laut.de-Kritik

Oldschool-Cineastik zwischen Tarantino und Chaplin.

Review von

Es ist ein trickreicher Balanceakt, zwischen Persönlichkeit und Kunst zu navigieren. Action Bronson illustriert dieses Dilemma vielleicht besser als jeder andere Rapper: Denn während der in Queens geborene MC schon immer mit fantastischem Charisma und Flow als Rapper überzeugt, würde wohl niemand leugnen, dass der Hauptgrund seiner Berühmtheit seine extravagante Persona darstellt. Der drollige, vollbärtige, dicke Weiße mit Vorliebe für gutes Essen und Gras, der in Videos mit dicken Frauen herumtanzt, Räder schlägt ("Strictly For My Jeeps") oder in Arztkittel auf einer Harley in den Sonnenuntergang fährt ("Easy Rider").

Auf dieser Exzentrik aufbauend entwickelte Bronson sich in den vergangenen Jahren zur großen Marke: Gleich zwei Fernsehsendungen bewohnte er für Viceland, nun veröffentlicht er ein eigenes Kochbuch und moderiert eine Snapchat-Dating-Sendung. Seine Versiertheit als Rapper der alten Schule fällt dazwischen gerne mal unter den (Ess-)Tisch. Um daran zu erinnern, weswegen er eigentlich vor gar nicht allzu langer Zeit auf der Bildfläche erschienen ist, gibt es nun den dritten Ableger seiner Mixtape-Serie "Blue Chips", die Ausgabe Nummer 7000. Und das ist ein ziemlich logischer Schritt in diesem Kontext.

Denn nachdem Vorgänger "Mr. Wonderful" zwar klanglich immer noch ein sehr angenehmes und homogenes Album darstellte, merkt man doch deutlich, dass die Ausgewogenheit zwischen seinem Rap und seiner überlebensgroßen Persönlichkeit hier noch nicht zu hundert Prozent im Reinen war. Etwas überambitioniert, etwas zu viel wollend fielen ein paar Ideen und Ansätze flach und das Album erhielt zwar keine vernichtenden, aber auch keine übermäßig euphorischen Reaktionen seitens der Fans und Kritiker.

Gewissermaßen stellt "Blue Chips 7000" hier einen Schritt nach vorne und zurück gleichermaßen dar. Es bleibt Humor, Charisma und Attitüde des New Yorkers beständig, die ihn überhaupt erst groß gemacht haben, aber abgesehen davon hält man ein klasssisches Mixtape in den Händen: Samplebeats, skizzenhafte Refrains und frontale, konzeptlose Rapparts. Dass Bronson daraus schon einiges machen kann, beweist sich allein durch die Produktionsliste mit Hochkarätern wie Alchemist, knxwledge und Harry Fraud, die durch die Bank wundervolle, modernisierte Oldschool-Musik liefern.

Der vorherrschende Vibe auf dem Projekt lässt sich dabei als grenzwertig comichaft beschreiben. Die Samples sind alle ein bisschen obskur, gerade Songs wie "The Chairman's Intent" oder "Chop Chop Chop" stellen den gemeinsamen Nenner des Projekts vielleicht am Besten dar: Oldschool-Cineastik, irgendwo zwischen Quentin Tarantino und Charlie Chaplin. Zwischendrin bringen Cuts wie "Bonzai" melnacholischere Töne, "Tank" gibt sich bombastischer, "Durag vs Headband" lässt fast schon Dispet-Vibes aufkommen und das Rick Ross-unterstütze "9-24-7000" (die jüngste Installation der renommierten Reihe) macht eine überraschend elegante Figur.

Viele schöne Einzeltracks, viele coole Ideen und fantastische Samples, natürlich alles potent durch Bronsons Flow verwoben, der wie eh und je sehr an einen Ghostface Killah erinnert – aber wann war das je eine schlechte Sache. Der Humor bleibt der selbe, Punchlines wechseln sich mit obskurer Bildsprache, Sportreferenzen und irrsinnigen Onelinern ("I'd give my right lung if could dunk a basketball one time" auf "My Right Lung") die Klinke in die Hand. Das ist alles durchaus unterhaltsam, aber eben auch nichts Neues im Katalog von Action Bronson. "Blue Chips 7000" macht einfach ein wenig more of the same.

Ob es wirklich einfach nur eine weitere Installation des Mixtapes für die Hardcore-Fans darstellt oder ob man mehr hineininterpretieren kann - die Behauptung, Bronson würde seine auf "Mr. Wonderful" angedeutete Ambitioniertheit fürs Erste wieder begraben, kann man fürs Erste nicht bestätigen. Es wäre definitiv schade, wenn er seine musikalische Entwicklung im Angesicht seiner endlosen Nebenprojekte aufs Eis legen würde, denn ein Tape wie dieses legt fast die Vermutung nahe, dass der Rap selbst langsam ein Nebenprojekt für den New Yorker wird. Denn auch wenn er zweifelsohne sehr gut in dem ist, was er tut, stellt Nummer 7000 keinen arg sichtbaren Schritt nach vorne dar.

Aber vielleicht ist es eben doch auch nur Backenfutter für die Fans. Dementsprechend kann man natürlich nicht zu sauer auf eine eventuelle musikalische Stagnation von Bronson sein, wenn man bedenkt, dass Tracks wie "The Chairman's Intent" oder "Bonzai" schlicht verdammt gut geraten sind. Es gibt eben Rapper, bei denen "more of the same" erst einmal nichts Schlechtes ist. Und das nächste Album kommt ja auch bestimmt.

Trackliste

  1. 1. Wolfpack
  2. 2. La Luna
  3. 3. The Chairman’s Intent
  4. 4. Hot Pepper Ft. Lyhem Lauren & Jah Tiger
  5. 5. Bonzai
  6. 6. Let it Rain
  7. 7. My Right Lung
  8. 8. Tank Ft. Big Body Bess
  9. 9. Let Me Breathe
  10. 10. 9-24-7000 Ft. Rick Ross
  11. 11. The Choreographer
  12. 12. Chop Chop Chop
  13. 13. Du-Rag vs Headband Ft. Big Body Bess

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