicklung. Das hat aber weniger damit zu tun, dass er sich über meine Annäherung freut, als vielmehr über die Tatsache, dass ich mich und meine Identität nicht mehr länger verstecke.

Er selber veröffentlicht im nächsten Jahr ebenfalls eine Platte. Hast du schon reingehört?

Adam: Ja, es ist wundervoll. Ich habe ihn öfter im Studio besucht, und ich bin mir sicher, dass es den Leuten gefallen wird.

"Ich bin froh, ein Cohen zu sein"

Die Geburt eines Kindes ist ein drastischer Einschnitt im Leben. Inwieweit hat das Vatersein dein Songwriting verändert?

Adam: Die Art und Weise, wie ich einen Song schreibe, hat sich dadurch eigentlich nicht verändert. Die Lieder entstehen immer noch genauso, wie sie vor zehn Jahren entstanden sind, mit einer Idee, einer Zeile oder einer bestimmten Akkord-Abfolge. Das hat sich nicht verändert. Was sich allerdings verändert hat, ist die eigene Sichtweise auf das Ganze. Mich kümmern keine Trends mehr. Ich stelle mir nicht mehr die Frage, wie ich mit einem Song am ehesten ins Radio oder in die Charts komme.

Der kommerzielle Aspekt spielt nur noch eine sekundäre Rolle bei mir. Ich denke, das hat unheimlich viel mit meiner Rolle als Vater zu tun. Die Prioritäten verschieben sich, und du merkst, was wirklich wichtig im Leben ist. Du hast plötzlich eine ganz andere Verantwortung, die es dir leicht macht, all diesen Ballast und den Druck außen vor zu lassen. Du merkst einfach, dass es wichtigere Dinge im Leben gibt als Geld und Erfolg.

Du bist viel rumgekommen und hast deine Zelte schon in Kanada, New York, Los Angeles, Paris, London, Griechenland und Süd-Frankreich aufgeschlagen. Bist du ein rastloser Mensch?

Adam: Ich liebe es zu Reisen, an verschiedenen Orten zu verweilen und mich mit fremden Kulturen zu beschäftigen. Ich fühle mich aber auch schnell irgendwo zuhause, wenn alles passt. Momentan lebe ich in Los Angeles und fühle mich dort sehr wohl. Ich bin aber auch gerne in Montréal oder Frankreich, wo ich viele Jahre gelebt habe. Dieses Leben an verschiedenen Orten war immer sehr inspirierend für meine Musik.

Wenn man bedenkt, dass du deine wahre musikalische Basis jahrelang versucht hast zu verstecken, hast du dir jemals einen anderen, einen vermeintlich 'normalen' Familienstammbaum gewünscht?

Adam: Nein, niemals. Auch wenn ich mich mit meiner künstlerischen Emanzipation sehr schwer getan habe, will ich keine Sekunde meines Lebens missen. Meine Familie, insbesondere mein Vater, hat mich immer unterstützt, und ich durfte ein erfülltes Leben genießen. Ich bin froh, ein Cohen zu sein. Das bin ich heute noch, genau wie vor 35 Jahren, als mein Vater mir am Küchentisch Geschichten vorlas, Klavier spielte oder mir einfach etwas vorsang. Ich bin dankbar für alles, für jede Sekunde.

Klingt nach einem glücklichen Menschen.

Adam: Absolut. Ich habe nur noch nach einem Weg der künstlerischen Selbstheilung gesucht. Das habe ich mit meinem neuen Album geschafft. Ich habe mich noch nie so wohl in meiner Haut gefühlt wie dieser Tage.

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