Aus Protest gegen das Urheberrecht bringt Johannes Kreidler der GEMA 70.200 Anmeldeformulare für ein halbminütiges Stück vorbei. Doch die GEMA hat sich darauf vorbereitet.

Berlin (loc) - Der Komponist Johannes Kreidler, der letzten Monat ankündigte, 70.200 Formulare für ebensoviele benutzte Samples in einem von ihm komponierten Stück bei der GEMA einzureichen (wir berichteten), musste seine Formulare wieder mitnehmen. Die Übergabe war als Protestaktion gegen das bestehende Urheberrecht ausgelegt.

Bei der GEMA-Generaldirektion in Berlin, bei der er am 12. September mit einem Kleinlaster vorfuhr und die Einzelanmeldungen medienwirksam ins Gebäude trug, hatte die PR-Abteilung schon im Vorfeld ihre Hausaufgaben erledigt: Kreidler wurde entspannt lächelnd zu einer Diskussion mit Pressekonferenz empfangen.

Stellungnahme der GEMA

Bereits Tage vor der Aktion geriet eine Stellungnahme von der GEMA in Umlauf. Darin heißt es unter anderem, dass nur erkennbare Zitat-Schnipsel angemeldet werden müssen und "dies ist bei einzelnen Tönen [...] - so wie sie Herr Kreidler für sein Werk product placement überwiegend verwendet - wohl eher nicht der Fall."

Das Musikstück, das Kreidler komponiert hatte, besteht aus 70.200 Einzelsamples, die von dem Komponisten Neuer Musik am Computer zu 33 Sekunden Spielzeit fragmentiert wurden.

Formulare zurück in den Transporter

Eine Juristin hatte in Kreidlers Ankündigungs-Video zuvor erklärt, Samples jeglicher Länge müssten angemeldet werden - Kreidler ging es mit dem absurden Formularberg nicht um die Quälerei von GEMA-Sachbearbeitern, sondern um eine generelle Diskussion über die Zukunft des Urheberrechts.

Die Formulare packte Kreidler deswegen nach einem kurzen Gedankenaustausch zum Thema Kulturflatrate wieder in den Transporter.

Ob die Aktion gerade deswegen oder trotzdem als gelungen zu betrachten sei oder nicht, wird derzeit in den Blogs und Kommentarspalten der Zeitungen heiß diskutiert. Doch eines ist sicher: Der Name des Komponisten Johannes Kreidler ist auch ohne Musik um einiges bekannter geworden.

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7 Kommentare

  • Vor 15 Jahren

    Bei der Anmeldung von Samples gehts nicht um die Länge sondern um die "Schöpfungshöhe", also Gewissermaßen die "künstlerische Leistung" die dahintersteckt. Da spielt der Wiedererkennungswert eine große Rolle. Aber so auslegbar das auch sein mag, Samples die sich im Bereich von Bruchteilen von Sekunden bewegen spielen da ganz sicher keine Rolle.

  • Vor 15 Jahren

    @mr_bad_guy (« Aber so auslegbar das auch sein mag, Samples die sich im Bereich von Bruchteilen von Sekunden bewegen spielen da ganz sicher keine Rolle. »):

    Da wäre ich mir nicht so sicher.
    Nehmen wir mal den Schrei, mit dem Mister (!) James Brown sein "I Got You (I Feel Good)" eröffnet - der dauert keine Sekunde, ist aber ausgesprochen markant. Ist das wirklich schon Allgemeingut, das man blind samplen und verwursten darf (oder sollte)?

    Gruß
    Skywise

  • Vor 15 Jahren

    Ich glaub schon. Jedenfalls ist ein Wort (oder Satz oder Satzteil) das du in ein Mikrophon brüllst und aufnimmst auch keine Schöpferische Leistung. Ich bezweifle daß es da bei James Brown anders ist. AUch wenn er vielleicht eine markantere und bekanntere Stimme hat.

    Edit: Wobei das Recht tatsächlich strenger interpretiert wird wenn es sich um Gesang, Rap, oder im allgemeinen Menschliche Stimmen handelt, als wenns dabei um reine Instrumentalsamples geht. Aber wie schon gesagt, ich glaub nicht daß ein "I Got You" und sei es auch von James Brown, die geforderte Schöpfungshöhe aufweist.